Poseidonia / Paestum Malerei für die Ewigkeit

Erstmals werden die Grabgemälde im Zusammenhang gezeigt. © Bucerius Kunst Forum / Ulrich Perrey

1787 schwärmt Goethe im italischen Paestum über „Tempel und Denkmale einer ehemals so prächtigen Stadt“. Viele ihrer Grabfresken werden jetzt erstmals vollständig gezeigt. Die Bilderschau in Hamburg läuft noch bis 20. Januar 2008.

Poseidonia – Paiston – Paestum

Die Stadt Poseidonia war eine der griechischen Stadtkolonie-Gründungen in Süditalien. Diese Siedlungen hatten einen hohen Organisationsgrad und versuchten, zu wirtschaftlichen und religiösen Zentren aufzusteigen. Mit der militärischen Eroberung durch die italischen Lukaner ändert sich zunächst wenig. Der Name der Stadt wurde jedoch in Paestum geändert. Erst mit dem 4. Jahrhundert vor u.Z. bilden sich besondere Strukturen heraus, die die Organisation der lukanischen Gesellschaft widerspiegeln. Archäologische Forschungen sind neben den Beschreibungen zeitgenössischer griechischer Autoren die einzigen Informationsquellen, denn die Lukaner selbst hinterließen keine Schriftzeugnisse.

Die Stadt der Toten

Unter den rund 1000 Einzelgräbern vor den Toren der Stadt finden sich 80 Gräber, die mit Malereien ausgestattet sind. Bei den im Laufe des 4. bis 3. Jahrhunderts vor u.Z. angelegten Kammergräbern aus Sandsteinplatten handelt es sich um die Gräber der Oberschicht: Der Magistrat, die Ritter und ihre Angehörigen wurden mit üppigen und wertvollen Beigaben in im Boden versenkten Grabhäusern bestattet. Diese Grabsitte bildet im Mittelmeerraum keine Ausnahme, die Besonderheit der lukanischen Gräber sind jedoch die bunten Malereien.

Die Ausführung der Malereien erfolgte auf dem frischen Verputz in der so genannten Fresco-Technik. Die vorgefertigten und bis zu einer Tonne schweren Platten aus Travertin wurden mit Hilfe von Flaschenzügen in den Boden eingelassen, die Gemälde entstanden im bereits errichteten Grab unter großem Zeitdruck, denn im feuchten und warmen Klima der Stadt musste die Bestattung noch am Todestag erfolgen. Die Kammern sind sehr klein angelegt, so dass die Maler zusätzlich unter sehr beengten Bedingen gearbeitet haben. Nach der Bestattung wurden die Gräber mit Kalksteinplatten geschlossen und ein Grabhügel aufgeschüttet. Neben diesen Einzelgräbern wurden auch Kammergräber als Familiengräber angelegt. Die ebenfalls aus Sandsteinplatten angelegten Kammern, die unter einen aufgeschütteten Hügel mit einem Gang verbunden waren, wurden erst zur Bestattung individuell hergerichtet.

Die Bilder

Die üppigen Gemälde waren nicht zum Betrachten bestimmt, sondern ein reiner Bestandteil der Bestattungskultur. Der Glaube an ein Leben nach dem Tode wird in den Szenenfolgen plastisch widergespiegelt. Das Bildprogramm von Gräbern für Männer und Frauen ist sehr unterschiedlich. Die Männer kehren als Heroen aus dem Kampf mit Rüstung zu Pferd zurück, in einigen Fällen mit Gefangenen, und werden von einer eindrucksvollen Frauengestalt mit einem Getränk begrüßt. Leichenspiele sind ebenfalls dargestellt: Wagenrennen und Boxkämpfe, aber auch Jagdszenen. Die Gräber von Frauen spiegeln den häuslichen Bereich, aber auch die Trauer um die Toten wieder. Gezeigt sind Trauerzüge mit Klagefrauen, Prozessionen mit Opfergaben wie Eiern und Granatäpfeln und kleine Tischchen mit Gefäßen. Friese mit Ornamenten, Fabelwesen und immer wieder Darstellungen von Granatäpfeln finden sich übergreifend in den Gräbern von Männern, Frauen und Kindern.

Die Qualität der Gemälde ist unterschiedlich und spiegelt auch die Entwicklung der Malerei wider. Die frühen Abbildungen wirken noch zweidimensional und schlicht, die späten sind lebendig, räumlich und voller Leben. Durch die hervorragende Erhaltung sind die Farben der Bilder frisch und auffallend plastisch.

Forschung

Um 1750 wurden die gewaltigen Tempel von Paestum in der damals noch sumpfigen Landschaft wiederentdeckt. Schon bald wurden die vermutlich am besten erhaltenen griechischen Großbauten Gegenstand der Forschung. Bis heute laufen Grabungen, die 1960 zur Entdeckung der Gräber mit den Malereien geführt haben. Die Lage und der Eindruck der Tempel zog schon bald Künstler und Reisende an. Ein besonders bekanntes Beispiel in der Literatur findet sich in der „Italienischen Reise“ von Johann Wolfgang von Goethe (1787).

Die Ausstellung in Bucerius Kunstforum

Auf 450 Quadratmetern im Erdgeschoss und weiteren 180 Quadratmetern im Untergeschoss werden die Grabfresken aus Paestum zum ersten Mal seit der Auffindung wieder zusammengesetzt gezeigt. Um den Eindruck der Gräber wiederzugeben, wurden die Sandsteinplatten wie in der Fundsituation zusammengesetzt – insgesamt 43 Grabplatten. Den Gräbern zugeordnet werden die kostbaren Grabbeigaben in Vitrinen gezeigt. Besonders eindrucksvoll ist eine komplette Rüstung aus Bronze, sowie der zugehörige Bronzegürtel, die sich beide detailgetreu abgebildet in den Grabgemälden wiederfinden.

Neben den archäologischen Funden spielt auch der Bereich der künstlerischen Wiedergabe der berühmten Tempel in der Bildenden Kunst zwischen 1750 und 1850 eine große Rolle. Das Spektrum der 55 Gemälde, Radierungen und Zeichnungen reicht von Veduten Antonio Jolis bis hin zu den Radierungen Giovanni Battista Piranesis. Eine solche Auswahl wird erstmals in Deutschland gezeigt. Die besondere Faszination der Tempel belegen neben den Bildern auch Reisetagebücher und Journale. Etwas ganz besonderes sind die maßstäblichen Korkmodelle der Tempel, die als Architekturstudien durch Piranesi 1777 in Auftrag gegeben wurden.

Die Konzeption der Ausstellung erarbeitete Professor Bernard Andreae, der ehemalige Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom. Dr. des. Nina Simone Schepkowski, wissenschaftliche Volontärin am Bucerius Kunstforum, hat den zweiten Teil der Ausstellung, die Rezeptionsgeschichte der antiken Tempel, konzipiert.

Kunst und Archäologie zusammengebracht

Mit sehr hohen Erwartungen, geweckt durch die ebenfalls von Professor Andreae konzipierte Etrusker-Ausstellung 2004, bin ich nach Hamburg gefahren. Die Ausstellungsräume des Bucerius Kunstforums sind im Vergleich zu damals völlig anders gestaltet. Die Gräberaufbauten sind in einem hellen Saal übersichtlich präsentiert. Wie auf dem Gräberfeld selbst geht man von einem Grab zum anderen. Die Beigaben sind in den Wandvitrinen zusammengefasst. Die Zuordnung ist durch die vorbildlichen Tafellösungen mit kleinen Abbildungen der Funde einfach und übersichtlich. Die Tafeln bieten genügend Informationen, so dass man auch ohne Audioführung gut zurecht kommt, denn sie sind in großer, gut lesbarer Schrift ausgeführt. Alle Exponate sind hervorragend beleuchtet und von allen Seiten sichtbar. Die Gemälde und Modelle im Erdgeschoss sind so präsentiert und angebracht, dass auch man gern näher hinsieht, selbst wenn Malerei nur ein Nebeninteresse ist. In diesem Teil der Ausstellung finden sich auch die Korkmodelle.

Überwältigend dagegen ist die Präsentation im dunkler gehaltenen Untergeschoss. Hier sind die größeren Grabbilder als Umgang angebracht. Die Lebendigkeit der Darstellungen wird durch die Präsentation besonders hervorgehoben. Es ist allerdings noch hell genug, um alle Details sehen und wahrnehmen zu können. Die Journale und Reiseberichte sind ebenfalls im Untergeschoss zu finden. Vor dem Ende der Ausstellung – also auch kurz vor dem netten Museumscafé – ist ein Kinoraum untergebracht. Der Begleitfilm rundet das Informationsangebot ab. Im Museumsshop findet man eine hervorragende Auswahl an Literatur zum Thema der Ausstellung.

Die Ausstellung ist nicht zum Anfassen und Mitmachen. Aber das ist auch nicht nötig. Die Präsentation ermöglicht die Ruhe, sich auf die Exponate einzulassen. Beleuchtung und offene Zugangsmöglichkeit lassen es zu, Details zu erkennen und zu sehen. Ich habe es als angenehm empfunden, dass Gräber auch still und feierlich sein dürfen. Durch den schönen hellen Raum sind die Stücke nicht nur Exponate, sondern geben auch die Möglichkeit, den Gedanken an die zeitgenössische Philosophie nachzuhängen, sowohl in der Antike wie auch bei den Gemälden und Reiseberichten.

Der Katalog zur Ausstellung

Im Katalog finden sich eingangs knappe Aufsätze zum historischen Kontext, zur Stadt und zu den Gemälden, die sehr gut lesbar sind, und einen guten Einstieg zum Katalogteil der Gräber und Beigaben geben. Im Katalogteil finden sich hervorragende Fotos der Exponate und übersichtliche Beschreibungen. Jedes gezeigte Grab ist kompakt, aber umfassend beschrieben. Es lohnt sich, die Texte sorgfältig zu lesen: Denn hier finden sich neben ausführlichen Informationen auch überraschende Details. Die Beschreibungen der Grabbeigaben sind jeweils zugeordnet. Der Katalogteil überzeugt durch die hervorragenden Bilder, die Informationen und seine Übersichtlichkeit.

Auf den folgenden rund 70 Seiten wird die künstlerische Rezeption zwischen 1750 und 1850 behandelt. Die übersichtliche Gestaltung und der gut lesbare Text locken auch Leser, die weniger an Kunst interessiert sind. Ein Aufsatz zu den Korkmodellen der antiken Tempel bildet den Abschluss

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