Karikaturen und Islam Der Prophet und der Bilderstreit

Zwölf dänische Karikaturen über den Propheten Mohammed brachten eine Lawine ins Rollen, die einmal mehr das Verhältnis zur islamischen Welt erschütterte. Handelsboykott, Angriffe auf westliche Botschaften und lautes Säbelrasseln in etlichen Ländern sind die Folge. Religiöse und politische Führer nutzen die Empörung der Moslems über die Karikierung des Propheten. Woher stammt dieses gewaltige Wut-Potenzial? Die Wurzeln liegen in der frühen Geschichte des Islams.

Der Prophet als Lichtgestalt

„Der Prophet des Islam genießt bei den Muslimen absolute Verehrung“, sagt Igor Pochoshajew von der Theologischen Fakultät der Universität Rostock. Der Lehrstuhl für Kirchengeschichte der Fakultät bereitet derzeit ein Forschungsprojekt vor, das sich mit den religiösen Verhältnissen im islamischen Emirats von Cordoba des 9. Jhs. beschäftigt. Unter islamischer Dominanz herrschte hier eine weitgehend friedliche Koexistenz zwischen Moslems, Christen und Juden. Dazu gehörte auch die Auseinandersetzung mit der jeweils anderen Religion. Zwei Zeitgenossen, Alvar von Cordoba und Eulogius, berichteten in ihren Schriften über christliche Polemik gegen den Islam – und die Reaktionen. Das wollen die Rostocker Wissenschaftler genauer analysieren. Die Forscher sehen eine gewisse Analogie zu den gegenwärtigen Auseinandersetzungen. „Eine Analyse kann beitragen, die Gegenwart besser zu verstehen“, meint Pochoshajew.

Im Mittelalter nannten christliche Autoren die Moslems „Heiden“ (umgekehrt war es nicht anders). Fälschlicherweise bezeichneten sie sie als Mohammedaner oder nannten ihren Gott „Mahomet“. Der Irrtum beruhte indes auf einer wesentlichen Erkenntnis: Dem engen Zusammenhang der Religion mit Mohammed.

Mohammed – das ist die Leitfigur für den gläubigen Moslem schlechthin. Er spricht dessen Namen selten aus, ohne eine religiöse Formel anzuhängen. Etwa diese: „Gott bete für ihn und der Friede sei über ihn“. Die Bedeutung Mohammeds gründet sich auf den Umstand, dass er die Offenbarungsschrift des Islam – den Koran – empfing und die koranische Lehre beispielhaft verwirklichte. Der Koran und die Überlieferungen des Propheten (die Hadithe) dienen dem Gläubigen als indiskutable Richtschnur für sein Leben. Jeder Angriff auf den Propheten käme damit einem Angriff auf die Religion an sich gleich. Schmähungen gegen den Propheten führten in der Vergangenheit oft zu Todesstrafen.

Trauriges Beispiel dafür ist die Todesdrohung gegen Salman Rushdie, den Autoren der „Satanischen Verse“. In dem Buch sah Irans Ayatollah Khomeini 1989 eine Lästerung gegen Gott und den Propheten.

Der Grundstein des Glaubens

Im Islam gibt es eine Reihe von Propheten, die das Wort Gottes verkündeten. Das schließt auch jüdische und christliche Traditionen ein. Große Achtung unter den Moslems genießt auch Jesus als ein bedeutender Prophet. Auch ihm gebührt die Formel „Friede sei über ihm“, sobald sein Name ausgesprochen wird. Die Moslems sehen in Jesus aber nicht Gottes Sohn und auch nicht den Verkünder der letzten Wahrheit. Dieser Platz steht im Islam nur Mohammed zu, er ist der Vollender, der als Einziger die vollständige und wahre Botschaft überbrachte. Das religiöse Glaubensbekenntnis – die Schahada – beruht auf diesem Glauben.

Jeder, der den Islam als seinen Glauben annimmt, spricht folgende Worte: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Allah gibt und das Mohammed der Gesandte Gottes ist.“ Mit diesen Worten verleihen die Moslems seit dem 7. Jh. ihrer Frömmigkeit Ausdruck.

Wie sehr Mohammed im Islam verehrt wird, zeigt auch das Beispiel der drei heiligsten Stätten. Sie beziehen sich auf das Leben des Mohammed. In Mekka trat er als Prophet auf, in Medina liegt sein Grab. Und in Jerusalem gibt es auf dem Tempelberg einen Stein, der nicht nur den Juden besonders heilig ist (als „Felsen der Gründung“, weil Jahwe hier Adam erschuf). Nach der 17. Sure des Koran stieg Mohammed von diesem Felsen in den Himmel auf. Als Zeugnis sehen die Moslems hier einen Fußabdruck des Propheten. Über diesen Felsen ließ der Omajjaden-Kalif Abd al-Malik 691 den Felsendom bauen (prominenter Nachbar: die Al-Aqsa-Moschee).

Mohammeds Gesicht – seit Jahrhunderten tabu

Die Karikaturen über Mohammed enthalten aber weiteren Zündstoff: Die Tatsache selbst, dass Bilder des Propheten verbreitet werden – und das von europäischen Medien. Die islamische Tradition schließt seit ihrem Aufkommen ein Quasi-Bilderverbot ein. Die islamische Kunst ist von diesem Gebot geprägt. Nicht umsonst entwickelten die muslimisch-städtischen Kulturen vom Nahen Osten bis nach Spanien eine reiche Ornamentik und eine ausgeprägte Kalligrafie.

Für das Gebot ist die Überzeugung entscheidend, dass alle Bilder im Prinzip darauf warten, belebt zu werden. Doch nur Allah ist in der Lage, Leben zu schenken. Jede figürliche Darstellung, vor allem von Menschen, muss nach dieser Vorstellung eine Anmaßung des Künstlers bedeuten. Um wie viel mehr muss ein Verstoß die Gemüter bewegen, wenn der Dargestellte ausgerechnet Mohammed ist. Natürlich gab es stets Ausnahmen, vor allem in der persischen Miniaturkunst. Doch eine Grenze wurde niemals überschritten: Bei Darstellungen des Propheten bleibt sein Gesicht stets verschleiert oder verbirgt sich hinter einem Nebel.

Das „Bilderverbot“ ist im Koran selbst wenig umrissen. Aber die Überlieferungen – die Hadithe – enthalten unter anderem den Ausspruch, dass „kein Engel jemals ein Haus betritt, in dem sich ein Bild oder ein Hund befindet“. Jeder, der dennoch ein Bildnis anfertigt, müsste nach dem Jüngsten Gericht vergeblich versuchen, seinem Kunstwerk Leben einzuhauchen.

Die Doktrin gründet sich vermutlich auf handfeste politische Umstände zur Zeit Mohammeds. Der junge Islam musste sich gegen einen älteren Glauben durchsetzen, der durch archaische Götterbildnisse und bildliche Symbole geprägt war. Die „Bilderstürmerei“ half, den neuen islamischen Glauben durchzusetzen. (mas/idw)

Der Kommentar

So begründet der Zorn über die Karikaturen sein mag – so bizarr ist die oftmals überzogene Reaktion darauf. Natürlich verwenden religiöse und politische Führer in Teilen der muslimischen Welt den Skandal für ihre Zwecke und heizen die Stimmung weiter auf. Man kann es sich einfach machen und „den“ Moslems schlicht eine unerklärliche Wut auf alles Westliche andichten. Mit einer solchen Verallgemeinerung würde allerdings denen Recht gegeben, die pauschal vom „Kampf der Kulturen“ sprechen. Das kann kaum weiterhelfen.

Was bedeutet all das letztendlich auch für Darstellungen in der Mittelalterszene? Akteure, die sich im Frühmittelalter und vor allem im Hochmittelalter bewegen, begegnen seit Jahren auch Darstellern muslimischer Krieger und Händler. „Kann ein Nicht-Moslem einen islamischen Charakter darstellen?“ – Diese Frage stellte ein Akteur einmal im Diskussionsforum der Szene-Plattform „Tempus Vivit“. Die Antwort lieferte er gleich selbst: „Er müsste sich zumindest sehr intensiv mit dem Islam beschäftigen, um ein fundiertes Wissen zu erlangen.“ Besser könnte man das kaum ausdrücken.

Zunächst einmal: Der Streit um künstlerische Ausdrucksformen wie den dänischen Karikaturen darf nicht dazu führen, dass es nun gar keine Auseinandersetzung mit islamischer Geschichte gibt. Das schließt auch die Auseinandersetzungen zwischen Christentum und Islam im Mittelalter ein. Es ist im Gegenteil zu wünschen, wenn diese historischen Aspekte bei einschlägigen Veranstaltungen mehr Gewicht bekämen. Hier liegt die Verantwortung bei Veranstaltern und Darstellern gleichermaßen.
Allerdings erfordert das ein gutes Fingerspitzengefühl. Und zwar unabhängig davon, ob ein Akteur mehr Wert auf ein stimmiges Rollenspiel oder die möglichst authentische Darstellung eines Sarazenen legt. Jede öffentliche Veranstaltung hat eben auch Publikum.

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3 Kommentare

  1. Vielen Dank, das Ihr dieses Thema aufgreift, die Berichterstattung in vielen Medien ist alles andere als objektiv, erinnert in weiten Teilen tatsächlich der Vorbereitung auf einen Kampf der Kulturen.

    Ich behaupte, kein Mitteleuropäer kann einen Sarazenen glaubhaft darstellen, auch jeder Versuch, durch intensives Studium islamischer Kultur Verständnis für dieselbe zu erlangen, ist meiner Meinung nach vergebens. Warum? Wir kennen Ihre Ängste nicht.
    Mir scheint dieser Kulturkreis teilweise verhaftet im Dunklen Mittelalter:
    Mit einem kollektiven, neidvollen Minderwertigkeitsgefühl gegenüber der westlichen Welt.
    Schätze, das sich in nicht allzuferner Zukunft in “christlichen” Kreisen genauso einfach ausreichend Dummköpfe finden lassen einen neuen, ultimativen Kreuzzug auszurufen, George W. vorneweg, das ist dann allerdings kein Spiel.
    Luther sei es gedankt, das in unseren Kirchen auch darüber gelacht werden darf!
    Ich möchte meine Söhne nicht als Krieger ausbilden.
    So, und jetzt hisse ich den Dannebrog und warte mal ab, ob Ihr diesen Text ins Netz stellt……..

    Hugbertus Microfilius

    05. März 2006, 01:03 Uhr • Melden?
    von Microfilius
    1
  2. Dieser Artikel einfach super

    19. Mai 2006, 18:05 Uhr • Melden?
    von Rüdi
    2
  3. Ich finde es super, dass Sie dieses Thema hier aufgreifen und qualitativ damit umgehen!Keine Fehlinformationen zu finden und doch deutlich!Schön geschrieben!

    13. Mai 2008, 15:05 Uhr • Melden?
    von Din
    3

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