Mittelalterübersicht Reise zu den Wurzeln Europas

Mit dem Buch "Das Mittelalter" hat der Theiss Verlag ein Werk aufgelegt, das es Laien erleichtert, sich in dieses breite Themengebiet einzuarbeiten. Sicherlich gibt es zahlreiche Einführungen und doch ist dem Autorenkollegium eine neue Darstellungsweise gelungen, die auf den ersten Blick verwirren mag, dann aber durch ihre Logik besticht. Acht Autoren, durchweg Wissenschaftler und ausgewiesene Experten auf ihrem Gebiet, haben sich für den Titel zusammengefunden. Ihr Ergebnis ist ein kompakter Führer durch die Zeit zwischen 500 und 1500. Und dies auf dem neuesten Stand der Erkenntnisse.

Zentrales Anliegen der Autoren ist die Vermittlung der europäischen Politikgeschichte und damit die Hinführung zur Staatenbildung wie wir sie heute kennen. Kunst und Religion sind in die Darstellung eingebettet. Für den Einsteiger mag es zunächst verwirrend sein, dass der Text nicht chronologisch, sondern in fünf Themenblöcke geordnet ist.
Es hat aber etwas zwingend Logisches, den ersten Teil der sozialen Struktur der mittelalterlichen Gesellschaft zu widmen. Erstens wurde bereits im Übergang von Spätantike zum Frühmittelalter der Grundstein für Entwicklung der drei Stände (Adel, Geistlichkeit, Bauern) gelegt. Und zweitens ist diese Einführung bestens geeignet, die Psyche der damaligen Menschen und damit ihre Gesellschaft zu verstehen. Rittertum, Mönchtum, das Landleben und die Stadt – jeder Bereich wird in seinen verschiedensten Aspekten durchleuchtet. Zum Beispiel die Grundherrschaft als göttliche Ordnung. Die Autoren gehen dem Wesen des Adelsstandes nach, erklären den Herrschaftsbegriff in allen Facetten und widmen sich schließlich auch der Rolle der Frau als Herrscherin. Wie ein Mosaik wird so eine Thematik aus vielen Einzelteilen zu einem Gesamtbild zusammengefügt.
So gerüstet geht es im zweiten Kapitel wieder an die Anfänge, will heißen ins Frühmittelalter. Die Zeit von 500 bis 1000 ist der Inhalt dieses Teils. Im dritten Kapitel wird der Blick auf Osteuropa gerichtet, in dem die Entwicklung und der Untergang des Byzantinischen Reichs behandelt wird, einschließlich der Eroberung durch die Osmanen im Jahr 1453. Entsprechend wird hier auch den vielfältigen Beziehungen zwischen Abendland und dem Islam Raum gegeben. Ein Überblick über die Slawenreiche, die Rus sowie die mongolischen Eroberungen vervollständigen diesen Bereich. Der vierte Teil ist dem schillernden Gegensatz zwischen Kaisertum und den Päpsten gewidmet. Hier findet der geneigte Leser auch die Details zu den Kreuzzügen oder den Staufern.
Das letzte Kapitel schließlich breitet sich noch einmal grundlegend über die Entwicklung der katholischen Kirche aus (Achtung: Ketzerbewegungen finden sich wiederum im vierten Kapitel wieder – was nicht ganz logisch erscheint). Über die Darstellung des Hundertjährigen Krieges, die Städtebünde geht dieser Teil in die feine Nachzeichnung des Prozesses der Staatenbildung über.
Von kleinen Ungereimtheiten in der Struktur abgesehen ist die Aufteilung der Geschichte durchaus nachvollziehbar. Ein umfangreiches Namenregister erleichtert zudem die gezielte Suche. Viele Zitate aus zeitgenössischen Quellen sind den Beiträgen in den Marginalien beigeordnet. Sehr gut auch die Auswahl an Karten, auch wenn sie manchmal etwas zu klein in den Satzspiegel gezwängt sind. Aber letztlich macht das Buch optisch einen mehr als guten Eindruck. Kurz, es ist ein Griff, der sich lohnt.

Arnold Bühler u.a.; Das Mittelalter; Theiss Verlag; Stuttgart; 360 Seiten; geb.; Einführungspreis bis 31.12.2004 29,90 EUR (danach 36 EUR); ISBN 3-8062-1857-9

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