Ilias-Schau Antike Stars im Olymp

Griechischer Tempel als blinkendes Motel an der Straße nach Troja? © Museum

Vergangenes als moderner Mensch neu entdecken: Das ist das auch das Credo von chronico. Hannoversche Designstudenten nehmen es mit dem „modernen Blick“ wortwörtlich. Sie schufen homerische Figuren für eine Ausstellung neu.

30 Mal echt Homer

Homers Ilias war bis in die byzantinische Zeit Pflichtlektüre in der Schule, und ist es noch heute an manchen humanistischen Gymnasien. Gustav Schwab griff die Saga vom angeblich zehn Jahre währenden Krieg um Troja (Ilion) in seiner berühmten Adaption antiker Geschichten auf. Heinrich Schliemann nahm Homer beim Wort und fand die Überreste jener Stadt an der Westküste der Türkei. Über die Realität von Homers Person und des „echten“ Trojanischen Krieges gehen bis heute die wissenschaftlichen Meinungen auseinander. Fakt ist: Es gibt die Ilias, es gab Kriege um Troja – und die Götter und Helden dieser Legenden sind regelrechte Popstars bis in die Gegenwart geblieben.

30 Studenten für Kommunikationsdesign an der Fachhochschule für Design und Medien Hannover (Niedersachsen) nahmen sich des antiken Stoffes an. Das Ergebnis ist eine schön gestaltete Schau, die noch bis 15. April 2007 im hannoverschen Kestner-Museum gezeigt wird. Titel der Ausstellung: „Olymp – unmoralisch ist unsterblich. Eine Bilderreise zu antikem Glamour, Ruhm und Schande.“

Skandalöses um tragische Helden

Es wird mit diffusem Licht gearbeitet, Texttafeln und beschrifteten Würfeln, die zu den Figuren passende Zitate aus der Ilias oder auch aus Vergils „Aeneis“ präsentieren. Im Zentrum stehen aber die Grafiken von Göttern und Helden. Die jungen Künstler stilisierten ihre Figuren zu wahren Pop-Ikonen und reduzierten sie – ganz der werblichen Plakatsprache unterworfen – auf einen bestimmten Charakterzug. Die Studenten befassten sich zuvor mit Homers Werk und suchten dann nach passenden Verbindungen zwischen Antike und Design.

Skandalträchtig – so könnte man die Gesamtwirkung der Bilder umschreiben. Es sind zumeist die charakterlichen Schwächen, die in Bildersprache übersetzt wurden. Von Sexismus über Neid bis hin zu Verrat und Mord. Die Grafiken sind damit zwar weit von der mystisch überhöhten Götterwelt eines Homer entfernt. Und doch treffen sie durchaus einen wichtigen Teil der Geschichte: Götter teilen auf sehr irdische Weise die Gefühle der Menschen und sie nehmen – auf beiden Seiten – am Kampf zwischen Griechen und Trojanern teil. Hie Apollo (der Achilles niederstreckte), dort Athene (die Schutzgöttin des Odysseus).

Und so wird ein Agamemnon als geifernder Stier dargestellt, mit einem Kringel um einem Auge. Blut rinnt ihm aus dem Maul. Blessuren trug der Griechenfürst so einige davon. Sein Streit um die trojanische Sklavin Brisёis mit Achilles ließ die ganze Unternehmung beinahe scheitern. Daheim ließ ihn seine Frau beim Baden erschlagen. Athene, „Kopfgeburt“, tritt dem Betrachter infantil entgegen: als Kleinkind mit einem Footballhelm auf dem neugierigen Schädel. Helena ist da („Wie aus dem Ei gepellt…“), Aphrodite (ein Herz und viele Kondome) und Zeus mit einer eher ratlos machenden schwarzen Fläche. Auch unbekannte Helden haben den Auftritt geschafft. Der Trojaner Agelaos, der seine Stadt verteidigte und von Homer nur wenige Zeilen bekam, die seinen Tod beschrieben, erscheint mit Stoppschildern vor den Augen. „Kein Zutritt“, ist das Motto, das ihm beigegeben wurde.

Jenseits von Hollywoods Troja

Nicht jede Darstellung erschließt sich dem Betrachter sofort. Man darf nicht vergessen: es ist angewandte Kunst, die sich mit einem historischen Sagenstoff befasst, nicht die akkurate Umsetzung des Stoffes selbst. Man darf auch überhaupt nicht einverstanden sein mit dem, was die Designstudenten aus den antiken Figuren machten. Als Einladung zur Diskussion taugt die Ausstellung gewiss. Gerade im Hinblick auf Verfilmungen, die in den letzten Jahren auf den Markt kamen. Der Kinokracher „Troja“ mit Brad Pitt – irgendwie ja auch eine Pop-Ikone – hat übrigens weder der Designprofessorin und Initiatorin Iris Maria vom Hof noch Anne Viola Siebert von der Antiken-Sammlung des Kestner-Museums gefallen. Die Ilias-Geschichte wollten beide mit modernen Mitteln noch einmal anders aufbereitet sehen. Und wer den Weg nicht Hannover schafft, kann sich das Ergebnis im Ausstellungskatalog für 29,90 Euro ansehen. Der selbst auch einen ausgefallenen Titel trägt: „Skandalog“.

Die Schau ist im Kestner-Museum bestens aufgehoben. Neben moderner Kunst widmet sich das Haus auch der Kulturgeschichte vom Ägypten der Pharaonen und der Antike über Mittelalter bis in die Neuzeit hinein. Noch bis zum 17. Dezember läuft eine weitere Ausstellung, die einen pfiffigen Weg geht, um Gegenwart und Vergangenheit eng zusammenzuführen: „Mein Kestner – Lieblingsstücke der Besucher“. Die Teilnehmer wählten ein Stück aus, mit dem sie sich fotografieren ließen. Foto und Details zum Lieblingsstück wanderten in eine eigens konzipierte Schau. Gut die Hälfte der so herausgehobenen Stücke entstammen den ägyptischen, Antiken- und numismatischen Sammlungen.

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