Christianisierung Europa bekommt einen neuen Gott

Die Christianisierung Europas ist ein langer Gang durch den Irrgarten des Glaubens. Was richtig war und was falsch – das legten immer die Mächtigen fest. Und so könnte es ein Zufall sein, dass der katholische Zweig der christlichen Religion die Oberhand behielt, als das römische Imperium in den Wirren der Völkerwanderung unterging. Die Frankenkönige – mitten in einem heidnisch und christlich-arianisch geprägten Umfeld – gaben der katholischen Missionierung den nötigen Schwung auf dem Weg zum Erfolg. Dass dies keineswegs ein unaufhaltsamer Aufstieg war zeigt Lutz E. von Padberg auf zugleich unterhaltsame und lehrreiche Weise.

Spaziergang durch das Abendland

Das Buch ist eine geografische Reise vom westlichsten Ende des Frankenreiches bis zur Kiever Rus. Und chronologisch beginnt es mit der Taufe Chlodwigs (498) und endet mit der Annahme des Glaubens durch den litauischen Großfürsten Jagiello (1386). Die christliche Kirche war im Wortsinne eine „katholische“ geworden, eine „allgemeine“. Freilich waren längst die Weichen für das Auseinanderdriften in zwei große Strömungen gelegt: den abendländisch-lateinischen und den griechisch-orthodoxen Ritus.

Rom und Konstantinopel waren auch in missionarischen Angelegenheiten zu Konkurrenten geworden (vor allem im Zusammenhang mit der Slawenmission) – aber die Kirchenspaltung ist nicht das vordringliche Thema des Autors.

Padberg erzählt schlicht die Geschichte des Übergangs vom heidnischen zum christlichen Glauben und arbeitet sich dabei von Region zu Region vor. Seine Erzählung ist mit Namen und Jahreszahlen gespickt; sie erschließt sich dem geduldigen Leser aber leicht. Zumal der Autor nicht den Gelehrten heraushängen lässt, sondern sich einer durchaus lebendigen Sprache bedient. Das Buch ist für Laien gemacht – aber auch ein Kenner der Geschichte hat mit diesem Band ein fantastisches Nachschlagewerk zum Thema in den Händen.

Der irische Sonderweg und andere Kuriositäten

Vom Frankenreich, wo Chlodwig also mehr oder weniger bewusst das katholische Christentum annahm, wendet sich Padberg zunächst Irland und den britischen Inseln zu.

Die Christianisierung Irlands beschreibt er als einen „Sonderweg“. Kein Römischer Statthalter hatte auf der Insel geherrscht, hier gab es nach dem Zusammenbruch des Reiches keine bürokratischen Strukturen, wie sie der Kirche etwa im gallo-romanischen Bereich zugute kamen.

Doch Kontakte mit dem römischen Britannien und auch mit dem Festland müssen bestanden haben. Die Forschung kennt keinen Tag X, an dem die Missionierung der „Grünen Insel“ begann. Die erste gesicherte Quelle ist eine Chronik vom frisch nach Irland berufenen Bischof Palladius aus dem Jahr 431. Als der viel berühmtere Patrick kam, waren die grundlegenden kirchlichen Strukturen in Irland gegeben. Angenehm: Padberg ergeht sich nicht in Spekulationen zum irischen Nationalheiligen St. Patrick, sondern zählt die spärlichen Fakten darüber auf, was wir heute von ihm wissen.

Eigentlich ist nur das sicher: der Todestag (17. März) irgendwann im 5. Jh. Der Rest ist hauptsächlich Legende. Etwa die von der Herkunft des Symbols vom irischen Kleeblatt. Denn um die Lehre der Trinität den einfachen Menschen zu erklären, soll sich der Heilige des Kleeblattes bedient haben. Vielleicht so ähnlich: „Gottvater, Sohn und Heiliger Geist sind dreifach da – und doch sind sie ein Ganzes wie dieses dreigeteilte Blatt hier…“

Von Mythen christlicher Missionare und ihren Erfolgen und/oder Märtyrerschicksalen weiß die Überlieferung so einiges. Padberg zeigt viele dieser Geschichten auf und vergisst jedoch nie, das Legendenhafte vom historisch gesicherten Kern der Geschichte zu trennen. Sehr hilfreich sind dabei etliche Kurzlebensläufe wichtiger Personen, die dem Haupttext zur Seite gestellte sind. Und mit dieser Erzählfreude und Faktenreichtum „zieht“ der Autor weiter zum Karolingerreich, durchforstet die Ereignisse in Skandinavien und Südosteuropa und landet schließlich mit den Schwertbrüdern und später dem Deutschen Orden an der Ostseeküste.

Fazit

Die Aufmachung des Buches lässt kaum Wünsche offen: Die Bildauswahl ist exzellent und umfasst sowohl archäologische Funde als auch Repros zeitgenössischer Quellen. Karten bringen die erzählten Ereignisse ins richtige geografische Verhältnis. Die Gestaltung des Buches überzeugt und hilft dem Leser durch das Werk und behindert nicht durch überquellende Illustrationswut. Zu bemängeln ist das unzureichende Register. Hier kann der Leser nur nach Namen suchen, nicht nach Orten. Das ändert aber nichts am Prädikat: absolut empfehlenswert.

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