Museum Speyer Das wehrhafte Geschlecht

Die speerschleudernde Amazone ist eine der bekanntesten Amazonendarstellungen Franz von Stucks (1863 bis 1928). © Privatleihgabe / Museum der Pfalz Speyer

Eine Ausstellung über Amazonen darf getrost als Pflichtveranstaltung für Bogenbauer und Skythenexperten gelten. Michael Kieweg machte sich mit Gleichgesinnten auf nach Speyer zu den „Geheimnisvollen Kriegerinnen“.

Praktiker im Museum

Anfang September 2010 wurde im Historischen Museum der Pfalz Speyer die neue Sonderausstellung „Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen“ eröffnet. Bei der Auftaktveranstaltung waren die Archäologin Veronika Jell, Prof. Erhard Godehardt und ich dabei. Das hatte natürlich Gründe: Veronika – unter anderem Administratorin beim Archaeoforum – hat an mehreren Grabungen im osteuropäischem Raum teilgenommen und fertigte skythische Bekleidungsrekonstruktionen an. Prof. Godehardt ist Medizinstatistiker an der Universität in Düsseldorf, aber auch ein erfahrener Bogenschütze. Mit der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) arbeitete er an Projekten zu frühen griechischen und skythischen Bögen. Das DFG war sehr angetan davon, dass ein Praktiker mit wissenschaftlicher Ausbildung – und unvoreingenommen von archäologischen Denkmustern – diese Bogenformen unter die Lupe nahm.

Eingeladen nach Speyer wurden wir auch, weil wir Pfeile und Bögen als Leihgabe zur Verfügung stellten, und ich einen Goryt (Behältnis für Bogen und Pfeile, Anm. d. Red.) für die Ausstellung gebaut habe. Um es direkt vorweg zu nehmen, ein Besuch der Ausstellung lohnt sich. Die Exponate sind exquisit und sehr ansprechend präsentiert und spannen den Bogen vom Amazonenmythos der griechischen Antike bis zur Comicfigur der Neuzeit.

Skythen und moderne Amazonen

Sämtliche Räume der Ausstellung sind in Schwarz gehalten und die Ausstellungsstücke werden entweder in beleuchteten Vitrinen oder durch Spotlights in Szenen gesetzt. Leider war auch den Gästen der Eröffnungsveranstaltung das Fotografieren untersagt. Das Verbot wurde vom Personal auch freundlich aber bestimmt durchgesetzt. So muss ich vor allem auf den wirklich ausgezeichneten Ausstellungskatalog und auf das Septemberheft der Zeitschrift „Damals“ verweisen, um sich einen Eindruck zu verschaffen.

Von der griechischen Antike führt der Weg über die Skythen zu den Gemälden Anton Feuerbachs sowie zu Bildern und Filmen von Hagenbecks Völkerschauen.

Mein besonderes Interesse galt natürlich den Darstellungen antiker Bögen und der zugehörigen Schilde auf einigen griechischen Keramiken, sowie den Funden aus der Zeit der Skythen. Einige der Exponate waren noch nie in Deutschland zu sehen, auch nicht während der großen Skythenausstellung von 2007 in Berlin.

Natürlich gibt es auch beeindruckende Goldschmiedearbeiten, wie das skythische Pektorale von Tolstaja Mogila, eine Leihgabe der Universität Kiew, zu sehen. Einen Eindruck von diesem kostbaren Halskragen vermittelt die Website der Uni Kiew.

Weiter geht es durch die Ausstellung zu Anselm Feuerbachs wandgroßem Gemälde „Amazonenschlacht“. Hier zeigt sich auch wieder das Androgyne, das schon bei den Exponaten der griechischen Antike die Unterscheidung von Männern und Frauen in der Darstellung erschwert. Manche Figuren auf Feuerbachs Gemälde sind auch nur bei sehr genauem Hinsehen als Frauen zu identifizieren.

Für den Bogenbauer und Bogenschützen ist ein kleines Bild von Richard Werner interessant. Es zeigt die Theaterschauspielerin Clara Ziegler als Penthesilea (um 1880) mit einem sehr „mutigen“ Bogenkonstrukt. Ein Versuch, das nachzubauen könnte sehr spannend werden…

Der Weg durch die Zeiten, immer auf der Spur des Mythos um die kämpferischen Frauen führt weiter nach Afrika zu den Amazonenarmeen von Dahomey bis zu Hagenbecks Völkerschauen, die in Form eines Films und einiger Plakate präsentiert werden. Die Ausstellung macht danach einen Sprung rückwärts in der Zeit, was wahrscheinlich den Räumlichkeiten geschuldet ist.

Auch im 15. Jahrhundert ist der Amazonenmythos präsent, wie anhand eines Buches von Giovanni Boccaccio gezeigt wird. Er beschäftigt sich mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft und widmet ein ganzes Kapitel den Amazonen.

Unserem modernen Amazonenbegriff als Bezeichnung für die starke Frau, die sich auch im wörtlichen Sinne mit Kampftechniken, wie Schießen und Reiten beschäftigt, entspricht dann die Darstellung der sächsischen Kurfürstin Maria Antonia. Es werden unter anderem Gewehre und Pistolen aus ihrem persönlichen Besitz gezeigt.

Den Schlusspunkt der Ausstellung bildet dann eine kleine Figur von Wonderwoman, der modernen Comicamazone. Sie steht dort stellvertretend für die zeitgenössischen mythischen Amazonen, die da Supergirl, Lara Croft oder eben Wonderwoman heißen und heute unsere Phantasie beflügeln.

Rolle der Frauen

Mir gefällt diese Art von Ausstellung sehr. Ihre die Zeiten übergreifende Thematik erlaubt es, das Thema aus vielen verschiedenen Blickwinkeln und mit Hilfe unterschiedlichster Exponate zu beleuchten. Das ist meiner Meinung nach in dieser Ausstellung sehr gut gelungen. Gerade bei einem solch mythischen Thema besteht ja immer die Gefahr in den Bereich der Esoterik abzugleiten. Das passiert in Speyer nicht.

Der antike Teil der Ausstellung zeigte für mich auch eindrucksvoll, welche Probleme gerade bei der Beurteilung griechischer Figurendarstellungen bestehen. Man benutzt dort Kriterien aus der Kunst und macht die Zuordnung in männlich oder weiblich manchmal bloß an der Schönheit eines Gesichts fest.

Die Regel, dass auf den Keramiken weibliche Gestalten in weiß dargestellt werden, ist ebenfalls keinesfalls allgemeingültig. Das zeigte sich an einigen Darstellungen auf Vasen, die eindeutig weibliche Gestalten in derselben Farbgebung wie eindeutig männliche zeigten. Es gab auch Exponate, bei denen uns überhaupt nicht klar war, warum die Figuren als weiblich identifiziert wurden.

An diesem Punkt kommen dann die modernen forensischen Untersuchungsmethoden ins Spiel. Seit diese relativ einfach und kostengünstig durchführbar sind, haben sie häufig dazu geführt, dass die Beurteilung von Grabfunden revidiert werden musste. So wurde das Grab 3c des alamannischen Gräberfeldes Niederstotzingen inzwischen, trotz umfangreicher Waffenbeigaben, eindeutig als Frauengrab identifiziert.

Nicht zuletzt bot die Ausstellungseröffnung Gelegenheit zu Gesprächen mit einigen Koryphäen der Skythenforschung. Vor allem Veronika nutze als Archäologin die Gelegenheit, ihre Bekleidungsrekonstruktionen zu präsentieren und erhielt viel Lob für ihre Arbeit.

Die Ausstellung ist noch bis zum 13. Februar 2011 im Historischen Museum der Pfalz Speyer zu sehen.

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