Sachbücher Mit Experimenten in die Vergangenheit

Experimentelle Archäologie geht unter anderem alten Techniken nach. Im Bild: Repliken alter Keramik im Brennofen. © Marcel Schwarzenberger

Zwei Bücher für den „Experimentellen“ hat der Archäotechniker Wulf Hein unter die Lupe genommen. Sie bieten einen Überblick zur Experimentellen Archäologie und widmen sich einer byzantinischen Maschine.

Umfangreicher Werkzeugkasten

Der Name Dirk Vorlauf ist eng mit der Geschichte der Experimentellen Archäologie in Deutschland verbunden. Seit Ende der 1980er Jahre führt der Autor zahlreiche Versuche zu archäologischen Fragestellungen durch und beschäftigt sich auch kritisch mit Methodik und Theorie, so auch im vorliegenden Band, der in der Reihe „Experimentelle Archäologie“ des Landesmuseums „Natur und Mensch“ in Oldenburg erschienen ist.

Umfangreiche Übersicht des Forschungsfelds. © Wulf Hein / Isensee-Verlag

Auf den ersten 25 Seiten des Buches mit dem Subtitel „Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Kommerz“ untersucht Vorlauf, wie sich dieser Forschungszweig in den letzten 20 Jahren entwickelt und verändert hat. Er unternimmt ebenso kompetent wie kenntnisreich eine aktuelle Standortbestimmung, die auch Freilichtmuseen und Archäotechnik einbezieht und einen Ausblick in die Zukunft der Experimentellen Archäologie wagt. Dieser Teil ist fast ein wenig knapp geraten, aber der Autor hat seine Energie auf ein anderes, vielleicht noch wichtigeres Projekt gerichtet.

Den größten Teil des Buches füllt nämlich eine ausführliche Bibliographie zum Thema, die ihresgleichen sucht: über 3500 Titel hat Vorlauf zusammengetragen, die sowohl alphabetisch nach Autorennamen geordnet als auch noch einmal thematisch aufgeführt sind. Damit bietet dieser Band dem interessierten Leser eine umfangreiche Literaturliste aus zehn Sprachräumen, die nicht nur einen Überblick über bereits durchgeführte Versuche ermöglicht, sondern auch den Einstieg in einzelne spezielle Themenbereiche.

Dies ist besonders für Experimentatoren interessant, die selbst tätig werden wollen und – wie es bei jedem ernstzunehmenden Projekt vorausgesetzt werden muss – mit der Literaturrecherche beginnen: Ihnen hat der Autor einen „vollen Werkzeugkasten“ hingestellt, der in keinem Bücherschrank eines „Experimentellen“ fehlen sollte.

Spätantike Steinsäge im Experiment

Wasserbetriebene Steinsägen galten bisher als Erfindung der Neuzeit. Mittlerweile liegen jedoch mehrere Befunde vor, die solche Maschinen bereits in antiker Zeit belegen. Seit mehreren Jahren befasst sich ein Forschungsprojekt des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz (RGZM) in Kooperation mit dem Österreichischen Archäologischen Institut mit den Ursprüngen dieser Technik. Dazu gehören auch Experimente mit einem Nachbau im Maßstab 1:1, die im vorliegenden Band „Die byzantinische Steinsäge von Ephesos“ beschrieben werden.

In diesem Buch: Die Rekonstruktion einer Steinsäge. © Wulf Hein / Verlag des RGZM

Bei den insgesamt fünf Versuchen mussten die Forscher diverse Kompromisse eingehen: Beispielsweise wurde der Antrieb der Steinsäge, der im Altertum sicher über ein Wasserrad erfolgte, mittels eines Elektromotors bewerkstelligt; zum Umlenken der Seile dienten moderne Blöcke, und konstruktive Details wurden nach eigenem Gutdünken bzw. historischen Vorbildern gestaltet. Trotzdem lassen sich die Ergebnisse der Rekonstruktion gut mit den archäologischen Befunden in Übereinstimmung bringen und haben viel zum Verständnis der antiken Steinsägen beigetragen.

Das Buch ist sehr ansprechend gestaltet und mit vielen Abbildungen versehen, welche vor allem die Originalfunde und -befunde gut illustrieren. Als Techniker hätte ich mir allenfalls noch mehr Detailfotos bzw. -zeichnungen zu den Rekonstruktionsversuchen gewünscht, denn gerade in der Beschreibung der technischen Feinheiten ist oftmals das Verständnis einer Apparatur auch für den Fachfremden angelegt. Freunde der antiken Architektur mit einem Faible für Technikgeschichte kommen mit diesem Buch jedoch voll auf ihre Kosten.

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