Kulturschau Sigismund – Rex et Imperator

Buchcover © MS

Sigismunds Herrschaft strahlte mitten in einer der krisenreichsten Zeiten des Spätmittelalters großen Glanz aus. Der politisch gewiefte Luxemburger galt als Exzentriker. Das Buch „Sigismundus – Rex et Imperator“ schaut in die prächtigen Kulissen dieser Ära.

Machtmensch mit Ausstrahlung

Noch bis zum 15. Oktober 2006 ist die gleichnamige Ausstellung im Luxemburger Musée national d’histoire et d’art zu sehen. Ihr Untertitel weist auf den inhaltlichen Schwerpunkt der Schau – und des vorliegenden Kataloges – hin: Kunst und Kultur zur Zeit Sigismunds von Luxemburg (1387 bis 1437).

In Sigismunds Herrschaft fiel das Große Abendländische Schisma, die heftige Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Orden und Polen, die Hussitenbewegung und der erste große Vormarsch der Osmanen auf den Balkan. Und Sigismund gilt als der letzte Kaiser, der das Heilige Römische Reich deutscher Nation in Personalunion mit dem wichtigsten ostmitteleuropäischen Reich, Ungarn, zu verbinden.

Die Familie der Luxemburger gilt als eines der ältesten Adelshäuser jener Zeit. Schon unter den Karolingern spielten sie eine wichtige Rolle im Reich, bis schließlich Sigismund Vater, Karl IV., als Kaiser den Thron bestieg. Der Erfolg des Sohnes ist einem der vielen dynastischen Zufälle zu verdanken, die für das Mittelalter so typisch sind. Sigismund war als Zweitgeborener keinesfalls Karls erste Wahl als Nachfolger. Als brandenburgischer Markgraf bekam Sigismund die jüngere Tochter des ungarischen Königs Ludwig, Maria, zugesprochen. Nachdem Marias ältere Schwester starb und später auch Sigismunds Bruder Wenzel, König von Böhmen, war der Weg für Sigismunds Aufstieg frei. Theoretisch.

Politisches Kalkül

Die ersten von insgesamt 41 Essays beschreiben die komplizierten politischen Machtverhältnisse im Königreich Ungarn, Polen und Böhmen. Den Autoren gelingt es hervorragend, die verwickelten Erbfolgekriege sachlich und ausführlich darzustellen. Der Machtmensch Sigismund geht aus diesen Kämpfen als Sieger hervor. 1410 wird er römischer König und damit Anwärter auf die Kaiserkrone. Die allerdings erwarb er erst kurz vor seinem Tod.

Nachdem sich die Päpste in Avignon eingerichtet hatten, erstand ihnen in Rom immer wieder eine Konkurrenz. Ihren Höhepunkt erreichte das Schisma in der Zeit von 1378 bis 1417. Drei Päpste konkurrierten von Avignon, Rom und Spanien aus um die Vorrangstellung. Keinem gelang dies wirklich – und Sigismund fehlte damit ein Papst, aus dessen Händen er die Kaiserwürde empfangen konnte. Er strengte die Konzilien von Konstanz an und zwang die Päpste zur Abdankung und erreichte die Neuwahl eines gänzlich neuen Bischofs von Rom: Martin V. Es dauert noch einmal bis 1433, bis Sigismund endlich Kaiser wurde. Vier Jahre starb er und hinterließ keinen männlichen Erben. Das Reich fiel an die österreichische Dynastie der Habsburger.

Einblicke in ungeahnte Lebenswelten

Mit Sigismunds Aufstieg rückte Ostmitteleuropa und der Balkan mitten ins tagespolitische Geschehen, nachdem die Region bis dahin eher eine bescheidene Rolle spielte. Der Kaiser war mit einem Mal Herr der Grenzen zum Osmanischen Reich. Das verband ihn mit Konstantinopel. Diese neuen Anforderungen in Handel, Diplomatie und Militärwesen schaffte auch neue Impulse in Kultur, Architektur, Kunst und Handwerk.

Das Buch hat das Verdienst, die im internationalen Ausstellungswesen so lange unbeachtet gebliebene Kultur dieser Gebiete farbenprächtig ins Zentrum zu rücken. Die Beiträge bieten selten genossene Einsichten in gut geschriebenen Essays. Welche Pracht entfaltete der Hof in Pressburg? Wie sahen Burgen in Rumänien aus? Welche Rolle spielte die Spätgotik und was für ein Bild machten sich die Künstler der unterschiedlichsten Regionen von ihrem Herrscher? Ergänzt wird jeder Beitrag von fantastischem Bildmaterial und Fotostrecken, die thematisch passende Stücke der aktuellen Ausstellung bieten. Ein Muss also für Fans der spätmittelalterlichen Kulturgeschichte.

Es ist freilich vor allem der kulturelle Glanz der herrschenden Oberschicht jener Zeit. Tiefe Einblicke in Alltag und Wirtschaftsleben der einfachen Menschen wird man in dem Buch nicht finden. Dies ist aber auch nicht der Anspruch des Autorenkollegiums. Bewusst konzentrieren sich Ausstellungs- und Buchmacher auf die Kulturleistungen dieser Epoche. Gleichwohl untermauern ausführliche Genealogien, Zeittafeln und Karten das Einordnen in das politische Geschehen. Die Ausstellung gilt schon jetzt als bedeutendste Schau über die behandelten Regionen der letzten Jahrzehnte. Der Katalog wird dem daraus entstehenden Anspruch gerecht.

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