Archäologie Operation auf Leben und Tod

Als Saddam Hussein noch an der Macht war, kaufte er von vielen Seiten Waffen. So auch in den 80er Jahren von dem chilenischen Großunternehmer Carlos Cardoen. Der wiederum setzte sein Geld, das er mit solchen dubiosen, aber auch mit legalen Geschäften erwirtschaftete, in eine ganz besondere Leidenschaft um: dem Ankauf präkolumbianischer Kunstschätze. Uwe George, Expeditionsleiter und GEO-Autor gingen die Augen über, als ihm der mächtige Magnat einen kleinen Einblick in seine Sammlungen gewährte. Und seine Ohren glühten, als er Cardoen zumindest ansatzweise Informationen über die geheimen Wege der illegalen Kunsthändler entlockte. Es mag sein, dass der namhafte Klang des Magazins dem Autoren die Tür zu diesem vertraulichen Gespräch öffnete. Sicher aber ist, dass es GEO gelungen ist, auf unverwechselbare Weise eine spannende Geschichte und grandiose Bilder zusammen zu bringen. Und der Ausflug in die Welt der Kunsträuber ist nicht die einzige Kostbarkeit in dem neuen GEO-Bildband "Das große Buch der Archäologie - Expeditionen in mythische Welten".

Seit September ist das Werk auf dem Buchmarkt. Und wer einmal einen Bildband in der Hand gehalten hat, den das Magazin herausgegeben hat, wird auch die Aufmachung dieses Buches schätzen. Zu Recht hat sich das Magazin einen guten Ruf in Sachen Geschichte erworben. In dem vorliegenden Werk kommen Journalisten, Historiker und Archäologen gleichermaßen zu Wort. Zwölf archäologische Reportagen des Magazins aus den Jahren 1989-2002 sind in dem Band vereint, zwölf Reisen zu einigen der bedeutendsten Ausgrabungsplätze der Welt. Neben exquisiten, großformatigen Fotos, in denen es sich so richtig schwelgen lässt, unterfüttert GEO sein Buch mit ausgezeichnetem Kartenmaterial und vertiefenden Hintergrundstücken. Auch wenn sie zuweilen etwas ausführlicher sein könnten – aktualisierende Texte bringen die Reportagen jeweils auf den neuesten Stand.

Das Buch will keine erschöpfende Dokumentation der jeweiligen Ausgrabung sein. Vielmehr bieten die Beiträge einfühlsame Reisen in die Welt der Archäologie. Der Erzählstil macht oft die Welt des Ausgegrabenen fühlbar, bringt gleichsam lebendiges Fleisch auf die bloßen Knochen der Fakten. Sei es bei der Geschichte über den noch immer geheimnisvolle Weg, den das indianische Volk der Anasazi im 13. Jh. aus der Geschichte hinaus nahm. Oder beim Versuch, Karakorum, der alten Hauptstadt der Mongolen, wieder ein Gesicht zu verleihen. Ein Volk, dessen grausames Wesen ein Mittel zur Eroberung war – und sich später in eine Kulturen verbindende Verwaltungsmacht wandelte. Zeitzeugen kommen zu Wort, ihre Berichte werden von den GEO-Autoren bewertet und in ein neues Licht gestellt. Und nicht vielen ist die Theorie einiger Forscher bekannt, wonach die Maya alles andere als ein friedliebendes Volk von Sternenguckern und genialen Baumeistern waren.

Schlüssig führt Autor Jörg-Uwe Albig eine Beweiskette auf, die zeigt, dass die angeblich lose agierenden Stadtstaaten vor allem in der klassischen Zeit (ca. 300-900 n.Chr.) jeweils einem von zwei mächtigen, sich in Feindschaft und Machtanspruch aufreibenden Städten zugeordnet waren: Tikal und Calakmul. Und der Leser kann mit dem peruanischen Wissenschaftler Walter Alva fiebern, der in einem eigenen Bericht von den Mühen einer Ausgrabung an der großen Pyramide von Sipán erzählt. Einer Ausgrabung, die ein Wettlauf mit Grabräubern und korrupten Polizisten ist. An deren Ende sich ein Zufallstreffer als eine große Entdeckung der Mochica-Kultur (Blütezeit um 100-700 n.Chr.) entpuppt. “Noch nie hat jemand in der peruanischen Archäologie von einem derartigen Fund berichtet”, schreibt Alva in nicht enden wollender Begeisterung. “Wir arbeiteten mehr denn je zuvor mit der Sorgfalt eines Chirurgen bei einer Operation auf Leben und Tod.”

Und zuweilen lässt eine Reportage auch Fassungslosigkeit zurück, wenn etwa von den erlesenen Mosaiken und einzigartig erhaltenen Überresten der antiken Stadt Zeugma in Anatolien berichtet wird. Einer Stadt, deren Zeugnisse dem buchstäblichen Untergang geweiht waren. Jedoch nicht in grauer Vorzeit, sondern in der Gegenwart. Im Juni 2000 versanken große Teile der Stadt in den Fluten des neu geschaffenen türkischen Birecik-Stausees am Euphrat.

Weitere Themen: Hieroglyphen: Und aus Bildern wurde Schrift; Hatschepsut: Die Frau, die Pharao wurde; Graböffnung: Rückkehr aus dem Reich der Toten (ägyptische Mumien); Chinas erster Kaiser und dessen tönerne Armee; Menschen aus den Mooren Nordeuropas; Herakleion: Auferstehung aus dem nassen Grab.

Hrsg.: Peter-Matthias Gaede; “Das große Buch der Archäologie – Expeditionen in mythische Welten”; GEO im Verlag Gruner+Jahr; Hamburg; ISBN 3-570-19436-1; 248 Seiten; 49,00 Euro

Artikel aus der Rubrik „Medien“

  • Völker Germaniens unter der Lupe

    Varusschlacht, Schlacht im Teutoburger Wald – es gibt einige Namen für das Ereignis im Jahre 9 nach Christus. Dessen Jahrestag steht bevor, entsprechend groß ist die Bücherflut zum Thema. „Die Germanen“ stellen wir hier vor.

  • Antike Stars im Olymp

    Vergangenes als moderner Mensch neu entdecken: Das ist das auch das Credo von chronico. Hannoversche Designstudenten nehmen es mit dem „modernen Blick“ wortwörtlich. Sie schufen homerische Figuren für eine Ausstellung neu.

  • Rockmusik der Antike

    Das neue Album von Musica Romana ist ein starkes Stück antiker Musik. Wissenschaftlich fundiert, aber lebendig arrangiert. „Pugnate“ setzt römische Gladiatorenspiele auf kraftvolle Weise akustisch in Szene.

  • Götterdämmerung in Alexandria

    „Agora – Die Säulen des Himmels“ läuft am 11. März in den Kinos an. In dem Film von Alejandro Amenábar geht es um das spätantike Alexandria, Glaubenskämpfe, um Philosophie. Und um eine historische Figur: Hypatia.

Ihr Kommentar zum Artikel „Operation auf Leben und Tod“


Sie sind angemeldet als

abmelden