Handwerk Spezialisten ohne politische Macht

"Die Axt im Hause spart den Zimmermann" - dieses Sprichwort scheint direkt aus den Tiefen des Mittelalters zu kommen. Es redet der stark verbreiteten autarken Lebensweise das Wort. Vor allem im ländlichen Bereich galt: Was du brauchst, musst du dir selbst erschaffen, seien es Lebensmittel oder die Gerätschaften zur Produktion derselben. Und doch kamen irgendwann selbst die Dorfgemeinschaften nicht ohne ihre handwerklichen Spezialisten aus, die ihr Fach mit großer Meisterschaft beherrschten.

Bereits das Frühmittelalter kennt Handwerker, die ihr Können mit künstlerischer Gestaltungskraft zu verbinden vermochten – vor allem im Bereich der Metallverarbeitung. Doch neben der Gestaltung von Luxuswaren wollten auch die frühen Grundherren ihre Wohnstätten nicht nur nach militärischen Gesichtspunkten errichtet wissen. Ein Bedarf an guten Steinmetzen, Maurern und Bauhandwerkern war also stets da. Die Fronhöfe brauchten auch geschickte Hände, die mit Stoffen, Leder, Holz und Keramik umgehen konnten. Was zusammen genommen zu einem durchaus repräsentativen Hausstand führte.
Indessen – der einfache Freie fertigte die meisten seiner Gebrauchsgüter selbst. Auf dem Land gab es daher bis ins hohe Mittelalter kaum berufliche Spezialisierungen. Die traten erst auf, wo größere technische Einrichtungen angeschafft wurden, etwa in der Müllerei. Doch schon hier griffen wiederum sehr schnell die Grundherren ein, um durch diese Spezialisten ihre Einkünfte zu verbessern. Die Geschichte kennt so manche Fehde, die um Mühlen gefochten wurde.
Es war die Entwicklung der Städte, die zur Bildung von Berufsständen führte. Handwerklich begabte Menschen zogen immer wieder von Fronhofsverbänden weg in die Stadt (siehe Bürger). Die entstehenden Märkte mussten eine wachsende Nachfrage befriedigen. Auf diese Bedürfnisse stellten die Handwerker ihre Produktionsweise ein. Weg von der Auftragsarbeit (die es natürlich immer gab) hin zur Vorratshaltung, um auf den Markt verkaufen zu können. Zwischen den Marktterminen boten die Menschen ihre Waren bald auch in eigenen Verkaufslokalen an.
Die Zünfte (siehe Zunft) regelten bald Produktion und Vertrieb der Waren. Die zunehmende Konzentration von Handwerkern in den Städten sorgte nicht nur für Konkurrenzdruck, sondern auch für eine stete Qualitätssteigerung. Deutlich wurde dies etwa bei den Metallhandwerkern, deren Produkte seit dem 12 Jh. zu jäher Blüte reiften. Ein hoher Grad der Spezialisierung ließ für die Kunden bei Messern, Geschirr, Waffen- und Rüstungsschmieden kaum noch Wünsche offen. Selbst nach Metallsorten wie Zinn, Messing oder Bronze spezialisierten sich die Handwerker. Eine ähnliche Entwicklung nahm das Textilgewerbe.
Jede technische Neuerung brachte neue Berufe hervor. Es gab Spezialisten für mechanische Instrumente (etwa Räderuhren), die neuartigen Feuerwaffen verlangten nach geschulten Handwerkern, die Erfindung des Papiers brachte eine neue Zunft zur Blüte und die Buchdruckerei wurden vor allem im 15 Jh., mit der Erfindung der beweglichen Lettern, ein sehr mächtiges Gewerbe.
Im Spätmittelalter machten die Handwerker in vielen größeren und mittleren Städten bis zur Hälfte der Bevölkerung aus. Dennoch konnten sie nur selten eine, diesem Faktum entsprechende, politische Mitsprache erreichen. Nicht selten führte dieser Widerspruch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den eigentlichen Führungsschichten, den Patrizierfamilien. Geändert hat dies für die Handwerker allerdings wenig.

Quellen: Wilhelm Volkert; Adel bis Zunft, Ein Lexikon des Mittelalters; C.H.Beck; München; 1991

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1 Kommentare

  1. Jep!
    da tut mal was unheimlich not jetzt…

    05. März 2006, 01:03 Uhr • Melden?
    von Jürgen
    1

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