Kreuzzüge Doku leidet unter Ausstattung

DVD legt zu großen Wert auf Schauwert. © Sunfilm Entertainment

Hundert Jahre Krieg zwischen Orient und Okzident: „Die Kreuzzüge – Halbmond und Kreuz“ heißt eine Dokumentation, die sich den ersten Kreuzzügen widmet. Frisch auf dem Markt, hält der Film nicht alles, was die Werbung verspricht.

Drei Stunden Geschichte

Der Regisseur Mark Lewis drehte 2005 für den Pay-TV-Sender History Channel eine vierteilige Dokumentation über die ersten drei Kreuzzüge. Die US-Produktion kommt am 10. September 2010 als DVD und Blue-ray auf den deutschen Markt; vertrieben von Sunfilm Entertainment. Um die 19,90 Euro soll die abendfüllende Doku kosten – alle vier Teile dauern zusammen immerhin gut drei Stunden.

Allein dem ersten Kreuzzug sind zwei Teile gewidmet. Genug Zeit also, um die Anfänge sowie den Verlauf des kriegerischen Pilgerzugs von Europa über den Balkan, Konstantinopel, Kleinasien bis hin zu Jerusalem auszubreiten. Die beiden anderen Teile legen den Fokus auf die islamischen Gegenschläge. Angefangen mit dem Zengiden Nur ed-Din, der 1144 die Grafschaft Edessa eroberte und damit den zweiten Kreuzzug auslöste. Und schließlich kommt die jahrzehntelange Kampagne des Salah ad-Din zur Sprache, der erst Syrien mit Ägypten vereinigte und sich dann über die Kreuzfahrerstaaten hermachte. Er eroberte 1187 Jerusalem und gab damit den Anlass für den dritten Kreuzzug.

Zeitzeugen in Szene gesetzt

Großen Wert haben die Produzenten auf Spielszenen gelegt, in denen Kämpfe und der Vormarsch der Christen bebildert werden. Sie wechseln sich mit – dem deutschen Publikum durch Guido-Knopp-Dokumentationen wohl vertraut – Interviews mit Historikern aus dem angelsächsischen und arabischen Raum ab. Dieser Part gehört zu den angenehmen Abschnitten der Dokumentation. Die Wissenschaftler gehen mit Verve an die Sache. Sehr schön: Das Filmteam nahm die Historiker zu den wichtigsten Plätzen mit. Ob Aleppo, Jerusalem, Akkon oder Antiochia – die modernen Ansichten der Originalschauplätze runden die Filmszenen ab, die an doch recht anonym wirkenden Gegenden Marokkos gedreht wurden.

Eindrücklich fand ich eine Szene mit einem ägyptischen Historiker: Der Mann war unter anderem in der syrischen Kleinstadt Maarat an-Numan unterwegs. Die war Ende 1098 Schauplatz eines Massakers, das die christlichen Krieger unter den Muslimen anrichtete. Noch vor deren blutiger Eroberung Jerusalems. Ob man dem britischen Kollegen des Ägypters Glauben schenken mag, ist eine andere Sache. Der behauptet vor der Kamera, den noch nicht zweifelsfrei identifizierten Schauplatz der Schlacht bei Doryläum gefunden zu haben. Den Ort in Kleinasien also, wo die Christen 1097 das Heer der Rum-Seldschuken schlugen. Ob der Forscher Recht hat oder nicht – es macht Spaß seinem leidenschaftlichen Vortrag zu folgen.

Schön ist auch die Einbindung des in Pakistan geborenen, heute in London lebenden Journalisten und Buchautors Tariq Ali. Er bringt ebenfalls eine gewisse muslimische Note in die Dokumentation und klärt den geneigten Zuschauer unter anderem darüber auf, dass die Muslime noch heute allergisch auf Begriffe wie „Kreuzzug“ reagieren. Das sei etwas, das nach dem 11. September von den US-Amerikanern nicht richtig begriffen worden war, erzählt Ali.

Eine vernünftige Idee der Macher war auch die Bebilderung zeitgenössischer Chronisten. Wilhelm von Tyrus war einer der wichtigsten Chronisten des 11. Jahrhunderts. Ein Fan der Zengiden-Dynastie war hingegen der Geschichtsschreiber Ibn al-Athir; ein Anhänger Salah ad-Dins wiederum Baha ad-Din. Diese drei Personen werden von Schauspielern in gut aufgemachten Szenen dargestellt, in denen sie aus ihrer jeweiligen Sicht von den Kriegen berichten. Schwamm drüber, dass al-Athir fälschlicherweise in Aleppo auftritt.

Ausstattung ist Schwachpunkt

Historiker-Interviews, Spaziergänge mit ihnen durch die wichtigsten Orte, das Gespräch mit Tariq Ali sowie zahlreiche Karten und zeitgenössische Chronisten – all das sind positive Elemente der Doku, die das Anschauen lohnenswert machen. Das Dumme ist nur: All das zusammen nimmt leider nicht den größten Platz ein.

Für meinen Geschmack haben sich die Filmemacher viel zu sehr mit der Inszenierung möglichst großer, möglichst blutiger Massenszenen beschäftigt. Natürlich bringen solche Darstellungen mehr Dramatik. Es spricht auch nichts dagegen. Doch in dieser Größenordnung halte ich das für verschwendete Zeit. Oft sogar unnötig, zumal sich etliche Szenen auch noch wiederholen. Der Anblick eines Schlachtfeldes muss wahlweise für ganz unterschiedliche Ereignisse herhalten. Dass die Szenen per Computertechnik aufgepeppt wurden, geht durchaus in Ordnung. Schlimm finde ich auch nicht, dass man deutlich sieht, wo getrickst wurde. Der Kostenrahmen muss stimmen. Aber dann sollte die Verleihfirma auch nicht mit dem Slogan werben, dass die „bahnbrechende“ Computertechnik aus dem Film „Herr der Ringe“ zum Einsatz kam. Dass der Vergleich hinkt, sieht jeder nach ein paar Minuten. So etwas ist nicht nötig.

Leider tappen die Ausstatter in die klassische Falle bei historischen Produktionen. Großer Wert auf historisch korrekte Ausrüstungen wurde offensichtlich nicht gelegt. Dass alberne Helme möglichst oft ins Bild gerückt werden, macht sie auch nicht angenehmer. Auch die Gewandungen lassen sehr zu wünschen übrig. Das Cover zu DVD und Blue-ray schmückt übrigens ein Szenenbild, das nicht aus der Doku stammt, sondern von dem Spielfilm „Arn – Der Kreuzritter“ (der mit guten Ausrüstungen punktet, aber das nur nebenbei). Von den präsentierten Zelten der Kreuzfahrer wollen wir hier gar nicht erst reden… Dem Komponisten hätte etwas mehr Kreativität auch gut gestanden. Mich nervt es, dass ich immer wieder die gleichen Choräle höre, sobald auch nur eine Kirche gezeigt wird.

Faktenlage bisweilen schwammig

Obacht auch bei manchen Ansagen des Erzählers. Die katholischen Kreuzfahrer haben gern das Bild vom intriganten (griechisch-orthodoxen) Byzantiner kolportiert. Etwas von dieser doch sehr einseitigen Sichtweise floss auch in den Text des Erzählers ein. Der skizziert Kaiser Alexios bei dessen Verhandlungen mit den ersten Kreuzfahrerführern Balduin, Gottfried und Bohemund als verschlagen.

Und, ja, Friedrich Barbarossa zog wohl mit dem größten Heer in Richtung Levante, das je während der Kreuzfahrerzeit dorthin unterwegs war. Aber zu behaupten, dass es 100.000 Mann stark war, ist doch eher blindes Folgen zeitgenössischer Übertreibungen denn eine sachliche Schilderung. Moderne Schätzungen liegen weit darunter. Aber mit einigen Zehntausend Rittern und Soldaten war des Rotbarts Heerbann immer noch eindrucksvoll genug. Die Rolle der Ritterorden ist ordentlich beschrieben. Peinlich aber, wenn die Johanniter im Film durchgehend als „Malteser“ bezeichnet werden. Malta war nun wirklich ein viel späteres Kapitel der Ordensgeschichte.

Ein Fazit ist für mich schwer zu ziehen. Es gibt Geschichtsfans, die es mit dem großen Überblick halten – bitte, dafür ist die Doku sicher geeignet. Wer sich schon bei „Arn“ oder „Königreich der Himmel“ durchgehend nur über Unstimmigkeiten aufregte (mir haben beide Filme gefallen), der sollte sich den Kauf zweimal überlegen.

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