Tilleda 2006 In die Zeit der Ottonen geschaut

Reenactors stellen historische Kampfszenen in Tilleda nach. © Marcel Schwarzenberger

Die Pfalz Tilleda ist ein Ort, der erobert sein will. Am vergangenen Wochenende geschah das gleich drei Mal: Durch ungarische Reiter, aufständische Sachsenkrieger und Hunderte Besucher, die zum traditionellen Kaiserlager am Kyffhäuser kamen.

Eine Geschichte für Tilleda

Der Burgberg von Tilleda, an der Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Thüringen gelegen, erlebte im 10. und 11. Jahrhundert unter den Ottonen und Saliern seine größte Blüte. Es lag nahe, dass das historische Schauspiel in dieser Zeit angesiedelt wurde. Seit 2001 ist die wunderschön gelegene Pfalz Schauplatz eines Reenactment-Events. Bisher setzten der Pfalzarchäologe Michael Dapper und der Chef des Thüringer Ritterbundes, Maik Elliger, Ereignisse aus der hochmittelalterlichen Zeit der Staufer in Szene. Dieses Jahr wählten die beiden die Ära der Ottonen. „Das passt hervorragend zu Tilleda“, meinte Elliger.
Es gibt noch einen Grund für die Wahl des Stoffes: Am 28. August eröffnet die schon jetzt als fulminant gepriesene Ausstellung „Heiliges Römisches Reich – Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters“ in Magdeburg ihre Pforten. Die Schau zeigt so seltene und wertvolle Stücke wie den Codex Manesse mit seinen berühmten Abbildungen von VIPs des Mittelalters. Und neben zehn anderen Orten in Sachsen-Anhalt gehört die Pfalz zu den Stätten, die ein eigenes Begleitprogramm zur Ausstellung bieten. So schließt sich der Kreis zum Tilleda-Lager 2006.

Historische Szenen

Dapper und Elliger grübelten also über den Plot, der zwei Szenen überbrücken sollte, wie sie sich zur Zeit der Ottonen tatsächlich in der Region um Tilleda zutrugen. Bevor Otto der Große im Jahre 955 die Ungarn auf dem Lechfeld (bei Augsburg) vernichtend schlug, drangen die Reiterkrieger immer wieder in das noch junge Königreich ein. Nach dem Abtritt der Karolingerdynastie war es lange keinem Herrscher gelungen, eine wirkliche Einheit unter den rivalisierenden Stammesherzogtümern zu erreichen. Eine Schwäche, die die aus dem Osten eindringenden Ungarn weidlich ausnutzten. Einen solchen Überfall, den es im mitteldeutschen Raum tatsächlich gab, stellten die mehr als 50 Akteure nach.

Die zweite Szene zeichnete eine Revolte nach, wie sie lange nach der Befriedung der Ungarn im deutschen Reich vorkam. Immer wieder kam es zu Erhebungen gegen den imperialen Machtanspruch der Kaiser. Bei diesen Unruhen war auch die Kaiserpfalz zu Tilleda das Ziel sächsischer und thüringischer Aufmüpfigkeit. „Gegen den König“ lautete denn auch korrekt der Titel des Spektakels, der beide Szenen verband. Im Ergebnis waren es solche Ereignisse, aus denen das Heilige Römische Reich deutscher Nation hervorging. Und genau das habe man so anschaulich wie möglich darstellen wollen, meinte Archäologe Dapper.

Reenactment-Treffen

Die Kulisse auf dem Berg unterhalb des Kyffhäuserdenkmals ist für ein Treffen von Reenactmentgruppen wie geschaffen. Die Pfalz gilt als eine der am besten erforschten kaiserzeitlichen Bauten aus der Zeit der Ottonen. Die Burg verlor im Hochmittelter ihre Bedeutung – damit blieb der ursprüngliche Charakter erhalten. Die Fundamente hat das Team um Dapper sorgfältig rekonstruiert, Nachbauten historischer Häuser auf dem großflächigen Gelände komplettieren den authentischen Eindruck. Und mittendrin schlugen die Darsteller ihr weiß schimmerndes Zeltlager auf.

Pferde und ungarische Tracht brachten die Bogenschützen der Vereinigung „Die Steppenreiter“ mit. Die Stammmannschaft in Tilleda, der Thüringer Ritterbund, tauschte seine hochmittelalterliche Kleidung diesmal mit Ausrüstungen wie sie sie ins 10. und 11. Jahrhundert passen. Mit ihrer Ausstattung sind die Thüringer wiederum Teil des franko-flämischen Kontingents „Battle of Hastings 1066“ (FFC). Diese Truppe bereitet sich seit zwei Jahren auf eines der größten Reenactment-Treffen Europas vor – der Inszenierung der Eroberung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm. Das Spektakel findet im Oktober 2006 im südenglischen Hastings statt. Neben den Thüringern gehören fast 30 Gruppen und etliche Einzeldarsteller dem FFC an. Die Truppe braucht Training, und so hatte Elliger keine Schwierigkeiten, etliche Mitglieder nach Tilleda zu lotsen.

Die Pfalz-Leute Dapper und Torsten Kreutzfeldt moderierten die Szenen. Eine großartige Zusammenfassung der Ereignisse rund um die Ungarneinfälle lieferte der Herforder Geschichtsstudent Andrew van Ross. Seit Jahren baut der Reenactor an seiner eigenen Ungarn-Ausstattung. Er stellt sie nach Funden aus der so genannten ungarischen Landnahmezeit (895-970) zusammen. Neben seiner Ausrüstung brachte er auch ein typisches Rundzelt dieser Epoche nach Tilleda mit. Van Ross ist in der Szene bekannt etwa für seine Inszenierung der Grablege eines ungarischen Adligen. Und die kommentierte Umsetzung archäologischer Erkenntnisse ist so recht nach seinem Geschmack. „Und durchaus mit dem Mut zu Lücke“; meinte er. „Denn ich verweise auch gerne auf das, was wir auf Grund der Quellenlage nicht wissen.“

Seine „Rolle“ als Ungarnexperte war in Tilleda aber ein Nebenjob des Herforders. Seine Kleidung wies ihn als Bogenschützen des franko-flämischen Kontingents aus. Und so nahm er denn zwischen den Szenen an Übungen der Bogentruppen teil. All das geschah unter den Augen der Besucher, die ungehindert zwischen „Kriegern“, ihrem Gefolge und den Zelten wandern konnten. Und so fand sich mancher Akteur oft von neugierigen Fragern umgeben.

Kontrastprogramm

Ein Kontrastprogramm bot der kleine Markt, der abseits des Heerlagers aufgeschlagen war. Die Kaiserlager in Tilleda waren seit jeher eine Mischung aus Reenactment und klassischem Mittelaltermarkt. Das Publikum erwarte das eben, meinte Elliger. Nur auf die räumliche Trennung achten die Organisatoren seit jeher genau.

Das Konzept ging auf: Die mobilen Schenken, bestückt von lokalen Lieferanten, und die Gaukler und Musikanten, darunter Saltarello, setzten eigene Akzente. Wann immer sie wollten, konnten die Besucher von hier aus das Pfalzgelände erkunden. Zu entdecken gab es – neben den Auftritten der Darsteller – so einiges.

Im vergangenen Jahr zogen die Pfalzmitarbeiter ein Burgtor in die Höhe, wie es zur Zeit der Salier existiert haben könnte: mächtige Steinwälle mit einer Dachkonstruktion aus Holz. Auf dem Burgvorplatz lässt Dapper derzeit ein Bauernhaus rekonstruieren. „Das soll einmal für Workshops dienen“, sagte der Archäologe. Weitere Gebäude sollen folgen, darunter ein ottonisches Tor am Eingang zum Freilichtmuseum. Im nächsten Sommer wird das Gelände sein Gesicht wieder etwas verändert haben. Dann gibt es erneut ein „Kaiserlager“ – mit einer neuen Geschichte, die nachgestellt wird.

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6 Kommentare

  1. Leider klingt der Artikel nicht sehr ehrlich. Das Mittelalterfest in Tilleda war bisher immer sher schön, und grade der Maik Elliger der hier so hoch gelobt wird hat es meiner Meinung nach in den Dreck gezogen. Hier wird von hunderten Besuchern gesprochen, was nicht erwähnt wird, ist das die meisten wärend der Hauptshow uninteressiert wieder gegangen sind, und die Tatsache das es mal tausende anstelle hunderter waren wird auch nicht genannt, viele Stammbesucher kommen gar nicht mehr.
    Verständlich, eines der schönsten Events und vor allem eines größesten ist verkommen da sich immer mehr Darsteller von Herrn Elliger distanzierten, welcher das Mittelalterfest immer mehr zu einem Spaßwochenende für sich selbst macht, mit ausreichend Gelegenheiten sich selbst zu profilieren, so das der Gast auf der Pfalz eher als lästige Figur betrachtet wird, als jemand den es zu begeistern gilt.
    Und die Stammgruppe ist der Thüringer Ritterbund schon gar nicht, das ist nämlich eine andere Gruppe, diese stand schon des öfteren hier in den regionalen Zeitungen, da sie auch an anderen Terminen dort Veranstaltungen durchführen, die nicht nur bei Besuchern bereits beliebter sind als das von Herrn Elliger veranstaltete Fest.

    27. Juli 2006, 19:07 Uhr • Melden?
    von Ein ehemaliger Fan des Mittelalterfestes
    1
  2. Ich kann diesen Eindruck nicht teilen. Das Publikum ist am Samstag (an diesem Tag war ich vor Ort) durchaus bei der Stange geblieben. Es geht hier auch um das Kaiserlager – und das begleitet der Thüringer Ritterbund tatsächlich seit einigen Jahren. Freilich ist vieles auch Geschmackssache. Es wird in Tilleda immer wiede rmal was Neues probiert. Daran sehe ich zunächst nichts Schlechtes. Was auch klar ist: nicht jeder Beteiligte kann immer auch genannt werden, das ergäbe zuweilen eine recht lange Liste. Ich weiß, dass auch die Roten Adler dabei waren – so seien sie an dieser Stelle erwähnt.

    Beste Grüße

    28. Juli 2006, 00:07 Uhr • Melden?
  3. Hallo ehemaliger Fan,
    auch ich kann Deinen Eindruck nicht teilen. Zudem weiß ich nicht, warum Du Deine Kritik an einer einzigen Person festmachst. Das Kaiserlager 2006 war Teamarbeit und ich hatte überhaupt keine Probleme mit Maik Elliger, im Gegenteil. Ich war angenehm überrascht von ihm. Auch die Veranstaltungsidee für 2006 war Teamarbeit Dapper/Elliger/Kreutzfeldt.
    Und zum Thema Stammgruppe: Es gibt viele Gruppen und Einzelpersonen , die sich für Tilleda engagieren. Und das ist doch gut so. Es könnten ruhig noch mehr sein.
    Ebenso beste Grüße von Torsten Kreutzfeldt

    08. August 2006, 15:08 Uhr • Melden?
  4. Vorab: Ich muss schon staunen, daß obige, derart weiche Kritik die anonym formuliert wird, überhaupt ein Reaktion hervorruft.
    Zur Sache: Ich kann persönlich kann jede Bestrebung, die versucht, Events mit historischem Hintergrund im historischen Umfeld aus dem klaumaukigem Geschehen der Mittelaltermärkte zu holen – und damit zu einem Edutainment, die diesem musealen Umgebung gemäss ist, Raum gibt – begrüssen.
    Es ist ein hartes Brot die Akteure auf diese Präsentationsform einzuschwören, die vielfach über den Umweg der Kommerzmärkte solchen Veranstaltungen für sich entdecken und in diesem Rahmen eine neue Formensprache erlernen müssen.
    Diese Unschärfe sorgt dann oft dafür, daß man in der bildlichen Nachlese den einen oder anderen Ausreisser entdeckt, der eine ottonische Pfalz in den Geruch eines grobmittelalterlichen Kommerzmarktes oder einer pelzmützenden Wikingerveranstaltung bringt, oder daß dem Besucher aus Unsicherheit nicht die Aufmerksamkeit zuteil wird, die er von einem Akteur verlangen kann.
    Aber ein Besucher, der ein Archäologischen Park besucht und an einem Wochenden im Jahr die farbige Welt der Vergangenheit vorgeführt bekommt wird es dem Veranstalter und den Akteuren danken.
    Und einen Archäologischen Park durch solche Veranstaltungen zu beleben ist ein guter Weg, die Besucherzahlen zu steigern ohne den Volksbildungsauftrag dabei vergessen zu müssen.
    Dieser Versuch in Tilleda ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und in Anbetracht der knappen Vorbereitung erstmal als Leistung zu werten .. auf einem langen Weg wird das Qualitätsmanagment bei der Auswahl der Gruppen und ein ausgewogenes Programm dieser jährlichen Veranstaltung einen eigenen Glanz geben. Da bin ich mir sicher!

    Claus Meiritz
    Werkstaetten fuer ledendige Geschichte

    09. August 2006, 12:08 Uhr • Melden?
    von Claus Meiritz
    4
  5. Hallo Herr Meiritz,
    ich bin Mitglied in einem
    Mittelalterverein,wo die Leute sich nicht als “bierernste Puristen“und Selbstdarsteller verstehen. Klamauk kann auch begeistern, auch denk ich solten wir uns unser schönen deutschen Sprache bedienen und uns nicht so aufblähen, mit Fachchinesisch (EDUTAINMENT) Gruss Tom

    25. Mai 2007, 13:05 Uhr • Melden?
    von Tom Gent
    5
  6. Hallo,
    ich war leider nicht in Tilleda, gehöre aber zum FFC und kenne auch die Kritik an Maik Elliger, obwohl ich persönlich nichts gegen ihn sagen kann und will. Aber ganz allgemein finde ich anonyme Kritik immer schlecht und destruktiv und an einer einzelnen Person in einem öffentlichen Forum auch.
    Edutainment soll wohl ein Mix aus “education” und “entertainment” sein. Ansonsten habe ich mich sehr über die Bilder gefreut, die einen groben Überblick von der VA geben.
    Gruß Giselle
    Mitglied Haus Dun-Gwalch, HeRiBu
    FFC 1066

    28. Oktober 2007, 20:10 Uhr • Melden?
    von Giselle
    6

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