Miroque X Zehn Mal Grenzüberschreitungen

Die Samplerreihe "Miroque" war schon immer für Grenzüberschreitungen gut. Gothic und klassische Spielmannsmusik, wie sie auf Märkten zu hören ist, auf einem Album? Viele Zweifler zogen die Augenbrauen hoch, als Miroque Vol. I auf den Markt kam. Und doch überzeugte die Mischung meist ihre Hörer. Auch die neueste Ausgabe, Miroque X, trifft zielsicher den Nerv der Zeit. Auch wenn die Macher zuweilen etwas über die Ziellinie hinausgeschossen sind - der Sampler besticht durch etliche Ohrwürmer. Es ist eine Jubiläumsausgabe - und das Team von Mittelalter-Spectaculum.de gratuliert und wünscht viel Kreativität und Lust für die nächsten zehn Alben!

Mal mystisch, mal voller Spielmannsfreude und vor allem Rock und Pop – das sind die beherrschenden Elemente auf dem Album. Erneut stehen Newcomer und gestandene Musiker gemeinsam auf der Tracklist. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Mischung muss nicht immer und überall gefallen, aber Miroque bietet einfach den Überblick über die aktuelle Musikszene schlechthin.

Übergehen wir die flotten Rhythmen von Vivus Temporis – klassischer Marktsound muss anscheinend sein. Und “Tanzt!” hält, was es verspricht. Mit “Ecce Mundi Gaudium” präsentieren sich danach die Musiker von Schelmish so unverbraucht und frisch, wie seit jeher. Ihr Lied strotzt vor rotzfrech vorgetragenem Latein.

Zwei musikalische Leckerbissen des Albums sollten vor allem erwähnt werden. Beiden ist ein magischer Klang eigen. Die Rede ist von Estampie und Faun. Bieten Erstere einen fantastischen Mix aus alter Musik und modernem Sound (inklusive unbeschwerten Flötenklängen) so arrangierten Faun mit “Von den Elben” eine sanfte und zugleich kraftvoll wirkende Ballade. Mehr bitte von solchen Sound-Tüfteleien!

In der Kategorie Spielmannsmusik haben die Macher von Miroque mit den Irrlichtern und den Streunern einen fehlerfreien Griff getan. Junge, unschuldige Frauen? Wenn die Damen von den Irrlichtern so wirken, dann ist dies bereits der beste Weg, verschaukelt zu werden. Die zotigen und doppelbödigen Texte tun ein Übriges, um der Hörerschaft ungebremstes Vergnügen zu bereiten. Und die Streuner? Ihr Stück “Allez y donc” ist Folkmusik par excellence: melodisch, französisch, gut. Reinhören!

Nicht unerwähnt sollte auch das einzige Stück auf dem Album sein, dass so vollkommen anders als alles bisher Gehörte erscheint. Ob zum Guten oder Schlechten mag jeder für sich entscheiden – aber “Taranis” von den Neokelten der Gruppe Omnia ist so archaisch, dass es schon wieder gut sein muss. Dumpfe Trommeln und eine Art Kriegsgesang beschwören düstere Bilder herauf.

Miroque X bietet indes eine Reihe Stücke, die rein musikalisch die Grenzen sprengen. Eine empfehlenswerte Variante mittelalterlichen E-Pops bietet das Projekt Helium Vola um Ernst Horn (Deine Lakaien). Elektronisch und mit einem kräftigen Hauch Dark Wave kommen die Mannen von Saltatio Mortis in ihrem Remix von “A Madre” daher – ein Arrangement extra für die Jubiläumsausgabe von Miroque. Etwas ratlos entlässt aber das “Wirtshaus” der Combo Cumulo Nimbus. Bis auf den Text erinnert an dem fett rockenden Werk nichts an mittelalterliche Klänge. Dieses Stück ist schlicht fehl am Platze.

Beschlossen wird das Album vom kraftvoll melodischen “Caupona” von Tanzwut. Die eigentlich elektronische Seite von Corvus Corax nähert sich mit dem Lied sehr ihrem Alter Ego an – dem Hörgenuss tut dies allerdings kaum einen Abbruch. Und erst beim Hören des letzten Liedes auf Miroque X fällt eines auf: der übliche Bombast aus brachialmittelalterlicher Musikpower fehlt auf dieser Scheibe. Wie überaus angenehm.

Einige Bands auf dem Jubiläumsalbum treten am 11. September 2004 von 15 Uhr an zum Miroque-Festival auf Burg Pyrmont auf. Mehr Infos siehe Link auf der rechten Leiste.

Artikel aus der Rubrik „Medien“

  • Als Spanien christlich wurde

    Von 711 bis 1492 existierten islamische Reiche auf der iberischen Halbinsel. Nicht aus deren Sicht, sondern aus dem Blickwinkel ihrer christlichen Gegenspieler gibt es Neues auf dem Buchmarkt. Ein kritischer Blick.

  • Viel Geheimnis um die Kelten

    Sylvia Crumbach und Bettina von Stockfleth haben sich das Buch „Den Kelten auf der Spur“ von Leo Verhart vorgenommen. Beide setzen auf ihren ganz eigenen Blickwinkel. Zwei Meinungen – gemeinsam präsentiert.

  • Scheibendolch, Stechschild & Co.

    Der Mainzer Verlag setzt seine Buchreihe „Mittelalterliche Kampfesweisen“ fort. Herausgeber André Schulze präsentiert ein gut aufgestelltes Autorenteam mit vielen Praktikern. Dazu gibt es frisch aufgelegt – ein Fechtlehrbuch.

  • Drama am Abgrund

    In der noch jungen Romanreihe des Archäologieverlags Philipp von Zabern darf man gut recherchierte Bücher erwarten. Wir nehmen den frisch veröffentlichten historischen Roman über Otto den Großen unter die Lupe.

Ihr Kommentar zum Artikel „Zehn Mal Grenzüberschreitungen“


Sie sind angemeldet als

abmelden