Buße Ein König unternimmt einen berühmten Gang

Wer herrschendes Recht brach, ganz gleich, ob das eines Grundherrn oder der Kirche (was oft genug auf das selbe hinaus lief), musste für Ausgleich sorgen, also Buße tun. Schon die germanischen Stämme hatten Ausgleichszahlungen durch den Rechtsbrecher an den Geschädigten oder dessen Familie vorgesehen. Dieses System lebte im Mittelalter fort.

Dadurch gedachte man der Fehde (siehe dort), also einem gewaltsamen Bruch des Landfriedens, entgegenzuwirken. Schon das 11. Jh. kennt hohe Geldbußen, die zum Teil an den Richter gezahlt werden mussten, womit die Zahlung nicht den Charakter einer Entschädigung bekam, sondern auch den einer Strafe. Allerdings hatte dieses System – Geld für gebrochenes Recht – auch Nachteile. Denn natürlich war es für den Straftäter leichter, mit Geld sein Vergehen zu sühnen als mit dem eigenen Blut (was allerdings nur für zahlungskräftige Täter galt).

Mit der zunehmenden Bedeutung des Landfriedens (vor allem seit dem 12 Jh.), nach dem der Fürst in seinem Territorium für Ordnung sorgte, wurde auch die Blutgerichtsbarkeit stärker angewandt – ein System der Körper- und Todesstrafen. Seit dem Spätmittelalter beispielsweise wurden letztlich nur noch leichtere Vergehen, wie kleinere Verletzungen oder Beleidigungen, mit Geldstrafen gesühnt. Die Buße ist seit dieser Zeit weitgehend identisch mit der Geldstrafe.

Ganz anders im kirchlichen Sprachgebrauch. Hier bezeichnet die Buße (paenitentia) die Sühne, die einem Menschen für dessen Sündenerlass auferlegt werden. Die Buße galt als Sakrament, das dem Sünder nach dessen Beichte und bewiesener Reue gespendet wurde. Allerdings wurden ihm zusätzlich so genannte Bußwerke auferlegt. Dazu zählten Gebete, die Teilnahme an Kreuzzügen und der Ablass durch Geldzahlungen (siehe Ablass).

Einen sprichwörtlichen Bußgang legte der Salierkönig Heinrich IV. im Winter 1077 zurück. In der Apenninenburg der Markgräfin Mathilde von Tuszien-Canossa lauerte der Papst Gregor der VII. auf die Botschaft des jungen Herrschers. Ein Jahr zuvor hatte der Papst Heinrich mit dem Kirchenbann (siehe Bann) belegt. Es ging um die Frage, wer denn in der Hierarchie höher stehe. Beide, gesalbter König und der Papst, beanspruchen das Primat für sich. Und in dem Streit hat das Kirchenoberhaupt seine mächtigste Waffe geschwungen – den Kirchenbann. Wer dem König treu bleibt, verliert sein eigenes Seelenheil! Dies könnte das Ende von Heinrichs Herrschaft bedeuten. Also entschloss sich der König, mit nur kleinem Gefolge beim Papst Abbitte zu leisten. Genau darin lag die einzige Chance: Ein bußfertiger Sünder darf auf die Gnade Gottes hoffen, was ihm auch nicht der höchste Priester, der Papst, verwehren darf. Heinrich musste also den Bußritus unbedingt einhalten – er erschien barfuß und im bloßen Hemd vor der verschneiten Burg von Canossa.

Der Papst ließ den Sünder einige Tage warten, doch schließlich ließ er ihn ein. Heinrich war wieder in Gnade aufgenommen – doch um welchen Preis! Das Erbe, das er seinen Nachfolgern hinterließ, war ein langer Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum. Heinrich hatte zwar die Schlacht gewonnen, er konnte wieder mit allem Recht seine Herrscherwürde tragen, doch der Krieg stand für lange Zeit unter einem schlechten Stern für die Kaiser. Aus diesem “Gang nach Canossa” schöpfte die Kirche eine unvergleichliche Kraft, denn jenseits aller politischen Ränke blieb eines: Der König bat den Papst um die Gnade der Buße.

Literatur: Wilhelm Volkert; Adel bis Zunft, Ein Lexikon des Mittelalters; C.H.Beck; München; 1991;
GEO-Epoche Nr. 10; Die Macht der Päpste; Gruner + Jahr; Hamburg; 2003

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