Buchideen für Rom Haushalt, Reenactment oder Fiktion?

Fünf Bücher bieten ganz unterschiedliche Ansätze, sich mit Rom zu befassen. © Marcel Schwarzenberger

Das Legionärsleben als Experiment; eine mörderische Schlacht; üppiger Waffenschmuck; der ganz normale Alltag oder ein raffiniertes Wegesystem: Literatur über Rom auf dem Prüfstand. Fünf Titel; fünf Konzepte.

Fünf Wege ins Imperium

Neulich stand ich wieder in der Geschichtsabteilung meiner Lieblingsbuchhandlung in Hannover. Während ich die Titel überflog, hier wissend nickte, dort kaum ein Gähnen unterdrücken konnte, kam mir ein Gedanke. Immer wieder werfen Verlage Bücher auf den Markt, die einen Überblick bieten sollen. Möglichst das große Ganze; das Mittelalter, die Antike. Ist aber manchmal nicht der bewusst eingegrenzte Bick der bessere? Weil er zu einem speziellen Thema einfach mehr Details bieten kann?

Flugs sichtete ich daheim meinen Bestand an noch nicht besprochenen Büchern; das alte Rom stach deutlich hervor. Ich griff mir fünf Titel aus der jüngeren Zeit. Eines davon ist von Reenactors geschrieben. Aber auch die anderen Bände haben mit Blick auf die Living History ihren Reiz. Für den interessierten Leser allemal.

Der ganz normale Alltag

Schöner Überblick mit wenig Tiefgang. © Marcel Schwarzenberger

Ich beginne mit dem optisch reizvollen Buch „Das Alte Rom – Leben und Alltag“ der US-amerikanischen Historiker Nancy H. und Andrew Ramage (Theiss Verlag). Eine stille Hoffnung, die ich noch beim Erhalt der Verlagsvorschau hegte, musste ich allerdings begraben: Es gibt keine Rekonstruktionen, keine Living History. Gleichwohl drehen sich die schön erzählten Beiträge tatsächlich um alle wichtigen Lebensbereiche eines Römers. Götterkult, Stadt- und Landleben, Kultur, Krieg, Ökonomie oder Haushalt – ich meine, die Autoren haben nichts übersehen.

Die Eingrenzung des Themas ist klar. Nicht die Chronologie gibt den Takt vor, sondern die einzelnen Bereiche des tatsächlichen Lebens. Und doch zeigen sich auch Nachteile im Buchkonzept. Quetschen Sie mal das Leben sämtlicher Bürgerschichten von den etruskischen Königen bis zum Untergang des Weströmischen Reichs auf nicht ganz 180 Seiten. Eben! Zumal noch das Schicksal wichtiger Antikensammlungen in der Neuzeit behandelt und wenigstens ein minimaler historischer Überblick gegeben werden muss (beides übrigens gut gelöst).

Ärgerlicher Patzer

Es ist also klar: Trotz Eingrenzung des Themas bleibt dem Autorenpaar nichts anderes übrig als der schnelle Ritt durch die einzelnen Bereiche. Für meinen Geschmack bekommt der glanzvolle, aber seltene Triumph im Abschnitt über die Armee zu viel Platz eingeräumt. Das Leben der Legionäre wird nur angedeutet. Immerhin erfahre ich, dass die Ramages Verfechter der Theorie sind, dass Maskenhelme von Reitern nur in Turnieren, nicht aber im Kampf getragen wurden.

Optisch gibt es nichts auszusetzen. © Marcel Schwarzenberger

Richtig schön sind etwa der Ausflug in die römische Porträtkunst oder das Kapitel, das Medizinkunst und Grabsitten zusammenfasst. Ärgerlich hingegen der Patzer auf Seite 21: Dort schreiben die Autoren, dass Kaiser Caligula im Jahr 212 n.Chr. per Gesetz das Bürgerrecht auf alle freien männlichen Bewohner des Imperiums ausdehnte. Das Gesetz gab es (Constitutio Antoniniana), aber es wurde unter Kaiser Caracalla verabschiedet. Im Anhang mit einem Überblick über die Dynastien sind beide Kaiser korrekt einsortiert.

Das verborgene Leben

Leider bleibt mir auch der Alltag eines Bauern oder eines einfachen Händlers verborgen; auch wenn ich viel über Wirtschaft und Handelsbeziehungen erfahre. Den ganz feinen Lupenblick haben die Autoren nicht aufgesetzt. Als Gegenbeispiel fällt mir das im April 2012 erschienene Buch Vom Gladiator zur Hure – Die Reise einer Münze durch das Römische Reich ein. Der Autor Alberto Angela stand vor dem gleichen Problem wie die Ramages: Beschreibe den Alltag der ganz normalen Römer. Angelo griff zu einem Trick. Er nahm eine echte Münze; eine ganz eng gefasste Zeit (nämlich die trajanische um 117 n.Chr.) und ließ diese Münze einen fiktiven Weg quer durchs Imperium nehmen. Jede Station eine neue Geschichte, die sich zu einem Gesamtbild fügen. Tolle Idee! Allerdings nahm sich Angela auch 600 Seiten Platz. Und mögen die einzelnen Beiträge noch so sehr auf Fakten beruhen; als fiktive Stories sind sie keine harten Rekonstruktionen der Befunde. Nicht jedermanns Sache.

Doch zurück zum Ramage-Titel: Das Buch ist für Menschen gedacht, die mehr an Kulturgeschichte als an Jahreszahlen Geschmack finden. Dem wird es auch gerecht. Die Aufmachung ist klasse; das Bildmaterial faszinierend. Dabei konzentrierten sich die Buchmacher fast ausschließlich auf den Fundus des British Museum. Auch das hat ja eine gewisse Stringenz.

Studenten proben Legionärsleben

Dokumentation mehrerer Experimente. © Marcel Schwarzenberger

Es wird Zeit für die Praxis. Etwas, das sich auch Studenten sowie Dozenten der Universitäten Augsburg und Regensburg gesagt haben. Beide hoben Forschungsprojekte zur Living History aus der Taufe. Das Ergebnis sind zwei Legionsgruppen, die seit einigen Jahren in der Darstellerszene mitmischen: die Legio XIII Gemina und die Legio III Italica Antoniniana, Soldaten des historischen Legionslagers von Regensburg darstellend. Im Umkreis der Legio III gab es schon 2004 einen Marsch in kompletter Ausrüstung über die Alpen nach Trient; mit einer Gruppe um Florian Himmler und Josef Löffl. Die Augsburger Legionäre um Dozent Christian Koepfer traten 2009 in Aktion; im darauffolgenden Jahr unternahmen auch sie einen zweiwöchigen Marsch, der sie von Mertingen nach Hohenschwangau führte.

Man darf von den Gruppierungen eine wissenschaftliche Herangehensweise erwarten. Sie haben sich denn auch der experimentellen Archäologie verschrieben. Für die Unternehmungen außerhalb des Lehrbetriebs arbeiten die Regensburger mit dem Verein der Freunde der Alten Geschichte VEFAG zusammen; in Augsburg gründeten die Akteure 2011 das Forschungsprojekt FAGUA; Freunde der Alten Geschichte der Universität Augsburg.

Die Armee als Experiment

Im vorigen Jahr erschien im Wissenschaftsverlag Frank&Timme ein gemeinsames Buch der Legionsprojekte: Himmler, Koepfer und Löffl gaben gemeinsam das Buch „Die römische Armee im Experiment” heraus. Auf gut 300 Seiten haben die Dozenten, wissenschaftlichen Mitarbeiter und Studenten ihre ganz praktischen Erfahrungen niedergeschrieben.

Verfasst ist der Sammelband mit 23 Beträgen nach wissenschaftlichen Maßstäben. (Ein PDF mit dem Inhaltsverzeichnis gibt es hier.) Dieser Ansatz ist goldrichtig; denn wie viele Projekte aus der Living History werden gern „aus der kalten Hand“ heraus vorgenommen! Von Wissenschaft, gar von klar definierten und wiederholbaren Vorgängen (denn genau das sind wissenschaftliche Experimente) ist oft wenig zu spüren. Was die Akteure tun, wie sie vorgehen und wie sie ihre Projekte auswerten – genau das macht dieses Buch zu einer Schatzkiste. Ich sehe es auch als eine Art Leitfaden für Living-History-Gruppen jeder Couleur.

Living History und Wissenschaft

Schön zu sehen, wie einzelne Bereiche ineinander greifen. So legt der gelernte Schmied Jürgen Graßler – Mitglied der AG Historisches Handwerk in allen Einzelheiten die Fertigung eines Gladius dar. Die Waffe wird im nächsten Kapitel einem Wirkungstest unterzogen. Die Märsche der beiden Legionsgruppen werden ausführlich beschrieben. Und es wird nicht verschwiegen, dass die an solche Belastungen kaum gewöhnte Teilnehmer schnell an ihre Grenzen stießen. Dass moderne Menschen selten den physischen Ansprüchen gerecht werden, die ein tiefgründiges Reenactment abverlangen kann, ist bei solchen Experimenten immer zu berücksichtigen.

Man kann sich darüber streiten, ob die Auswirkung von Nässe auf Schildrekonstruktionen oder der Nutzen der römischen Halstücher nun unbedingt eigene Kapitel beanspruchen müssen. Die Zusammenstellung der Themen wirkt zuweilen etwas sehr zufällig; manchmal wünschte man sich weniger Wissenschaftssprache, wenn es um so menschliche Erfahrungen wie Schwielen an den Füßen geht. Und zuweilen wird zwar erwähnt, dass bestimmte Daten erhoben wurden – die sich im Buch aber nicht wiederfinden.

Ein komplettes Abbild vom alltäglichen Leben eines Legionärs bietet der Band sicher nicht. Dennoch lassen sich in Summe eine Menge guter Fakten aus dem Buch herauslesen. Und es ist eben keine Nebensache, welche Nagelung die Stiefel haben müssen; wie viele Ersatznägel man mitführen muss und wie umfangreich eigentlich eine Tagesration für marschierende Soldaten zu sein hat. Betrachtungen wie diese können eine gute Prüfung von historischen Quellenangaben sein. Und sie sagen viel über die logistischen Leistungen der römischen Armee aus.

Ich sehe vor allem zwei wichtige Zielgruppen für das Buch: Erstens die Reenactors, die ihre Projekte und ihre Experimente auf eine seriöse Basis stellen wollen – und freilich auch dokumentieren wollen (es muss ja nicht immer gleich ein Buch sein, dessen Veröffentlichung die Autoren im Wissenschaftsbetrieb zuweilen selbst vorfinanzieren müssen). Zweitens, und das ist für mich genauso wichtig, kann der Band auch im Hochschulbetrieb als Inspiration dienen. Living History ist zwar im Kommen; noch aber scheut die klassische Geschichtswissenschaft allzu starke Berührungen mit dem Thema. Doch wenn Praktiker und Wissenschaftler in derartigen Projekten zusammenarbeiten, lassen sich auch neue Qualitätsstandards festlegen. Davon können alle Seiten profitieren. Dies ist eine wichtige Erkenntnis aus dem Buch.

Opulent: Römischer Waffenschmuck

Schöne Waffenkunde von Künzl. © Marcel Schwarzenberger

Ein optischer Leckerbissen ist der Band „Unter den goldenen Adlern“ des Wissenschaftlers und Publizisten Ernst Künzl. Seine Spezialität ist die Archäologie der Römerzeit; bis 2004 war er Direktor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz. Das RGZM brachte 2008 gemeinsam mit dem Verlag Schnell+Steiner den Band heraus.

Künzl hat hier mit gut 150 Seiten ebenfalls einen sehr begrenzten Platz. Wiederum ist Themenbegrenzung das gebot der Stunde. Der Archäologe nimmt sich die römische Waffenkunde vor und präsentiert die wichtigsten Entwicklungen römischen Waffenschmucks. Und hier bereitet der Autor eine herrliche Stofffülle auf, mit der auch Reenactors gut arbeiten können.

Zeichnerische und reale Rekonstruktionen gehen Hand in Hand. Fotos moderner Living-History-Ausrüstungen und vor allem die berühmten Zeichnungen des jüngst verstorbenen britischen Illustrators Peter Connolly prägen die Ausstattung; ergänzt durch gutes Bildmaterial archäologischer Funde. Text und Bilder sind in diesem Buch vorbildlich miteinander verwoben.

Pracht und Drama

Künzl listet überlieferte Verzierungen auf und bietet Erläuterungen zu Verarbeitung und Symbolik. Und zeigt, dass die Legionäre mit ihren Waffen nicht nur religiöse, sondern auch politische Aussagen trafen. Zu sehen etwa am sogenannten „Schwert des Tiberius“, in dem Germanicus als Nachfolger des Kaisers beschworen wird.

Nicht nur die Pracht, auch die dramatische Seite des römischen Heerwesens dringt zum Leser durch. Etwa die Aufarbeitung von Kämpfen um das Jahr 260 n.Chr. im Kastell Neuwied-Niederbieber. Ausgräber fanden im 19. Jahrhundert das Skelett eines Standartenträgers neben seinem Feldzeichen. Eine silberne Phalera, eine Auszeichnung für die Truppe, wies zudem ein Pfeilloch auf.

Beispielseite aus dem Künzl-Buch. © Marcel Schwarzenberger

Die kultische Bedeutung der Legionsadler, das kleine Einmaleins der römischen Waffen- und Rüstungskunde oder die wichtigsten Unterschiede zwischen Legionären und Auxiliartruppen – für all dies findet Künzl ausreichend Platz. Und zeigt auch, dass die Römer gern von ihren Nachbarn und Feinden lernten. Einzig die lorica segmentata, der Schienenpanzer, ist laut Künzl eine originär römische Entwicklung. Vor allem Einsteiger in die Szene finden im Buch eine gute Darstellung der einzelnen Rüstungsteile. Etwa darüber, wann welche Helmform getragen wurde. Wichtig, um Fehler bei der Zusammenstellung der eigenen Ausrüstung zu vermeiden.

Volle Breitseite auf Varus

Sticht aus der Varus-Literatur hervor. © Marcel Schwarzenberger

Legio XVII, Legio XVIII, Legio XIX, Castra Vetera (Xanten), Waldgirmes, Kalkriese – natürlich geht es bei diesen Schlagworten um die Varusschlacht im Jahre 9 n.Chr. Zum 2000. Jahrestag erschien eine ganze Legion an Sachbüchern zum Thema. Am meisten beeindruckt hat mich ein eher unscheinbar daherkommendes Buch. Und das hat ganz viel mit dem genialen Konzept zu tun.

Ich vermute, dass die spezielle Herangehensweise von Hans Dieter Stöver nicht jedem passt, denn der Altertumswissenschaftler, Lehrer und Sachbuchautor mischt fröhlich einen bunten Topf aus verschiedenen Darstellungsformen zusammen. Aber genau darin besteht der Reiz des Buches „Der Sieg über Varus“.

Schöner Mix, gutes Konzept

Das schönste Konzept schwindet, wenn der Inhalt nicht passt. Vor dieser Prüfung muss Stöver nicht bange sein. Akribisch hat er Quellen zusammengetragen und wissenschaftliche Forschungen ausgewertet. Sein Buch nimmt die Position der Kalkriese-Befürworter ein. Das ist nach dem Stand der Dinge völlig in Ordnung Zudem erlaubt ihm das Verfolgen einer Theorie auch eine schlüssige Darstellung. Das Schöne ist aber, dass Stöver auch Zweifel am Standort der Varusschlacht zulässt.

Der Autor bedient sich einer einfachen Lösung, um dem Leser die damaligen Verhältnisse eindrücklich vorzustellen: Er nimmt Zuflucht zur Fiktion. Das Sachbuch ist durchsetzt mit 24 romanhaften Szenen, in denen aus Sicht des erfundenen Legionärs Sextus Pedius berichtet wird. Als Optio landet er in den Legionen des Varus, beobachtet politische Entwicklungen und die sich damals ankündigende Stadtentwicklung von Waldgirmes und überlebt schließlich die mörderische Schlacht, um ein paar Jahre später unter Germanicus zurückzukehren.

Dieser Kunstgriff erlaubt Stöver, die Ereignisse schlüssig zusammenzufassen. Der Leser kann den Schilderungen folgen. Aber auch kritisch prüfen, denn die Szenen sind als Fiktion erkennbar und in den Sachbuchkontext eingebettet. Großartig gelöst.

Sachliche Darstellungen stellen Varus, Arminius und die Situation der Jahre 7 bis 9 n.Chr. vollständig dar. Stöver beweist einen schönen und klaren Schreibstil. Als drittes Element sind mehrere Interviews eingebettet: mit Armin Becker, der für das Deutsche Archäologische Institut (DAI) in Waldgirmes forscht; mit dem Archäologen Siegmar von Schnurbein (DAI); dem Kalkriese-Forscher Wolfgang Schlüter und dem Militärexperten Klaus Reinhardt.

Diese Mischung ist spannend. Sie erlaubt das Einbinden ganz unterschiedlicher Sichtweisen und macht das Buch schlicht zum Lesevergnügen. Es geht hier im Grunde nur um einen winzigen Ausschnitt aus der breiten Vielfalt an römischen Themen. Aber daraus macht Stöver fast 400 faktenreiche Seiten. Erschienen ist das Buch im Deutschen Taschenbuch Verlag als Broschur. Den Bildteil hätte sich der Verlag allerdings sparen können. Die Motive sind lieblos zusammengestellt; das macht keinen Spaß. Da wären mir einige schwarz-weiße Skizzen und Karten auf dem normalen Papier lieber gewesen. Zudem fehlt dem Buch ein Register. Das sind ärgerliche Details, die unnötig an der Perfektion kratzen.

Auf römischen Straßen unterwegs

Das Buch über römische Straßen © Marcel Schwarzenberger

In den bislang vorgestellten Büchern ist zwar von Untergängen die Rede. Immer ging es aber um das Imperium Romanum als lebendigem Organismus. Das Buch „Zwischen Antike und Mittelalter“, erschienen 2011 bei C.H.Beck, macht den Verfall zum zentralen Thema. Das Werk nimmt sich des römischen Straßensystems an. Allerdings geht es Autor Arnold Esch nicht um die glanzvollen Zeiten, als noch die Legionen über die schnurgeraden Straßen schritten. Die Spätantike und das Mittelalter sind die vor allem betrachteten Epochen.

Esch ist auf gewisse Weise der perfekte Mann für das Projekt. Er ist Professor für mittelalterliche Geschichte und Archäologie. Als Historiker erforschte er unter anderem die italienische Renaissance. Seine Arbeiten in Italien brachten ihn allerdings zwangsläufig mit dem römischen Erbe in Berührung. Den Verfall des römischen Straßennetzes hat er über Jahrzehnte dokumentiert und viele Wanderungen unternommen. Diese Ortsbegehungen finden sich im zweiten Teil des Bandes wieder, in dem Esch eine ausführliche Dokumentation der Überreste der Via Amerina bietet. Wenn man so will, hat der Historiker einen zentralen Teil des Imperiums buchstäblich erlaufen. Eine, wie ich finde, durchaus erwähnenswerte Annäherung an mein Thema.

Eine Art Wanderbuch

Zwei Dinge nennt Esch zu Beginn seiner Untersuchung: Erstens, kaum überraschend, sind es die Historiker, die im Nachhinein so epochale Wendepunkte wie den Untergang eines Reiches festlegen. Die Zeitgenossen nähmen Brüche indes kaum so strikt wahr. Dennoch werden – und das ist der zweite Punkt – wohl auch die Bürger im spätantiken Italien in ihrem Alltag zumindest eine allmähliche Wandlung der Dinge festgestellt haben. Dass da etwas Großes langsam zu Ende geht, das habe sich unter anderem im Zustand der Straßen gezeigt. Weil Kraft, Organisationswille und Möglichkeiten für den Unterhalt fehlten.

Der Verfall sagt also viel darüber aus, was den römischen Staat einst ausmachte. Schnurgerade auf weiten Strecken, Hindernisse überwindend und durchbrechend – mit raffinierten architektonischen Mitteln –, das war das alte Rom. Kein Vergleich mit mittelalterlichen Wegen, die kleinräumig geplant waren; Hindernissen schnell ausweichend. Über das alte Rom sagen auch bewundernde Anmerkungen späterer Chronisten viel. Prokop stellte um 540 fest, dass die Via Appia noch immer genutzt werde und ihre Steine „nicht einmal von ihrem Glanz etwas verloren haben“, wie Esch zitiert. Andere Straßen fand Prokop allerdings in desolatem Zustand vor. Rom war nicht mehr Zentrum der Welt – wozu also die alten Straßen noch hegen? Neue und kleinere Machtzentren entstanden in Italien. Massives und auf weite Strecken ausgelegtes Straßenpflaster war aus der Mode gekommen; es könnte ja Konkurrenten oder Feinden ein paar Meilen weiter nützen.

Esch zeichnet das Schicksal einiger Straßen nach; berichtet über Nachnutzungen und neue Aufgaben. Und er fasst den Stand der wissenschaftlichen Erforschung zusammen. Das geschieht in flüssiger Sprache, kenntnisreich und reich illustriert mit Fotos von den Originalschauplätzen (leider sehr kleinteilig; eine gefällige optische Aufbereitung als Ganzseitenfotos gibt es leider nicht). Als Wanderführer liest sich dann der zweite Teil: Der Autor folgte den Überresten der Via Amerina zwischen Rom und Amelia. Etwas über 50 römische Meilen; mit Karten, Wegweisern und archäologischen wie touristischen Hinweisen. Diese direkte Erfahrbarkeit des Themas macht es reizvoll – und erinnert mich an das Reisehandbuch Wege am Limes – Ausflüge in die Römerzeit.

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