Bogenschießen Die Bibel für Taditionelle

Bogenbauerbuch für Profis und solche, die es werden wollen. © chronico

Weihnachten steht vor der Tür! Da kommt der vierte Band der Bogenbauerbibel in deutscher Übersetzung gerade recht. Aber gibt es wirklich noch Neues zum Thema Traditioneller Bogen zu berichten? Die Antwort lautet schlicht: ja!

Einstieg ins Hobby

In 14 Kapiteln geben bekannte Namen der amerikanischen Bogenbauerszene ihr Wissen weiter. Unter den Namen sind auch jene zu finden, die bereits mit dem ersten Band maßgeblich zum Erwachen der Holzbogenszene beigetragen haben. Und so findet sich 16 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes der Traditional Bowyers’s Bible folgerichtig im Anhang auch ein Interview mit Jim Hamm, Tim Baker und Paul Comstock, die zusammen mit dem leider bereits verstorbenen Jay Massey an jedem der bereits erschienenen Bände mit gearbeitet haben.

Mit 416 Seiten und vielen, leider lediglich schwarzweißen Abbildungen, ist „Die Bibel des Traditionellen Bogenbaus Band 4“ der umfangreichste der bisher erschienenen „Bogenbauerbibeln“. Den Leser erwarten unterschiedlichste Beiträge, die von persönlichen Erinnerungen an Jay Massey über Jagderzählungen bis hin zu naturwissenschaftlich anmutenden Bogendesignbetrachtungen reichen.

Dieser bunte Mix macht auch den besonderen Reiz dieses Buches aus und lädt dazu ein, die langen Winterabende gemütlich an der Heizung schmökernd zu verbringen. Auch wenn es dem ambitionierten Bogenbauer schwer fallen dürfte, nicht sofort in den Bastelkeller zu laufen, um neu Gelesenes umzusetzen. Auch ohne die ersten drei Bände gelesen zu haben, findet der Bogenbauneuling ohne Schwierigkeiten den Einstieg in ein extrem spannendes Hobby. Mit verantwortlich dafür ist neben einer Umrechnungstabelle von amerikanischen in kontinentaleuropäische Maße und einem Glossar mit Fachbegriffen aus der Bogensprache auch die Kurzanleitung zum Bau des ersten Bogens. Es erstaunt hierbei allerdings, dass diese Anleitung als Anhang erscheint und nicht in die Artikelabfolge integriert wurde. Auch an eine Adressenliste von deutschen Firmen, die Bogenbaumaterial anbieten, wurde gedacht.

Rückblicke in die Geschichte

Es würde zu weit führen, an dieser Stelle alle 16 Beiträge detailliert zu besprechen. Daher beschränke ich mich auf eine kurze Darstellung der behandelten Themen. In gewohnt fundierter Art und Weise hat Tim Baker neben seiner Bogenbauanteilung zwei weitere Artikel beigetragen, die ihren Fokus auf zwei fundamentale Aspekte im Bogenbau richten. So erfährt der Leser im Abschnitt „Bogenholz“ nahezu alles, was bei der Auswahl und der Behandlung des Bogenholzes zu beachten ist.

Obwohl die umfangreiche Liste der geeigneten Bogenhölzer ihren hauptsächlichen Bezug auf die amerikanische Flora nimmt, findet auch der europäische Handwerker Hinweise auf Holzarten, die ihm problemlos zur Verfügung stehen. Mit dem Kapitel „Leistung und Design erneut auf dem Prüfstand“ greift Tim Baker auf seinen wegweisenden Artikel im ersten Band zurück, den er um neue Erkenntnisse ergänzt hat.

Besonders interessante Aspekte birgt das Kapitel „Wärmebehandlung von Bögen“ von Marc St. Louis. Er zeigt, wie mit Hilfe von Hitze die Leistung von Holzbögen extrem gesteigert werden kann. Unbedingt zur Nachahmung empfohlen! Auf das Gebiet der Historie führen die Artikel „Ishis Bogenausrüstung“, illustriert mit den wunderbar detailreichen Zeichnungen des Autors Steve Allely, „Pfeile aus aller Welt“ von Mickey Lotz und „Ein Bogen aus der Kupferzeit“ von Tom Mills mit einer bemerkenswerten Auflistung überwiegend europäischer Bogenfunde. Leider wurde hier versäumt, die Literaturverweise aufzuschlüsseln, um die Nachlese in der Ursprungsliteratur zu ermöglichen. Zumindest im Fall des bronzezeitlichen Bogens von Fiavé-Carera stimmt die angegebene Holzartbestimmung in der tabellarischen Auflistung nicht mit der Primärliteratur überein (Hartriegel bzw. Schneeball statt Eibe), eine Unachtsamkeit des Autors, die mit der Fleißarbeit bei der Literaturrecherche der archäologischen Bogenrelikte zu entschuldigen ist.

Bogen mit Charakter

Welchen Stellenwert Leistungsdenken und Leistungsfähigkeit beim Bau von Holzbögen einnehmen können, illustrieren gleich mehrere Artikel. Steve Gardner erläutert in „Das Bogenmasse-Prinzip: Tillern mit dem Idealgewicht“ seine auf der Erfahrung aus dem Bau von mehreren Tausend Bögen basierende Vorgehensweise, Holzbögen möglichst effizient zu gestalten. Sein Geheimnis: Den Bogen so zu bauen, dass er ein bestimmtes, klar definiertes Eigengewicht erreicht. Sein Credo: Holz soll im Bogen dort eingesetzt werden, wo es gebraucht wird.

In „Der Schildkröten-Bogen“ berichtet Jim Hamm von einem groß angelegten Leistungstest, der sehr klar zum Ergebnis hatte, dass nicht die Holzart, sondern das Design ausschlaggebend für die Leistungsfähigkeit eines Holzbogens ist. Dies zeigte sich auch auf das Eindrücklichste beim Wettbewerb „Wer baut den langsamsten Bogen?“, auf den Jim Hamm ebenfalls im Artikel eingeht und der unter der Rubrik Kuriositäten des Bognerhandwerks einzuordnen ist. Welche Leistung im Gegenzug aus einem „primitiven“ Holzbogen herausgekitzelt werden kann, erläutert Dan Perry in seinem Beitrag „Bögen für das Weitschießen“. Auf die Frage, was bei der Erstellung der nötigen Ausrüstung für diese Spezialdisziplin zu beachten ist, gibt der Autor fundiert Auskunft.

Mit „Laminierte Holzbögen“ und „Bogen mit Charakter“ belegen Mike Westvang und Jim Welch, in welchem Spannungsfeld sich die Herstellung traditioneller Bögen bewegen kann. So stellt Westvang die Herstellung von aus Holz- und Bambuslaminaten aufgebauten Bögen vor, die aufgrund ihrer Bauweise nahtlos an die glasbelegten Bögen anschließen. Wie anders ist doch das Prinzip beim Bau von „Charakterbögen“, über den Jim Welch zu berichten weiß.

Neben den zahlreichen Artikeln über die technische Seite beim Pfeil- und Bogenbau verzichteten die Herausgeber der amerikanischen Ausgabe der Bogenbauerbibel auch nicht auf die Betrachtung des Schießstils. Auf der Basis eigener Erfahrungen erläutert Jim Hamm in „Lektionen vom Scheibenschießen“, wie sein Trefferbild durch die Auseinandersetzung mit den Trainingsmethoden der Scheibenschützen verbessert werden konnte. Seine Erfahrungen bei der Jagd auf einen Wapitibullen verarbeitet er in „Von Stöcken und Bullen“. Besonders dieser Artikel illustriert sehr klar den eklatanten Unterschied zwischen der amerikanischen und der deutschen Holzbogenszene. So spielt der einfache Bogen in Übersee als Jagdwaffe tatsächlich eine große Rolle. In Deutschland hingegen ist er vor allem als ein Medium für eine imaginäre Reise zurück in eine Vergangenheit zu bewerten, in der diese altertümliche Waffe elementar für das Überleben war.

Ein echtes Fachbuch

Abschließend sind besonders die Sorgfaltig und der Sachverstand herauszustellen, mit dem die Übersetzung aus dem Englischen vorgenommen wurde. So zeigt sich deutlich, dass hier Experten mit dem nötigen Hintergrundwissen am Werk waren. Als kleiner Wermutstropfen sind kleinere redaktionelle Unzulänglichkeiten zu nennen. So wäre ein zusätzlicher Blick auf die Interpunktion, Orthographie und Layout an manchen Stellen angebracht gewesen.

Der vierte (und hoffentlich nicht letzte) Band der Bibel des Traditionellen Bogenbaus aus dem Haus Verlag Angelika Hörnig ist sicherlich als Fachbuch einzustufen und für den Reenactor, der sich lediglich peripher für die vielfältige Welt von Pfeil und Bogen interessiert, nur bedingt als Lektüre geeignet. Doch wer der Faszination dieser eindrucksvollen Waffe erlegen ist, für den ist das Buch Pflicht. Eine Warnung sei an dieser Stelle allerdings ausgesprochen: Sollten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, mit dem Gedanken spielen, ihrem Liebstem, ihrer Liebsten das Buch auf den Gabentisch zu packen, so seien Sie sich darüber im Klaren, dass Sie die Weihnachtsbesuche danach vermutlich alleine absolvieren müssen.

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1 Kommentare

  1. Das Buch kann ich wirklich nur jedem empfehlen. Ich baue selbst schon länger Bögen und habe das Buch jetzt gerade erst gelesen. Das hätte ich schon eher tun sollen ;-)

    10. März 2009, 16:03 Uhr • Melden?

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