Geschichtspodcast 10 Düstere Faune und Römisches erleben

Cover des neuen Faunalbums © Faun

Streit um Kalkriese eskaliert; Xanten baut Hort für römische Schätze; Auferstehung einer antiken Luxusvilla in Carnuntum; Arbeiten wie die Römer in der Saalburg; Kulturtipps; „Totem“ von Faun.

Anzeige gegen Museumspark Kalkriese

Die gemeinnützige „Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH – Museum und Park Kalkriese” (Niedersachsen) sieht sich mit neuen Vorwürfen konfrontiert: Das niedersächsische Landeskriminalamt (LKA) bekam im März einen anonymen Hinweis, der den Museumspark Kalkriese des Subventionsbetrugs bezichtigt. Angeblich soll das Unternehmen mehrere Millionen Euro Zuschüsse unter Verwendung falscher Angaben erschlichen haben, schreibt das Westfalenblatt am 20. März 2007.

Im Geschichtspodcast 7 haben wir ja bereits die Vorbereitungen zum Jahrestag „2000 Jahre Varusschlacht”, der 2009 begangen wird, behandelt. Auch im Magazin chronico sind wir den Dingen, die da kommen, ausgiebig auf den Grund gegangen. Gleichwohl beschäftigt uns das Thema natürlich nach wie vor. Von Zeit zu Zeit werfen wir einen Blick auf das, was sich so im Vorfeld tut. Der nun ausgesprochene Betrugsvorwurf ist freilich ein neuer Tiefpunkt in der Debatte rund um den wahren Ort, an dem im Jahre 9 n.Chr. die Varusschlacht stattgefunden hat. Und natürlich besprechen wir auch diese Sache im Geschichtspodcast vom April.

Allerdings stellen wir uns in dieser Episode die Frage: Was soll das Ganze? Eine anonyme Anzeige? Eine traurige Premiere zu einem Thema, das nun wirklich sachlich diskutiert gehört. chronico bleibt dran: unsere Anfragen an das LKA sowie an das niedersächsische Landesministerium laufen bereits. Und wir gehen noch einer Frage nach: Im Westfalenblatt und vielen anderen Medien wird auch der Hamburger Universitätsprofessor Siegfried G. Schoppe zitiert. Er ist seit längerem als Kalkriesekritiker bekannt und hat sich auch jetzt wieder zu Wort gemeldet. Bislang hat aber kaum ein Medium hinterfragt, was Professor Schoppe eigentlich macht und was ihn in Sachen Geschichte qualifiziert.

Schoppe ist Betriebswirtschaftler und Hobbyhistoriker. Gemeinsam mit seinem Sohn Christian Schoppe meldete er sich in der Vergangenheit mit mehreren eigenen Theorien zu Kalkriese, der Sintflut und dem Mythos zur Sintflut zu Wort. Nun wird er mit seiner Forderung zitiert, dass der Museumspark Kalkriese nachweisen soll, dass er mit seiner Werbung als “Ort der Varusschlacht” nicht nur blanke Tourismuswerbung betreibt. Der Gedanke liegt nahe, dass die Schoppes Publicity in eigener Sache suchen. In seinem Blog hat Christian Schoppe übrigens schon im Falle eines schlimmen Verdachts vorgesorgt: Dort hat er jüngst vehement abgestritten, dass sein Vater derjenige war, der die anonyme Anzeige wegen Betrugs gegen den Museumspark Kalkriese gestellt hat.

Und wir stellen unseren Lesern und Hörern diese Frage:
Unabhängig davon, wie die akademische Diskussion um Kalkriese einmal ausgeht, steht ja längst fest: Die Archäologen untersuchen dort ein Schlachtfeld des frühen 1. Jahrhunderts, an dem Römer gegen Germanen kämpften. Das ist Fakt. Es ist nur noch nicht bewiesen, ob dort die Legionen des Varus marschierten (9. n.Chr.) oder Teilnehmer der Feldzüge in den Jahren danach. Sollte also diese Feldforschung nicht sowieso durchgeführt werden, um endgültige Klarheit zu bekommen? Ist es also falsch, öffentliches Geld in diese bislang einmalige Schlachtfeldforschung zu stecken? Und vor allem das möchten wir von Ihnen wissen: Würde der Ort Kalkriese Ihrer Meinung nach an Attraktivität verlieren, wenn er nicht mehr der Kampfplatz der Varus-Legionen wäre?

Daneben tut sich aber auch Erfreuliches. Im Geschichtspodcast 7 haben wir ja auf Aktivitäten der Living-history-Szene verwiesen. Die Akteure bereiten sich auf den Jahrestag vor und wollen einiges auf die Beine stellen. Mehrere Gruppen, vorrangig Darsteller von Germanenstämmen, haben sich jetzt zu einem lockeren Verband zusammengeschlossen und die Internetpräsenz „comitatus“ auf die Beine gestellt. Ein erster zentraler Anlaufpunkt also für alle Akteure und Neugierigen, die sich mit Reenactment rund ums 1. Jahrhundert befassen.

Xanten: Neuer Ort für römische Schätze

Im Archäologischen Park Xanten geht’s zurzeit richtig zur Sache: In den nächsten zehn Jahren ändert das Freilichtmuseum am Rand der modernen Stadt Xanten sein Gesicht grundlegend. Der Archäologe und Sprecher des Archäologischen Parks (APX), Ingo Martell, verspricht: “Jedes Jahr werden die Besucher etwas Neues erleben.”

In dieser Episode stellen wir die umfangreichen Aktivitäten im APX vor. Tatsächlich wird der Museumspark schon bis zum nächsten Frühjahr gewaltige Änderungen erleben: Ein Museumsneubau entsteht für 22,5 Millionen Euro. Wir klären auch, was Besucher derzeit im Park erwartet und warum nur ein Teil der Ausstellung zu sehen ist. Ausführlich tragen wir all das zudem demnächst im Magazin auf chronico.de zusammen.

Archäologischer Park Xanten

Römische Luxusvilla in Carnuntum

Auch in Petronell-Carnuntum wird schon lange gegraben und rekonstruiert. Am 21. März legte die Landesrätin Petra Bohuslav im Freilichtmuseum den Grundstein für den Nachbau einer römischen Stadtvilla – einer villa urbana. Der Clou: Das Haus entsteht exakt nach antikem Vorbild aus der Zeit von vor rund 1700 Jahren. Laut Niederösterriechischem Landespressedienst wird mit antiker Technik gearbeitet; das Haus soll an seinem Originalstandort wieder erstehen.

Die Grundmauern des originalen Hauses haben die Archäologen in den vergangenen Jahren freigelegt. Der Wiederaufbau selbst findet sich im Besuchsprogramm des Museums wieder. Besucher können an einer Führung teilnehmen und dabei Darsteller begleiten, die die Rolle des römischen Bauherrenpaares Marcus und Iulia übernehmen. Beide diskutieren während der Führung über den Baufortschritt und machen ihr Publikum auf unterhaltsame Weise mit der römischen Architektur bekannt.

Das die Rekonstruktion auch wirklich täuschend echt wird, dafür sorgt ein fächerübergreifendes Team aus Archäologen, Restauratoren und Bautechnikern. Die Experten haben die Grabungsergebnisse mit Hilfe modernster Computertechnik ausgewertet. Am Ende sieht die villa urbana wieder so aus wie um 350 n.Chr.

Archäologischer Park Carnuntum

Arbeiten wie die Römer in der alten Saalburg

Römische Architektur und ihre Rekonstruktion zum Dritten: Diesmal im hessischen Saalburgmuseum bei Bad Homburg. Mitte März wurde der Grundstein für die so genannte „Fabrica“ gelegt. Dabei handelt es sich um einen Museumsbau, der den Werkstätten römischer Militärlager nachempfunden ist, und passt damit bestens ins Ausbauprogramm der Saalburg. Bis zum Sommer 2008 soll die zweistöckige Fabrica fertig sein. Kosten: Rund 3,7 Millionen Euro. Das Gebäude soll für Ausstellungen, Veranstaltungen und für museumspädagogische Programme genutzt werden.

Forschung und Vermittlung, das ist der Grundsatz, mit dem das Saalburgteam arbeitet. Das Kastell ist schon seit Jahren bekannt als Veranstaltungsort für Römerspiele und Führungen mit Living-history-Darstellern in antiker Tracht. Dabei soll auch die Fabrica eine Rolle spielen. Die Saalburg gilt ja schon jetzt als ein einzigartiges Projekt seiner Art. Kein anderes Limeskastell ist so gut ausgebaut. Immerhin lockt das Museum jährlich bis zu 150.000 Besucher. Da ist es kein Wunder, wenn das Land Hessen etwas tiefer in die Taschen greift.

Römerkastell Saalburg

Kulturtipps April: Pferdegeschichten, kostbarer Bücherschatz, Ägypten

  • „Die Bibliothek des Herzogs Johann Albrecht I. zu Mecklenburg” vom 20. April bis 24. Juni im Kulturhistorischen Museum Rostock. Zu erreichen über Webseite der Stadt Rostock

Faun ist wieder da: mit dem Album „Totem“

Ein bisschen länger hat es gedauert: Nicht im Februar, wie von der Münchner Band Faun angekündigt, sondern im März kam es raus, das neue Album „Totem“. Die kleine Verspätung macht überhaupt nichts, das Werk ist so oder so ein wunderbares Stück Musik. Es sei ihr bislang düsterstes Album, sagen die fünf Musiker von Faun.

Tatsächlich kommt das Werk in dunklen Farben daher – das gilt für das schön aufgemachte Cover und die Musik darauf gleichermaßen. Im Podcast präsentieren wir einige Hörproben von „Totem“. Mystisch – ja. Aber es ist beileibe kein durchweg düsteres Album. Bandleader Oliver Pade, alias Oliver Sa Tyr, liefert zu den meisten der zehn Stücke eigene Texte. Auch die Musik stammt vorrangig aus der Feder der Faun-Musiker. Wie schon in den Vorgängeralben „Licht“ und „Renaissance“ wirkt auch „Totem“ durchgehend harmonisch. Jeder Ton sitzt. Historische Instrumente und der elektronische Sound feiern auch auf dem neuesten Werk von Faun ein prächtiges Zusammenspiel.

Alle Hörproben mit freundlicher Genehmigung von Faun

Nachtrag: Der Film „300“

Aus aktuellem Anlass plaudern David und ich zum Abschluss dieser Episode noch über den im April ins Kino kommenden Film „300”. Es geht im Grunde um die Schlacht an den Thermopylen im Jahr 480 v.Chr. zwischen 300 spartanischen Hopliten und den anrückenden Persern unter Xerxes. Wie nah dran an der Geschichte kann ein Film über einen Mythos sein, der wiederum auf einen Comic basiert?

offizielle Filmseite

Die in dieser Episode zitierten Lexikoneinträge stammen aus dem „Lexikon der Antike”; Weltbild-Verlag; Augsburg; 1990.

Die Episode beschließen wir mit dem Lied „“Safety Utah Girl” von Amy MacClain; mit freundlicher Unterstützung von Podsafe Music Network.

Artikel aus der Rubrik „Geschichtspodcast“

  • Grenzgänge: Roms schnelle Schiffe

    Die Themen der Novemberausgabe: Leipziger erforschen mittelalterliche Musikwelt; Mit einem römischen Schiff auf Patrouille; Bilderbuchkarriere römischer Soldaten; Tiroler wecken römische Provinzstadt auf; Von der Steinzeit zu den Wikingern…

  • Staufer, Medien und die Römer

    Unsere Themen: Burgbelebung / zehn Jahre „Dorrenberger“ / Pax et Gaudium hört auf / Kriminalgeschichten im Netz / Streit um Runneburg / Workshop für historische Musik / Römermuseum Xanten.

  • Bücherlust statt Weihnachtsfrust

    Episode vom 1. Dezember 2006: Wir frönen der Bücherlust; sehen mal nach, was sich auf einer alten Kaiserpfalz so tut; lauschen einem Mix aus Mittelalter- und Weltmusik und galoppieren mit Pferden durch die Menschheitsgeschichte.

  • Reisen durch die Steinzeit

    Living history mal anders: Steinzeit – Leben wie vor 5000 Jahren / Öde Steinzeit? Selber gucken und machen! / Abenteurer unterwegs: Steinzeitgerecht über den Atlantik / Keltenfest in Österreich / Kolossaler Kaiser in Trier

2 Kommentare

  1. Wie versprochen: Ich habe inzwischen die im Podcast angesprochenen Antworten vom niedersächsischen Wissenschaftsministerium und der Staatsanwaltschaft Osnabrück. Letztere sieht keinen Anlass, ein Verfahren gegen den Museumspark Kalkriese einzuleiten. Auch das Land Niedersachsen rückt nicht von seiner Förderpolitik ab. Das in aller Kürze, mehr Details bald im Magazin.

    06. April 2007, 12:04 Uhr • Melden?
  2. Dann danke ich mal als interessierter Leser für Deine Recherche und die neuesten Infos. Bin schon auf Details gespannt. Und richtig: Selbst wenn nicht Varus, bleibt es ein archäologisch höchst bedeutsamer Ort. Aber mit Varus gibt es natürlich mehr Glamour.

    20. April 2007, 14:04 Uhr • Melden?

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