Miroque XI Altbekanntes überschattet neue Musikperlen

In immer kürzeren Abständen erscheinen die neuen Ausgaben der Miroque-Reihe. Frisch aus der Presse kommt heute Release Nummer elf. Ob's an dem kurzen Turnus liegt? Jedenfalls schrammt die aktuelle Scheibe aus dem Hause Totentanz Records knapp an einem Status als echter Geheimtipp vorbei. An mangelndem Angebot auf dem Musikmarkt dürfte es kaum liegen, denn erneut haben die Macher kostbare Perlen aufgenommen. Doch es fehlte der Mut (oder die Zeit?), endlich einmal die üblichen Verdächtigen draußen zu lassen.

Dudeln – am Hörer vorbei

Beginnen wir mit den weniger guten Eigenschaften dieses Samplers. Warum, um Gotteswillen, muss es immer wieder Corvus Corax sein? Die Reihe kann gut und gerne auch mal auf diese übermächtige Truppe verzichten. Vor allem, wenn dann noch mit dem Remix von “Mille Anni” ein elektronisch übertünchtes Stück geboten wird, das so gar nicht zum sonst handgemacht wirkenden Album passt. Und im Ernst: Was ist an diesem Lied noch Corvus Corax, und was schon eher Tanzwut (das elektronische Alter Ego der Band)? Man weiß es nicht…

Das Übliche: Cultus Ferox mit dem Titel “Rans Horder”, ein furchtbar eintöniges “Caput Draconis” von Schelmish (die Jungs haben wirklich bessere Stücke im Repertoire) und Saltatio Mortis – immerhin ist deren Instrumentalstück “Merseburger Zauberspruch” eine gute und druckvolle Liveversion.

Das musikalische Tief im Angebot kommt von Blackmore‘s Night. Da auch im Booklet damit Werbung getrieben wird, sagen wir es hier auch: “Loreley” ist der Titelsong zur unseligen ProSieben-Serie “Die Burg”. Nun kann ein Lied kaum etwas für seine Verwendung – dennoch fällt dieser Schatten auch auf das Stück zurück. Und mit Verlaub: Diesmal passt es aber, so langweilig und steril kommen Blackmore‘s Night daher – Loreley, Dudelei…

Qualität und frische Neuentdeckungen

Doch bei aller Kritik: Insgesamt macht die Scheibe einen guten Eindruck. Wie gut, das zeigt vor allem Track Nummer drei. Des Teufels Lockvögel schlagen hier mit “Ai vist lo lop” eine fulminante und kraftvolle Bresche in den oft eintönigen Mittelaltermusikbrei. Es darf sich auf weitere Projekte der Band gefreut werden!

Highlights in Sachen klassischer Soundmalerei ist das Lied “Rodrigo Martines”, mit glockenreinen Stimmen von den Freiburger Spielleyt vorgetragen, gefolgt von Pantagruel, die mit einem Arrangement von Renaissance-Tänzen des 16. Jhs. ein weiteres Mal auf einem Miroque-Album vertreten sind. Mit Recht mausert sich das Trio zu einem Qualitätsbringer der Reihe.

Echte Neulinge erleben wir gleich zweifach: Mit der Berliner Band Thetis kommt eine Formation daher, deren erstes Album im April erscheint. Zu hören ist von ihnen nur Selbstkomponiertes. Und genau das macht ihre Texte aus dem Reich der Phantasie so sympathisch. Thetis winkt nicht mit der Authentizitätskeule. Auf dem Miroque-Album gibt es das märchenhaft wirkende Stück “Der Spiegel”.

Ein Newcomer ist auch die Band Spielbann, die noch an ihrem ersten eigenen Album arbeitet. Ihr “Lied zu Hameln” ist ein erfreulich melodischer Beitrag zur Folkrock-Szene. Man darf gespannt sein…

Fazit

In großen Teilen wirkt Miroque XI wie ein Klangteppich aus der Liedermacher- und Folkszene. Ob Düsteres von “Divina Commedia” oder Folkiges von den Streunern – man darf mitsingen oder einfach zuhören. Und das macht meist auch Spaß. Fraglich ist, ob der lustvoll-schlüpfrige Zungenbrecher “Gaudete” von Potentia Animi unbedingt auf die Scheibe musste. Verbuchen wir es unter Spaßfaktor und gut ist es.

Wie schon so oft, ist es den Mixern der Reihe gelungen, selten Gehörtes oder gar völlig Neues zu vereinen. Diese Stärke muss noch ausgebaut werden. Sicher dürfen dabei auch bekannte Größen nicht fehlen. Aber die ewigen Verbeugungen vor Corvus Corax und Co. hat der Sampler nicht nötig.

Artikel aus der Rubrik „Medien“

  • Scheibendolch, Stechschild & Co.

    Der Mainzer Verlag setzt seine Buchreihe „Mittelalterliche Kampfesweisen“ fort. Herausgeber André Schulze präsentiert ein gut aufgestelltes Autorenteam mit vielen Praktikern. Dazu gibt es frisch aufgelegt – ein Fechtlehrbuch.

  • Zeitreisen in unsere Vergangenheit

    Weg von kostümierten Heimatforschern oder volkstümelnden „Germanen“ – hin zur seriösen Inszenierung von Geschichte: Die experimentelle Archäologie hat sich gewandelt. Wie sehr, zeigt das Buch „Lebendige Vergangenheit.“

  • Als Spanien christlich wurde

    Von 711 bis 1492 existierten islamische Reiche auf der iberischen Halbinsel. Nicht aus deren Sicht, sondern aus dem Blickwinkel ihrer christlichen Gegenspieler gibt es Neues auf dem Buchmarkt. Ein kritischer Blick.

  • Drama am Abgrund

    In der noch jungen Romanreihe des Archäologieverlags Philipp von Zabern darf man gut recherchierte Bücher erwarten. Wir nehmen den frisch veröffentlichten historischen Roman über Otto den Großen unter die Lupe.

1 Kommentare

  1. Toller Artikel.Genau auf den Punkt und sehr informativ.So wird man richtig informiert.Weiter so.Danke

    09. Juni 2005, 09:06 Uhr • Melden?
    von Wizzard
    1

Ihr Kommentar zum Artikel „Altbekanntes überschattet neue Musikperlen“


Sie sind angemeldet als

abmelden