Ausstellung Wikinger am Rhein

Wie ein Schwarm Raubvögel drangen die Flotten der bärtigen Krieger über den Rhein tief in das fränkische Reich ein. Mit Leichtigkeit brachten sie behäbige Handelsschiffe auf. Die "Nordmänner", "Seeräuber" und "Teufel", wie zeitgenössische Chronisten sie bezeichneten, plünderten Städte und Klöster. Auch das bedeutendste Kloster des Reichs, die Abtei Prüm in der Eifel, verschonten die skandinavischen Eindringlinge nicht. 882 und 892 wurde das Kloster überfallen, wie Abt Regino in seiner Weltchronik schrieb. Der schlechte Ruf der Wikinger war geboren. Doch ist diese Seite nicht die vollständige Wiedergabe des korrekten Bildes. Handel, Kultur und Diplomatie prägten ebenfalls die Nordmänner. Ein möglichst dichtes Bild von den Wikingern und ihren Beziehungen zu den Franken an Rhein und Maas will die Ausstellung "Wikinger am Rhein" zeichnen, die morgen in Bonn ihre Pforten öffnet.

“Wikinger am Rhein” – der Titel bezeichnet den geografischen Fokus der Ausstellung wie auch den Schreckensruf der Menschen, die in den Jahrhunderten zwischen 800 und 1000 die gefürchteten Krieger sichteten, die auf “viking” gingen, auf Raubzug. Indessen haben die Plünderfahrten nur wenige archäologische Spuren in Deutschland hinterlassen. Wohl fanden die Wissenschaftler Brandspuren, Ausrüstungsgegenstände oder Skelette mit Hiebverletzungen – eindeutig den Wikingerzügen zuordnen konnten sie diese Funde aber nicht. Im Rhein- und Maasgebiet in den Niederlanden sieht das ganz anders aus. Spektakuläre Funde belegten etwa Spuren von skandinavischen Überfällen auf die Königspfalz Zutphen an Ijssel im Jahr 882. Erstmals werden Stücke aus diesen Funden – Münzen, Keramik, Skelette – der Öffentlichkeit präsentiert.
Auch sonst steht die Ausstellung im Zeichen internationaler Zusammenarbeit. Schiffe, Schmuck, Waffen und Hortfunde kommen aus Schweden, Dänemark, Niederlande und Deutschland. Das Rheinische Landesmuseum Bonn, das Centraalmuseum Utrecht und das dänische Vingingeskibmuseet Roskilde haben sich hier zusammengetan. In verschiedenen Themenkomplexen wird Gesellschaft und Entwicklung der Wikinger gezeigt. Einen breiten Raum wird auch der Darstellung des fränkischen Reichs gewährt, in dem sich ja die vielfältigen, hier behandelten, Beziehungen abspielten.
Nun waren die Skandinavier alles andere als lediglich furchtlose Räuber. Viel bedeutender war ihr Einfluss als Händler und Diplomaten skandinavischer Reiche. Selbst während der intensivsten Phasen der Überfalle kam der Handel zwischen Rheinland und dem Norden nie zum Erliegen. Und kulturlos waren die “Heiden” auch nicht, das beweisen Ausstellungsstücke wie Kämme und Glättsteine – eine Art Bügeleisen aus Glasschmelze.
Nicht zuletzt bedeuteten die intensiven Beziehungen zwischen den Völkern, sei es im Handel oder im Kampf, immer auch einen steten Einfluss aufeinander. So brachten die Skandinavier viele Erzeugnisse aus ihren Reichen und fernen Ländern mit, die sie bereisten. Und im Frankenreich versorgten sie sich nicht nur mit den besseren Waffen, sondern auch mit den neuesten Modetrends. Immer mehr, so will die Ausstellung zeigen, färbte die Kultur des Frankenreichs auch auf die Nordmänner ab. Die Christianisierung tat ein Übriges. Als “Normannen” in der Normandie waren einige skandinavische Stämme längst von der christlichen Kultur durchdrungen. Im 11. Jh. schließlich lösten sich die alten Stammesverbände und Traditionen nach und nach auf – die einst gefürchteten “Wikinger” waren in der abendländisch-christlichen Gesellschaft aufgegangen. Dieser Entwicklung zwischen 800 und 1000 spürt die Ausstellung für den mitteleuropäischen Raum nach.

Dauer: 1. Juli bis 17 Oktober 2004

Wo?: Rheinisches Landesmuseum Bonn; Colmantstraße 14; Telefon: (02 28) 2 07 00

Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag, Sonnabend von 10 bis 18 Uhr; Mittwoch und Freitag von 10 bis 21 Uhr; Sonntag von 11 bis 18 Uhr

Preise: 6,50 EUR / ermäßigt 5,50 EUR

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