Reformation Plaudereien eines Häretikers

Es ist eine wundervolle Posse, die uns David Madsen in seinem Roman aus der italienischen Renaissance auftischt. Alles andere als zurückhaltend serviert uns der Autor saftige Einblicke in die Hinterstube der päpstlichen Politik Leos X. - aus dem Blickwinkel eines gnostischen Zwerges. Immerzu zwischen Gossensprache und eines Historikers würdigen Objektivität schwankend, breitet Madsen einen Schelmenroman und ein Panoptikum politischer Ungeheuerlichkeiten vor dem Leser aus.

Die Gegensätze könnten größer nicht sein: Ein häretischer Zwerg dient am katholischsten Hof der Welt. Und während Luther in Deutschland gegen katholischen Pfaffendünkel und Ablasswahn aufbegehrt, lässt der oberste Hirte, Papst Leo X.(1513-1521) seine Hämorrhoiden mit Jungfrauenwasser behandeln. Selbstredend bekommt der Leser auch die genaue Zusammenstellung dieses Wundermittels präsentiert. Und ist sogleich mittendrin in einer Achterbahnfahrt aus Aberglauben, Aufklärung und Mystik. All dies gewissermaßen personifiziert in der Figur des päpstlichen Kammerherren Peppe.

Der kleinwüchsige Mann stammt aus Trastevere, dem düstersten Viertel Roms. Er gelangt in eine gnostische Bruderschaft – jener von antiken Vorstellungen durchtränkten mystischen Glaubenslehre, die alles Materielle als teuflisch verdammt und ein dualistisches System von Gut und Böse lehrt – und wird schließlich Leos engster Vertrauter. Was ihn tunlichst nicht daran hindert, in seinen Memoiren das öffentliche und intime Gebaren seines Herrn darzustellen.

Mit gutmütigen Unverständnis reagiert der Zwerg auf Luthers Hasstiraden gegen den Vatikan. “Der Papsthof ist korrupt – was soll’s?”, schreibt Peppe, und streift gleich darauf missmutig durch Roms Straßen, um einen Jüngling für das Bett seines Herrn aufzugabeln. Und die eigentliche Geschichte des Zwerges gleicht mehr einem Krimi als einer Suche nach religiöser Selbstverwirklichung.

All dies versteht Madsen in einem glänzend geschriebenen Buch zu vermengen. Dabei gewährt er geschmeidig erzählte Einblicke sowohl in die Tagespolitik als auch in die gnostische Welt. Und Leo, der Sprößling der Florentiner Familie Medici bekommt trotz aller Ausschweifungen ein menschliches Gesicht als ein von gewissen Gelüsten und rauher Politik gebeutelten Papst. Als wäre auch dies nicht genug, machen die frivolen Darstellungen auch vor den Ikonen des damaligen Italiens, Raffael und Leonardo da Vinci, nicht halt.

Peppe liebt die menschlichen Schwächen “seines” Leo, bleibt dennoch seinen ketzerischen Prinzipien treu. Eine Schere, die Madsen allerdings nicht ganz glaubhaft belegen kann. Doch ist dies eine Kleinigkeit gegen das Vergnügen, sich durch diese Memoiren der etwas anderen Art zu wühlen.

David Madsen ist das Pseudonym eines Philosophen und Theologen, dessen Interesse besonders den Gnostikern gilt. Geboren in London, studierte er viele Jahre in Rom, wo er erstmals auf die Lehren der großen gnostischen Häretiker und ihren Einfluß auf die esoterische Tradition innerhalb des Christentums stieß. Er lebt und unterrichtet heute in Kopenhagen. Inzwischen ist in England sein zweiter Roman “The Confessions of a Flesh-Eater” (1997) erschienen, dazu von Madsen herausgegeben “Orlando CrispeÂ’s Flesh-EaterÂ’s Cookbook”.

David Madsen; “Der Zwerg, der Papst und die Heiligkeit”; 382 Seiten; Deutscher Taschenbuch Verlag; 2002; 10,00 Euro; ISBN 3-423-20492-3

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