Langobarden Reise durch sieben Jahrhunderte

Rekonstruktionszeichnungen beleben den Katalogband. © chronico

Der Legende nach siegten die „Langbärte“ über die Vandalen. Fakt ist: Die Langobarden spielten eine wichtige Rolle in der Völkerwanderung. Ein Ausstellungsband trennt Mythos von wissenschaftlichen Fakten.

Von der Elbe nach Italien

Wie bereits mit dem Katalog „Krieg und Frieden“, widmet sich der Primus Verlag in seinem neuen Werk einem Ausstellungsthema des Rheinischen Landesmuseums Bonn. Auch das bewährte Konzept wird beibehalten: Die erste Hälfte des Buchs entfällt auf die Aufsätze, die zweite auf den Katalogteil und die Formalien des Anhangs. Aber diesmal darf es noch etwas mehr sein. Mit seinen 416 Seiten kommt „Die Langobarden“ noch reichhaltiger daher als der Vorgänger, und das zu Recht. Die Geschichte der „Langobarden“ ist schließlich ebenso lang wie bewegt und wird hier ausgesprochen vielschichtig beleuchtet.

Die Reihenfolge der Aufsätze wurde so gewählt, dass in etwa die geografische Wanderroute der Langobarden vom 1. Jahrhundert n. Chr. bis in das 7. Jahrhundert nachvollzogen wird. Thematischer Ausgangspunkt ist folglich die Präsenz der Langobarden im norddeutschen Elbraum, gefolgt von ihrer Bewegung ostwärts die Elbe entlang in das heutige Tschechien und von dort aus hinein in den mittleren Donauraum (das antike Pannonien, heute Ungarn und Österreich), bis schließlich die Eroberung von Teilen Italiens das Ende der Völkerwanderung einläutet.

Leckerbissen in Buchformat

Leichter Lesestoff sind die Fachaufsätze mit ihrem geballten Informationsgehalt nicht, und jeder Aufsatz bewegt sich verständlicherweise im Forschungsrahmen des jeweiligen Autors. (Ein Dank gilt hier den leider namentlich nicht genannten Übersetzern, die versiert und flüssig Texte aus dem Ungarischen und Tschechischen ins Deutsche übertrugen.) Doch gerade darin besteht auch der Reiz – die einzelnen Aufsätze lassen sich gut in Bezug auf konkrete Fragestellungen lesen und verleugnen nicht, dass die Langobardenforschung nach wie vor ein herausforderndes Puzzlespiel ist, bei dem einige Teile vielleicht für immer verloren sind.

Das, was die Archäologen jedoch gefunden haben, wird in diesem Katalog in hervorragender Form präsentiert und ist in seiner Fülle schon fast überwältigend. Eigentlich soll ein Katalog ja eher die Ausstellung begleiten und nicht primär diese schmackhaft machen, aber dieses Buch macht ungeheuer neugierig auf die Exponate in Bonn.

Der Katalogteil ist nach den Ländern gegliedert, in denen die Langobarden siedelten, und einen besonderen Leckerbissen stellen gerade für historische Darsteller die deutschen Funde des 1. bis 3. Jahrhunderts dar, von denen zahlreiche in den 1930er und 1940er Jahren mit schwarzweißen Fundzeichnungen publiziert wurden, während man die Originale kaum noch öffentlich zu sehen bekommt.

Langobarden zu neuem Leben erweckt

Auf keinen Fall unerwähnt bleiben dürfen die von Frithjof Spangenberg liebevoll in Szene gesetzten Lebensbilder von Langobarden verschiedener Gebiete und Epochen. Wohl um den Layoutrahmen nicht zu sprengen, sind einige der gezeigten Damen und Herren (insbesondere letztere) leider zu dunkel gekleidet – die gefundenen Textilfragmente sprechen hier eine deutlich andere Sprache. Auch ob man den Rekonstruktionsvorschlägen immer folgen will, wie im Fall des fibelbesetzten Gürtelgehänges auf Seite 132, ist fraglich. Wirklich auffallend sonderbar mutet aber nur der nicht vorhandene oder nach innen verlegte (?) Schildbuckelrand des kriegerischen Herren auf Seite 45 an.

Ansonsten bestechen Spangenbergs Zeichnungen durch wunderbare realistische Details und die überaus gelungene Integration der Fundstücke in ausdrucksstarke Bilder.

Bleibt abschließend zu bemerken, dass man den Untertitel „Das Ende der Völkerwanderung“ nicht zu sehr auf die Goldwaage legen sollte, denn das Buch „Die Langobarden“ ist nicht nur denjenigen wärmstens zu empfehlen, die sich ausschließlich für diese Epoche interessieren, sondern allen, die sich für Germanen, Spätantike und die europäische Frühgeschichte überhaupt begeistern. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf den Ausstellungsbesuch im November!

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3 Kommentare

  1. Die Ausstellung ist ein absoluter Leckerbissen, da an Exponaten wirklich nicht gegeizt wird.
    Viele Sachen kann man von allen Seiten betrachten, allerdings gibt es auch wieder ein paar Bonner Eigentümlichkeiten bei den Beschriftungen der Vitrinen, die oft sehr spartanisch sind, was ein Verständnisproblem für Leute darstellen kann, die sich selten mit solcher Materie auseinandersetzen.
    Allerdings gibt es einen Audioguide, den ich aber nicht ausprobiert habe.
    Wenn man es schafft, sollte man sich dazu noch die Ausstellung in der Bonner Kunsthalle ansehen, die allerdings noch spartanischer beschriftet ist, dafür aber eine selten so zusammengestellte Schmuck und Prunksammlung zeigt, die man sich nich entgehen lassen sollte.
    TIPP: Nicht im Parkhaus hinter der Halle parken, da das 5€ kostet und es ein bißchen weiter einen Parkplatz für 2€ gibt, bzw. Straßenparkplätze für umsonst…
    In der Langobardenausstellung darf für private Zwecke fotografiert werden in der BKH gar nicht.

    13. Oktober 2008, 09:10 Uhr • Melden?
  2. besten Dank für die guten Tipps, Nina!

    13. Oktober 2008, 11:10 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    2
  3. Ich hatte noch was vergessen…

    ist zwar jetzt etwas knapp, aber für kurzentschlossene:
    Am 25.10 ist “die Nacht der langen Bärte”
    Da kommt jeder umsonst rein, der nen min. 10cm langen Bart hat…
    ggg

    20. Oktober 2008, 13:10 Uhr • Melden?

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