Varusschlacht Ein Jahrestag elektrisiert die historische Szene

Das Hermannsdenkmal bei Detmold am Teutoburger Wald. © Lippisches Landesmuseum Detmold

2000 Jahre Varusschlacht im Teutoburger Wald. Die Museumslandschaft hat Pläne; Reenactment-Fans geraten in fiebrige Stimmung. Kommt das große Treffen der Römer- und Germanendarsteller?

Römisches Werbe-Flaggschiff

Im Dezember vergangenen Jahres bekamen die Forstarbeiter im Teutoburger Wald einiges zu tun. Sie schlugen das Holz für ein rund 230 000 Euro teures archäologisches Experiment. Das nordrhein-westfälische Römermuseum Haltern am See und die Universität Hamburg koordinieren den Nachbau eines römischen Kriegsschiffs. Und zwar so originalgetreu, dass es im ersten nachchristlichen Jahrhundert über die Gewässer des Imperiums hätte schippern können. „Grundlage der Rekonstruktion sind die 1994 im Bereich der Anlagestelle des römischen Kastells von Oberstimm gefundenen Schiffswracks aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert“, erklärte Professor Christoph Schäfer vom Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Uni Hamburg, der den Bootsbau wissenschaftlich begleitet. Das Projekt ist buchstäblich das Flaggschiff für die vor einem halben Jahr gegründete Ausstellungskooperation: „2000 Jahre Varussschlacht – Imperium. Konflikt. Mythos“.

Der Schiffsbau läuft in diesem Jahr so richtig an. Ab 2008 soll das gut 16 Meter lange und von bis zu 20 Ruderern angetriebene Kriegsschiff auf Werbetour gehen. Dabei soll es an Rhein, Lippe, Donau, Weser und Ems mindestens 20 Städte ansteuern. Das Vorhaben ist indes nicht nur Werbegag. Mittels der experimentellen Archäologie wollen die beteiligten Wissenschaftler auch ihre Erkenntnisse aus der Schiffsarchäologie praktisch untermauern. Über Leistungsvermögen und Manövrierfähigkeit der geborgenen Schiffe sei so gut wie nichts bekannt, erklärte Schäfer.

Natürlich soll das Schiff im Jahr 2009 auch an den drei beteiligten Museumsstandorten zu sehen sein. Neben Haltern sind auch das Lippische Landesmuseum Detmold und die „Varusschlacht im Osnabrücker Land gGmbH“ beteiligt. Letztere betreibt den niedersächsischen Museumspark Kalkriese – der gegenwärtig als wahrscheinlichster Ort der historischen Schlacht gilt. Wenn auch nicht unumstritten ”(siehe den Beitrag „Wo starben Varus’ Legionen wirklich?“ hier im chronico-Dossier)”:http://www.chronico.de/erleben/wissenschaft/0000406/ . Weitere Kooperationspartner sind der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, der Landkreis Osnabrück, der Landesverband Lippe und der Kreis Lippe.

Ganzheitlicher Blick auf das Jahr 9 n.Chr.

„Der Kampf und die Niederlage der Römer im Jahr neun nach Christus gegen die um den Cherusker Arminius versammelten germanischen Stämme, die seit über 15 Jahren in Kalkriese wissenschaftlich erforscht wird, haben die Entwicklung des heutigen Deutschlands und Europas mit beeinflusst. Diese Hintergründe und Zusammenhänge wollen wir über das eigentliche Geschehen der Varusschlacht hinaus den Menschen als ein umfassendes Bild jener Zeit nahe bringen“, umriss Joseph Rottmann, Geschäftsführer der Varusschlacht im Osnabrücker Land gGmbH, das Konzept der Kooperation.

Die Ereignisse sollen also an den drei maßgeblichen Originalschauplätzen aufbereitet werden. Die fünf Partner wollen Exponate von Weltgeltung in die Region holen und auch offene Fragen zum Ablauf der Schlacht und der Zusammensetzung des römischen Heeres thematisieren.

Haltern am See war in jener Zeit das römische Militär- und Verwaltungszentrum in der Provinz. Dort steht das Imperium im Zentrum des Geschehens. Mit „Konflikt“ ist das Teilprojekt in Kalkriese überschrieben. Die eigentliche Schlacht und der Stand der Dinge in Sachen Germanenforschung sollen dort thematisiert werden. Detmold, Standort des 1875 von Kaiser Wilhelm eingeweihten Hermannsdenkmals, nimmt sich den Mythos rund um die Schlacht und seine Nachwirkung bis in die heutige Zeit vor. Die Varusschlacht und ihr siegreicher Feldherr Arminius dienten seit dem 19. Jahrhundert als historisches Leitbild für die Suche der Deutschen nach nationaler Identität.

Doch die eigentlichen Planungen haben eben erst begonnen. „Detaillierte Programme haben wir noch nicht zusammengestellt“, sagte Gisela Söger, Sprecherin des Museumsparks Kalkriese, auf Anfrage von chronico. Auf etwaige Konkurrenzveranstaltungen müssen die Projektpartner keine Rücksicht nehmen. Andere deutsche Einrichtungen wie das Saalburgmuseum oder der Archäologische Park Xanten planen keine Aktionen zum Jahrestag. „Wir konzentrieren uns auf unseren Museums-Neubau, der 2008 eröffnet wird“, sagte Ingo Martell, Sprecher in Xanten.

Pläne der Reenactmentszene

Dass auch Akteure der Römer- und Germanenszenen an den Vorhaben der Kooperationspartner beteiligt sind, ist mehr als wahrscheinlich. Sowohl Haltern am See als auch Kalkriese holen seit jeher Reenactors auf ihr Gelände. In Kalkriese haben die Römertage, die alle zwei Jahre stattfinden, längst einen festen Platz im Veranstaltungskalender. Auch 2009 ist es wieder soweit. Die Frage, die die Reenactmentszene derzeit umtreibt, ist aber: Wie groß wird dieser Part?

Rund 300 Akteure und gut 35 000 Zuschauer kamen 2005 zu den Kalkrieser Römertagen. Doch nicht wenige Akteure hoffen für 2009 auf ein weitaus größer angelegtes Treffen, das dem internationalen Interesse an der Sache auch gerecht werden kann. In Diskussionsforen wie etwa dem niederländischen „RomanArmy.com“ befürworten viele Akteure aus Europa und Übersee einen Auftritt im Gebiet rund um den Teutoburger Wald. Erste Kontakte zu Interessierten knüpfen derzeit einige Gruppen, die Germanendarstellung betreiben. „Was fehlt, ist eine klare Aussage der Veranstalter zu diesem Thema“, sagte Stefan Deuble von der Alamannengruppe „Ulfinger“ dem Magazin chronico. Er hofft darauf, dass die Kooperationspartner entsprechende Ideen schon bald formulieren. Immerhin: Etliche Teilnehmer des frühmittelalterlichen Reenactments in Hastings bereiteten sich mehr als zwei Jahre auf ihren Auftritt vor. Zum 940. Jahrestag der Schlacht von 1066 kamen im vergangenen Oktober über 2000 Darsteller nach Südengland.

Deuble und seine Mitstreiter wollen möglichst schnell ein Netz von Darstellergruppen zimmern. „Daraus soll sich ein Pool von sauber recherchierenden Darstellern des frühen ersten Jahrhunderts entwickeln, der in der Lage ist, auch größere Veranstaltungen zu beleben“, erklärte er. Bestehe dieses Netz erstmal, könne auch über Qualitätsstandards und ein Konzept gesprochen werden. „Schon jetzt wird international ein Varus-Reenactment 2009 mit großer Aufmerksamkeit erwartet.“

Kalkriese sei im Prinzip der beste Standort dafür, sagte Deuble, der dort selbst schon als Germanenkrieger seinen Auftritt hatte. Aber auch Haltern und Detmold seien denkbar. Ein Reenactment passe einfach gut zum offiziellen Veranstaltungskonzept. Das sehen auch Vertreter der Römerszene so. Aber es werden auch Stimmen laut, die etwa Kalkriese viel zu wenig Platz für ein solches Event bescheinigen.

Bedenken gibt es auch zur Qualität des Varus-Reenactments. Viele Gruppen ließen sich womöglich sammeln, wenn es um die Inszenierung eines Zeitstrahls geht. Sobald sich das Konzept aber streng auf die Zeit um das Jahr neun einspielt, könnten durchaus Probleme bei der Rekrutierung auftreten. „Die Römerdarsteller stehen vor dem Problem eigentlich nicht gerüstet zu sein, um dieses Ereignis korrekt nachzustellen“, meinte Tobias Gabrys von der „Interessengemeinschaft Flavii“, die sich der Darstellung der römischen Antike widmet. Es gebe derzeit wenig Gruppen, die sich ernsthaft mit einer zum ersten Jahrhundert passenden Ausrüstung befassen. Die Gefahr sei da, dass bei einer Massenveranstaltung die Qualität auf der Strecke bleibe. Mit großer Selbstverständlichkeit hätten sich in der Vergangenheit „Römermärkte“ etabliert, deren Konzeption eher auf Kommerz ausgelegt sei, sagte er.

Dennoch reize auch die „Flavii“ der Gedanke an ein gut gemachtes Varus-Reenactment. „Wenn man die Sache kompetent und gerecht angeht, offen und ehrlich mit dem Thema, den Besuchern und den Gruppen umgeht, sind wir dabei.“ Ein Anspruch, der sich durchaus mit dem von Deuble deckt, der zudem eine größere Schlachtinszenierung ins Auge fasst. „Dafür müssen Standards geschaffen werden, die es ermöglichen, dass nicht nur hier Römer-, dort Germanenlager zu sehen sind, sondern dass mehr Interaktion stattfinden kann, ohne albern zu werden.“ Wo und zu welchen Bedingungen auch immer – „es gilt, jetzt damit anzufangen“, meinte Deuble.

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2 Kommentare

  1. Ich habe einen interessanten Link zur Varusschlacht für Sie: www.pugna-in-saltu-Teutoburgiensi-facta.de (Historischer Bericht über die Schlacht im Teutoburger Wald).
    Könnten Sie in Ihrer Homepage einen Link darauf legen?

    02. Dezember 2007, 19:12 Uhr • Melden?
  2. Für das Museum in Kalkriese kann man eigentlich nicht genug Werbung machen… Auch der “Weg der Römer” vor dem Museum ist wirklich eindrucksvoll.

    09. Dezember 2007, 13:12 Uhr • Melden?
    von Jan
    2

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