Brotmuseum Praktikum in Sauerteig

Körnige Leckerbissen: Hunderte Getreidesorten sind Beweise für die historische Vielfalt pflanzlicher Nahrung. © Marcel Schwarzenberger

Brot – dabei mag mancher an einen oft zitierten Bibelspruch denken. Aber es lohnt sich durchaus, auf dieses Lebensmittel konzentrierter zu schauen. Ein Museum tut das. Unter anderem mit antiker Mühlentechnik und Legionärsbrot.

Besuch im Alltäglichen?

„Wenn Sie im Ausland nach deutschem Rezept Brot backen, das ist wie die Lizenz zum Geld-Drucken“, sagt Wilhelm Bruinjes, seit 1988 Geschäftsführer des Europäischen Brotmuseums in Ebergötzen. Brot sei die größte kulinarische Erfindung und „wir hatten hier sogar schon eine japanische Praktikantin, die die Kunst der Sauerteigbereitung bei uns gelernt hat.“

Nun, wir haben uns an die größte kulinarische Erfindung gewöhnt, und so war unser sonntäglicher Familienausflug nach Ebergötzen eigentlich eher ein Besuch im Alltäglichen. Aber gerade dieses Alltägliche zieht jedes Jahr 30.000 Besucher ins Brotmuseum, darunter viele Ausländer.

Das Museum liegt knapp 15 Kilometer östlich von Göttingen, direkt an der Bundesstraße 27. Unter dem Parkplatz fließt ein kleiner Bach durch eine Senke. Nebenan kicken die Fußballer vom TSV Ebergötzen. Das spätbarocke Hauptgebäude ist das ehemalige Forstamt Radolfshausen. Auf dem Gelände des Museums fallen uns aber zuerst die zwei Mühlen ins Auge: Eine voll funktionstüchtige Bockwindmühle, die bis 1974 voll in Betrieb war, und eine Wassermühle, die so laut klappert, dass wir kein Kinderlied singen müssen, um zu erklären, was da vor sich geht.

Jahrhunderte alte Technik

Diese Wassermühle ist beim ersten Hinsehen nicht mehr als ein flacher Schuppen aus schwarzbraunem Robinienholz. Wir erreichen sie über eine schmale Brücke. Der kleine Auebach treibt das Rad unterschlächtig an. Das heißt, die Erbauer haben sich nicht die Mühe gemacht, das Wasser über eine Rinne von oben auf das Mühlrad zu führen, was die Wasserenergie deutlich effizienter ausnutzen würde.

Aus technischer Sicht ist die Mühle antik. „Sie ist der Prototyp einer römischen Wassermühle“, erklärt Bruinjes. Obwohl sie erst Anfang des 16. Jahrhunderts im Osttiroler Gerlostal gebaut wurde. Aber es gab bis zu Beginn der Industrialisierung praktisch keine grundlegenden technischen Veränderungen im Mühlenbau. Das liege gar nicht so sehr daran, dass das Gerlostal eine abgeschiedene Gegend sei, sondern daran, dass es für die Müller keinen Bedarf für technische Verbesserungen gegeben habe.

Die Mühle erfüllte so, wie sie war, ihren Zweck. Effizienz oder Rationalisierung spielten keine Rolle. Deshalb ist sie technisch auf dem Stand von vor 2000 Jahren. „Sie finden praktisch keine primitivere Mühle“, meint Bruinjes. Und sie entspricht damit ungefähr den Mühlen, die sich aus antiken Quellen rekonstruieren lassen. Beispielsweise dem Grabmal des Bäckers Eurysaces in Rom, auf dem der Verlauf der Brotherstellung dargestellt wurde.

Diese Wassermühle wurde 1971 nach Niedersachsen geholt und wieder aufgebaut. Sie markiert die Eröffnung des Brotmuseums. Damals noch im nahen Mollenfelde. Heute hat der Verein zum Museum ungefähr 100 Mitglieder, und ist gut etabliert in der Region und in Fachkreisen. „Besonders stolz sind wir darauf, dass wir uns durch Eintritt und Beiträge selbst finanzieren. Das kann kaum ein Museum in Deutschland von sich behaupten.“ Landrat, Getreideforscher und Backgewerbe gehören zu den Vorstandsmitgliedern, so dass der Bestand keineswegs gefährdet ist. Im Gegenteil, durch den Umzug nach Ebergötzen verfügt das Museum über deutlich bessere Bedingungen zu wachsen.

Brot aus dem römischen Lehmbackofen

Zu Gute kamen dem Brotmuseum auch die aufsehenerregenden Ausgrabungen beim südniedersächsischen Hedemünden, die das bisher einzige Römerlager östlich von Werra und Weser zu Tage förderten. Zu den Funden gehören unter anderem drei Lehmbacköfen. Im Garten des Museums finden wir deshalb eine Rekonstruktion eines römischen Backofen.

Etwas blöd ist aber, dass wir in den Ausstellungsräumen Brot nur zu sehen bekommen. Zwar hat unsere sechsjährige Tochter ein Quiz zur Ausstellung auf einer Din A4-Seite mitbekommen. Aber dessen Reiz lässt nach, als sie die Länder nennen soll, aus denen die gezeigten Brote stammen. Wir verstehen natürlich, dass wir dem Museum nicht die Exponate wegfuttern können. Aber es ist schon ein seltsamer Genuss, Brote ausschließlich anzuschauen. Denn normalerweise wird sonntags im Brotmuseum gar nicht gebacken.

Anders wird das am 18. Mai dieses Jahres zum internationalen Museumstag sein. Dann können Besucher panis militaris (also das Brot römischer Legionäre; Anm. d. Red.) am römischen Lehmofen backen, unter der Anleitung von Stephan Sauerland (kultec). Wer es lieber mit den Mühlen hält, sollte sich bereits Pfingstmontag, 12. Mai, vormerken. Dann ist deutscher Mühlentag und im Brotmuseum stellt Otto Warmbold, letzter echter Müller auf der Bockwindmühle, seine Mühle vor.

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