Faun Ein Werk voller starker Momente

Faun ist vollkommen durchdrungen: vom Weltschmerz, der Suche nach dem Sinn des Lebens, der Anderwelt und den mystischen Ursprüngen traditioneller Musik. Die Band macht nicht nur Paganfolk, zieht Inspirationen nicht allein aus mittelalterlichen Stoffen - Faun geht es stets um das große Ganze. Dafür steht auch die aktuelle Scheibe der fünfköpfigen Kreativ-Schmiede. Mit "Renaissance" ist Faun ein Werk gelungen, das nur knapp am Prädikat "Genial" vorbeischrammt.

Gleichbleibend hervorragend

Wer die Gruppe kennt, weiß schon, dass keineswegs Stücke der klassischen Renaissancezeit zu Gehör kommen. Vielmehr meinen die Fünf die deutsche Übersetzung “Wiedergeburt” wörtlich. Die zehn Stücke befassen sich mit Themen wir Leben, Tod, Vergänglichkeit und Liebe. Und wie beim vorangegangenen Album “Licht” wird auch hier ein Mix aus traditionellen und Eigenkompositionen geboten.

Was dem Neuling augenscheinlich fehlt, ist eine Hymne, die sich in den Gehörgang brennt wie die großen Balladen von “Licht”. Doch es verbietet sich ein weiterer Vergleich mit dem Vorgänger – “Renaissance” strotzt vor Qualität, die für sich selbst spricht. Kein Lied, das aus dem Rahmen fällt, die Stücke sind liebevoll und mit Blick fürs Detail arrangiert. Aufs Schönste vereinigen sich die handgemachten Melodien der Frontmusiker Oliver Sa Tyr, Lisa Pawelke, Fiona Rüggeberg und Rüdiger Maul mit den elektronischen Sequenzen von Niel Mitra. Für das perfekte Zusammenspiel – das Faun auch live unter Beweis stellt – steht gleich der erste Track (“Satyros”). Mag sein, dass dieses gleichbleibend hohe Niveau es erschwert, ein einzelnes Stück herauszustellen.

Wollust und Ekstase

Kraftvoll sind die ersten vier Stücke, vor allem das Instrumemtalwerk “Rhiannon” reißt mit. Und bevor sich der Hörer fragen kann, wo denn die wundervoll mystischen Untertöne geblieben sind, für die Faun inzwischen bekannt ist, kommt “Sirena” daher. Das Lied ist sephardischen Ursprungs, eine Hommage an die mittelalterliche jüdische Kultur Spaniens. Doch ist “Sirena” eine Spur zu schnell und zu laut, zu erdverbunden, um wirklich entrückt zu wirken. Das schafft die Gruppe schon eher mit der Eigenkomposition “Königin”.

Es ist nicht genug zu betonen: Die starken Momente überwiegen deutlich. Und sie liegen dicht beieinander. Und doch habe ich für mich einen Höhepunkt ausgemacht. Ich empfehle, die beiden Tracks 7 und 8 (“Iyansa”, “Loibere Risen”) laut und ungestört anzuspielen. Was für ein Lied-Duo! Beide Stücke sind so gegensätzlich wie sie sich zugleich wunderbar ergänzen. “Iyansa” ist ein Ausflug Fauns in die afro-brasilianische Wunderwelt. Gesang und Musik ist einem Rhythmus untergeordnet, der bis zur Ekstase alles an sich reißt. Dem schließt sich mit “Loibere Risen” ein Minnelied des Wizlaw von Rügen aus dem 13. Jh. an, dessen zarter Liebesschmerz von Lisa Pawelke stimmlich mit unglaublicher Intensität umgesetzt wird.

Fazit

Das Album beweist die enorme kreative Kraft von Faun. Ihre Musik macht einfach Spaß. Und es tut gut, dass die Gruppe sich nicht auf keltische Traditionen allein verlässt und auf reinen Paganfolk eingrenzen lässt. Die Inspirationen kommen aus vielen Weltgegenden. Faun ist nur zu wünschen, dass diese Offenheit und Experimentierfreude erhalten bleibt. Es sieht alles danach aus.

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