Sachbuch Das Zeitalter der Keltenfürsten

Martin Kuckenburg blickt in keltische Geschichten.

Er ist Wissenschaftsjournalist, hat Vor- und Frühgeschichte studiert, schrieb über Kulturgeschichte und Neandertaler. Jetzt hat Martin Kuckenburg ein Keltenbuch vorgelegt. Simon Kahnert hat reingeschaut.

Hochkultur Mitteleuropas

Ein großer Titel, der viel zu versprechen scheint: “Das Zeitalter der Keltenfürsten”. Der Verlagsname Klett-Cotta verwundert schon beim ersten Blick. Aber wer Tolkien in Deutschland herausgibt, den sollte man nicht per se in die Fantasy-Ecke drängen, auch wenn die Gefahr bei der gewählten Thematik groß ist, genau dort zu landen. Der Autor Martin Kuckenburg dagegen ist bekannt für fundierte Fakten und deren Aufarbeitung. Schon der Klappentext lässt auf einiges hoffen.

Laut diesem räume Kuckenburgs „… große Gesamtdarstellung der frühen Keltenzeit zwischen dem 8. und 3. Jahrhundert vor Christus … mit dem Klischee der kulturellen Rückständigkeit gegenüber Griechenland und Rom“ auf und zeige „… dass sich diese erste Hochkultur Mitteleuropas durchaus auf Augenhöhe befand mit den entstehenden Hochkulturen Griechenlands und Roms. …“

Berühmte Gräber

Das Buch besteht insgesamt aus 20 Kapiteln, und das Quellenverzeichnis liest sich wie ein Who-is-who der europäischen Eisenzeitforschung. Bereits beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses wird der Schwerpunkt klar: Kuckenburg hat sich primär mit den Fürstensitzen des 6. und 5. Jahrhunderts vor Christus beschäftigt, also der späten Hallstattzeit bis in die ganz frühe Latènezeit.

In der Einleitung zeigt der Autor klar seine Zielrichtung auf. „Die Kelten kommen! Über die neue Popularität einer alten Kultur“, so hat er sie betitelt und stellt kurz die Geschichte der Keltenforschung und ihren Stand in der deutschen Gesellschaft dar. Er benennt die beiden „Eye-opener“ der hiesigen Keltenfürsten, die Gräber von Hochdorf und Glauberg, und steckt den Rahmen seiner Publikation ab.

Martin Kuckenburg stellt die frühen Kelten eingebettet in die gesamte kulturelle Entwicklung des westlichen Mittelmeerraumes dar. Er zeigt auf, dass sich die frühen mediterranen Kulturen und die Hallstattkultur parallel entwickelten und gegenseitig beeinflussten. Wobei er den Haupteinfluss ganz klar in Richtung Norden sieht.

Er geht auf die Gründung der ersten Kolonien der Griechen im Westen und der Keltike ein (also dem keltischen Kulturraum) und beschreibt, anhand der bekannten wissenschaftlichen Fakten, den plötzlichen Umschwung um das 5. Jahrhundert herum – durch das Erstarken der Etrusker im Norden Italiens und die möglicherweise dadurch entstandene Latènekultur.

Konkurrierende Forschungsansätze

Den größten Teil der Faktengrundlage nehmen die Heuneburgforschung und die Fürstengrabhügelforschung in Baden-Württemberg ein. Dort sind die stärksten Zeugnisse keltisch-mediterraner Berührungen greifbar. Aber der Autor schaut auch über den Tellerrand dieses kleinen Kernbereichs hinaus, um die Einflüsse klar aufzuzeigen.

In seinem Buch stellt er die zwei Hauptströmungen der „Fürstensitz-Forschung“ gegenüber. Zunächst die Richtung nach Wolfgang Kimmig, die den Griechen und Etruskern einen großen Einfluss einräumt. Sie geht davon aus, dass die Kelten sich nur so entwickelten wie es taten, da sie griechische / etruskische Kultur adaptierten und sich so aus dem Barbarentum lösten, also eine „barbarische Reflexion mediterraner Lebensformen“ seien. Die aber auch die bestimmte Vorstellung einer Sozialstruktur nach griechischen Vorbildern entwickelte und eine hallstattzeitliche Adelsschicht ähnlich des mittelalterlichen Feudalsystems zeigte.

Kimmig stellte der Autor die Strömung Manfred K. H. Eggerts gegenüber, der seine Interpretationen der Funde auf die Grundlage der kulturanthropologischen Forschung stellt und als größter Kritiker Kimmigs gilt. Seiner Meinung nach entwickelte sich die hallstattzeitliche Fürstenkultur eigenständig und sei viel mehr mit den afrikanischen Stammesstrukturen vergleichbar als mit dem mittelalterlichen Feudalsystem.

Kuckenburg beschreibt ausführlich die Entwicklung der Forschungsströmungen und den Disput der beiden Hauptrichtungen; ohne wirklich eindeutig Partei zu ergreifen. Dies ermöglicht den Lesern, Einblick in eine differenzierte Welt der Keltenforschung zu bekommen und gegebenenfalls eigene Schlüsse daraus zu ziehen.

Kein populäres Keltenbuch

Kuckenburg stellt die Vorstellungen der keltischen Welt anhand archäologischer Funde, antiker Autoren und Vergleichen mit ähnlichen Gebräuchen der gesamten westlichen antiken Welt dar. Entgegen der Aussage des Klappentextes wird allerdings die Zeit außerhalb der Epoche der Hallstattfürsten nur rudimentär angedeutet, da sie zwar für die Entstehung der Fürstenkultur wichtig ist, aber die Fürstenzeit in den folgenden Jahrhunderten der Keltenzeit kaum Spuren hinterließ.

Martin Kuckenburg gelingt es, den Leser, der sich für diese Epoche interessiert und auch einen tieferen Einblick in die Entwicklung und ereignisreiche Welt der Keltenforschung und deren Protagonisten haben möchte, zu fesseln und ausführlich zu informieren. Allerdings ist sein Buch keine typische Populärliteratur für Keltenfans. Diese werden sehr bald von seinem wissenschaftlichen und nüchternen Ton gelangweilt sein und doch wieder zu Tolkien greifen.

Auch diejenigen, die sich spannende neue Fakten über die Kelten in Deutschland bis hin zu deren Verschwinden erhoffen, werden enttäuscht. Diese Zeit findet nur in Nebensätzen, die die Hauptthematik unterstreichen, Erwähnung. Allen anderen sei diese Lektüre zu empfehlen, denn sie beschreibt den Zeitraum, in dem die Kelten Mitteleuropas es fast geschafft hatten, eine Hochkultur zu entwickeln, die denen der Griechen und Etruskern zu jener Zeit ebenbürtig hätte sein können.

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