Reisebericht Auf Kreuzfahrerspuren in Israel

Blick über Jerusalem mit dem Felsendom im Hintergrund. © Marcel Schwarzenberger

Eine Reise, die 2009 durch Israel und Jordanien führte. Hinein in die Geschichte, zu touristischen Juwelen und aktuellen Themen des Nahen Ostens. Dieser Bericht folgt den Spuren eines gewissen Friedrichs II.

Ein Dichter gerät in Rage

„Wem das Leben verleidet ist“, schrieb der Dichter zornig, „der braucht nur nach Akkon zu gehen. Da findet er den Tod.“ Der Mann, der diese – frei aus dem Mittelhochdeutschen übersetzten – Zeilen schrieb, hatte keine blutigen Schlachten im Sinn. Freidank, ein vermutlich aus dem süddeutschen Raum stammender Dichter, ließ seinen Unmut über das angebliche Lotterleben in einer der wichtigsten Hafenstädte des Königreichs Jerusalem aus. In seiner um 1230 entstandenen „Bescheidenheit“ schrieb sich Freidank den Unmut von der Seele. Zwischen Christen und „Heiden“, also den Muslimen, konnte der damals frisch in Akkon eingetroffene Pilger kaum unterscheiden. „Einer treibt’s wie der andere“, wetterte er. Den Pilgern, die es wie Freidank nach Outremer zog, setzte das ungewohnte Klima zu. Auch Sitten und Umgangston waren anders als es die europäischen Ankömmlinge von daheim kannten – viele fühlten sich von den Einheimischen „gerupft“, wie es Freidank ausdrückte.

Man darf vermuten, dass sich Freidank seine Ankunft im Heiligen Land in schönsten Farben ausmalte. Vielleicht hatte er jahrelang auf diesen Augenblick gewartet und in der Fahrt des Stauferkaisers Friedrich II. von 1228 die Chance seines Lebens gewittert. Tausende Pilger – von Kreuzfahrern sprechen erst spätere Generationen – waren durchaus nicht nur aus blinder Gier nach Reichtum in den Orient gezogen. Die Sehnsucht nach dem Land, in dem Christus erschien, ließ die Menschen scharenweise nach Palästina strömen. Akkon war das Portal, durch das über beinahe 190 Jahre hinweg Reisende aus Europa das Heilige Land betraten, sofern sie den Seeweg wählten. In der Hafenstadt bekamen sie es mit einem einzigartigen Mikrokosmos zu tun; mit einer Mischung aus orientalischem Flair und wirtschaftlichen wie politischen Grabenkämpfen.

Akkons wahrer Schatz

Akka, Akko, St. Jean d’Acre – die Stadt hat viele Namen. Ich sitze in einem der Hafenrestaurants am kleinen Jachthafen. Wie ein schützender Arm legt sich eine Kaimauer um das Hafenbecken mit seinen Anlegestellen. Die Boote schaukeln sanft in der leichten Brise. „Ptolemais“ heißt das Gasthaus, in dem der obligatorische Minztee, warmes Fladenbrot und ein Teller Hommos mit saurem Gemüse gereicht wird.

Ptolemais; so hieß die Stadt zur Zeit der Ptolemäer, die von Ägypten aus über die Region herrschten, bevor die Seleukiden sie ihnen abnahmen. Das war in einem der syrischen Kriege, die die beiden Großmächte im ausgehenden dritten Jahrhundert vor Christus miteinander ausfochten. Ptolemais war und blieb ein weitgehend selbstständiger Stadtstaat. Später durchlief Akkon eine beschauliche Karriere als Bischofssitz und als blühendes Handelsstädtchen in byzantinischer Zeit. Doch erst die muslimischen Herrscher nutzten das so richtig aus, was Akkons eigentlicher Schatz war: die gut geschützte Bucht. Der erste Umayyadenkalif Muawiya I. (regierte 661 bis 680) ließ Werften an dem bis dahin wenig bedeutenden Ort bauen. Ahmad ibn Tulun, Begründer der türkischen Tulunidendynastie, sorgte für den Ausbau von Akkons Befestigungen. Das nördlich gelegene Tyros, an dem sich schon die Truppen Alexanders des Großen die Zähne ausbissen, soll nach den Berichten arabischer Chronisten Vorbild gewesen sein. Die neuen Mauern, deren Fundamente am Meeresboden verankert waren, hatten Akkon künftig auch vor Angriffen von See aus zu schützen. Mit einer solchen Ausstattung versehen war die Hafenstadt bereit für die wichtigste Phase in seiner Geschichte.

Das pure Mittelalter?

Gegen Abend weht ein frischer Wind über Akkon. Die Gassen zwischen alten Mauern und den hohen Fronten ebenfalls alter Wohnhäuser erwachen zu einem ganz anderen Leben als es in der Hitze tagsüber möglich ist. Ganze Familien schlendern zum Hafen, wo die Kleinen auf riesigen Felsblöcken vor der Mole klettern und die Erwachsenen Snacks bei fliegenden Händlern kaufen oder ihre Stühle für einen Plausch zusammenrücken.

Akkon atmet eine orientalische Lebendigkeit, wie sie auch – wenn auch einige Nummern größer – in die Souks von Damaskus oder Kairo passen würde. Die israelische Flagge auf den höchsten Gebäuden täuscht. Akkon ist eine beinahe durch und durch arabische Stadt. Zumindest gilt das für die Altstadt, die noch heute zwischen wuchtigen Mauern und dem Meer ein faszinierendes Gewirr aus schmalen Straßen, labyrinthischen Gängen, unverhofft auftauchenden Plätzen, Moscheen sowie hier und da einer Kirche bietet. Akkon hat sich seine Ursprünglichkeit bewahrt. Ganz zu Recht gehört die Altstadt inzwischen zum Weltkulturerbe der UNESCO. Es fällt leicht, sich vorzustellen, dass diese Dächer und diese Mauern einst der Anblick waren, den auch Freidank und das Heer Friedrichs erlebten, als der Kaiser 1228 vor der Stadt lagerte. Allein, dieser Vergleich ist falsch.

Im Grunde ist wenig von dem, was oberirdisch von Akkon zu sehen ist, wirklich mittelalterlich. Es mögen wohl Steine aus jener Zeit in den Häusern verbaut sein, auch die verwinkelt angelegten Viertel folgen alten Mustern. Aber das heutige Akkon ist im Wesentlichen ein Produkt des 18. Jahrhunderts. Lokale Herrscher wie Pascha Ahmed al-Jezzar bauten Akkon wieder auf, nachdem die Stadt als letzte Kreuzfahrerfestung 1291 in die Hände der Mamluken gefallen war und anschließend für Jahrhunderte in völliger Bedeutungslosigkeit dahindämmerte. Die neu erbauten Bollwerke taten 1799 noch einmal ihren Dienst. Damals hielten sie Napoleon und dessen französische Truppen davon ab, sich während des Ägyptenfeldzugs des Korsen an strategisch wichtiger Stelle festzusetzen.

Eine Stadt geht verloren

Wer das Akkon der Kreuzfahrerzeit sehen will, muss in den Untergrund gehen. Ich wähle eine Route, die am alten Landtor im Osten ihren Anfang nimmt: Die Salah-ad-Din-Straße, benannt nachdem Ayyubiden-Sultan, der den Kreuzfahrern 1187 bei Hattin eine vernichtende Niederlage bereitete und ihnen auch Jerusalem nahm, führt ins Herz der Stadt. Vorbei an der Ahmed-Jezzar-Moschee, die der Pascha 1781 an der Stelle der alten Kreuzfahrerkathedrale erbauen ließ, geht es zu Jezzars Zitadelle. Diese Festung erhebt sich über den Trümmern einstiger Johanniterherrlichkeit. Das ehemalige Verwaltungszentrum des Ordens, nach dem Fall Akkons 1291 zugeschüttet, liegt heute einige Meter unter der Zitadelle.

Der Weg führt durch restaurierte Räume, darunter die sogenannten Rittersäle, eine prächtige Halle mit Kreuzrippengewölbe, das in seiner schieren Größe beeindruckende Refektorium und schließlich durch niedrige Gänge, die kein Besucher mit Platzangst betreten sollte. Hier erzählen nackte Steine, an vielen Stellen betont modern restauriert, von der Geschichte. Ausstellungsstücke gibt es kaum. Aber die Grabplatte eines Ritters aus dem Jahr 1290, also unmittelbar vor der endgültigen Vertreibung der Kreuzfahrer, ist immerhin zu sehen. „Kreuzfahrerstadt“ lautet der Name des teilweise freigelegten Quartiers im Jargon der Fremdenführer und Touristiker.

1228 war der Staufer Friedrich also angetreten, einen alten Schwur einzulösen. Jahrelang hatte der junge, aber energische Monarch sein Erbe in Deutschland und in Italien gegen äußere und innere Feinde zu sichern gesucht. Und dabei seinen Kreuzzug immer wieder hinausgeschoben, was ihm die Exkommunikation durch Papst Gregor IX. einbrachte. Dennoch segelte Friedrich in seiner ganzen Herrlichkeit als Imperator Romanorum nach Akkon. Der Kaiser schickte sich an, Jerusalem allein durch Diplomatie zu erringen. Nach dem Debakel von Hattin hatte Salah ad-Din den Christen nur noch schmale Küstenstriche bei Antiochia, Tripolis und Tyros überlassen. Auch Akkon war für einige Jahre wieder muslimisch. Nach blutigen Schlachten und zähen Verhandlungen eroberte 1191 eine Allianz westlicher Herrscher um den englischen König Richard Löwenherz die so wichtige Hafenstadt für die Christen zurück. Den Muslimen, die mit Salah ad-Din von Sieg zu Sieg gezogen waren, stieß dieser Verlust bitter auf.

Baha ad-Din, der als Qadi das Richteramt in des Sultans Heer ausübte, war ein Augenzeuge der Kämpfe. Er hinterließ eine Chronik der Ereignisse. Der Orientalist Francesco Gabrieli nahm die Erinnerungen Baha ad-Dins in seine wunderbare Sammlung muslimischer Zeitzeugen (auf Deutsch unter dem Titel „Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht“ bei dtv erschienen) auf. Darin zitiert Gabrieli den bitter enttäuschten Qadi, der von der drohenden Übergabe der Stadt an die „Franken“ berichtet: „Das war eine der schmerzlichsten Mitteilungen, die die Muslime jemals erreichten, und sie traf hart, denn Akkon hatte das ganze Kriegsgerät des Küstenlandes in seinen Mauern, von Jerusalem, Aleppo, Ägypten und allen islamischen Ländern; außerdem waren dort die besten Emire des Heeres …“

Akkon war für die Christen wiederum der wichtigste Platz im Königreich, solange sich Jerusalem in muslimischer Hand befand. Und damit erklärt sich auch der besondere Mikrokosmos der Stadt. Hier wurden politische Entscheidungen gefällt. Als Hafenstadt samt Zollstation und Karawansereien diente Akkon auch als Umschlagplatz für Waren, die aus dem Osten herangeschafft wurden. Das machte die Stadt, egal, welche Fahne über ihren Mauern wehte, zu einem ständigen Sitz sowohl muslimischer als auch christlicher Kaufleute. Die Venezianer, Pisaner und Genuesen hatten ihre eigenen Viertel in der Stadt. Auch die Ritterorden nahmen in Akkon Quartier. Die Templer setzten sich an der zur offenen See weisenden Südwestecke fest. Zu ihrem Herrschaftsbereich gehörte die einstige Kirche von St. Andreas. An ihrer Stelle erheben sich heute die gelb getünchten Mauern der Johanneskirche, von Franziskanern im 18. Jahrhundert erbaut. Der sogenannte Templertunnel bietet Touristen einen weiteren authentischen Einblick in mittelalterliche Strukturen. Ein gut 100 Meter langes Teilstück des alten Gangs, der Tempelquartier, Hafen und die alte Zitadelle verband, ist geöffnet. Der Ritterorden der Deutschen entstand in Akkon; auch diese Kriegermönche bauten dort ihren Sitz aus. Die Orden trugen so manchen Revierkampf untereinander aus; in diesen Sog gerieten auch andere Parteien. So verbündeten sich die Johanniter mit den Genuesen, während der Templerorden zuweilen Venezianer und Pisaner bevorzugte. Die lokale Führungselite des Königreichs Jerusalem, die ihrerseits selten Ehrgeiz auf Einigkeit versprühte, komplettierte die hochexplosive Atmosphäre, auf die unbedarfte Pilger wie Freidank stießen.

Safed – die höchste Stadt

Die Schnellstraße 85 führt von Akkon in gut eineinhalb Stunden mit dem Bus in das Bergland von Galiläa hinein. Schimmerndes Grün bedeckt die runden Kuppen. Immer höher schraubt sich die Straße am Ende der Tour, kurz vor der Kleinstadt Safed (Tsfat). Die Fahrt führt bergan auf gut 830 Höhenmeter. Hinauf zur höchstgelegenen Stadt Israels, wo einst eine mächtige Kreuzfahrerfeste thronte und später jüdische Gelehrte einen Boom für Mystiker auslösten.

Dass es in Safed noch deutliche Spuren der Kreuzfahrer gibt, war nicht zu erwarten. Viel ist es dann auch tatsächlich nicht, was ich nach einer langen Kletterei – um Treppensteigen kommt in Safed kein Besucher herum – auf dem Burgberg finde. Ein kleiner Park mit sorgfältig angelegten Terrassen samt Mahnmal für die Gefallenen von 1948 dominiert den Hügel. Spärliche Mauerreste, die einst zur Zitadelle gehörten, flankieren das Ehrenmal. Dafür öffnet sich der Blick weit nach Süden, bis hin zu den rötlichen Bergen, die den See von Genezareth umgeben. Seine Wasserfläche leuchtet in zartem Blau auf, an seinem Westufer blinken die ersten Lichter von Tiberias in der beginnenden Abenddämmerung. Solche direkten Sichtachsen zu militärischen Standorten gaben oft den Ausschlag für die Gründung einer Festung. Das dichte Netz der Burgen war überlebenswichtig für die Kreuzfahrerstaaten.

Eine erste Burg errichteten die Christen zu Anfang des 11. Jahrhunderts, kurz nach ihrem Einmarsch in Jerusalem, auf dem Berg der kleinen Ortschaft Safed. Ihre Aufgabe: Schutz der nordöstlichen Grenze des eben gegründeten Königreichs Jerusalem. Wie so viele andere Festungen fiel auch Safed 1188 unter den heftigen Attacken von Sultan Salah ad-Din. Es wurde für einige Jahrzehnte ruhig um den Ort. Inzwischen hatte Kaiser Friedrich II. seine Verhandlungen mit Sultan al-Kamil abgeschlossen und nahm im März 1229 Jerusalem wieder in Besitz. Für zehn Jahre war zwischen Christen und Muslimen noch einmal ein Friedensvertrag ausgehandelt worden. Pünktlich mit Ablauf des Vertrags rückte eine neue Streitmacht, vornehmlich Truppen französischer Adliger, um Theobald von Champagne ins Heilige Land ein. Die Lage war für sie günstig: Unter den Erben Salah ad-Dins war Bürgerkrieg ausgebrochen. As-Salih Ismail, der Herr von Damaskus, bat die Christen um Waffenhilfe gegen seine Verwandten. Den Handel besiegelten die Templer, die über beste Finanzverbindungen nach Damaskus verfügten. Zum Dank wurden sie unter anderem mit dem Besitz von Safed belohnt.

Noch einmal besetzten also „Franken“ die Burg für kurze Zeit. Der Mamlukenführer Baibars riss die bestens ausgebaute Feste 1266 an sich. Die am Burgberg gewachsene Gemeinde wurde kurz darauf Hauptstadt einer arabischen Provinz. Doch die eigentliche Blütezeit kam für Safed zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Damals wanderten zahlreiche spanische Juden in Palästina ein, die sich vor der christlichen Eroberung Granadas in Sicherheit brachten oder später vertrieben wurden. Sie machten Safed zu einem geistigen Zentrum des jüdischen Mystizismus. Gemeinsam mit Jerusalem, Tiberias und Hebron zählt der Ort zu den vier heiligen Städten der Juden. Noch heute ist Safed ein Wallfahrtsort für Kabbalisten. In den Gassen ist das breite Englisch US-amerikanischer Juden allgegenwärtig, die zum Torahstudium ins galiläische Bergland reisen. Die mittelalterliche Moschee hingegen hat als Gotteshaus seit der Flucht der arabischen Bevölkerung vor den Kämpfen von 1948 ausgedient. Deren Viertel beherbergt jetzt eine Künstlerkolonie, deren Werke in der Moschee ausgestellt werden.

Galiläas Touristenhochburg

Der berühmte jüdische Gelehrte Maimonides, der in Kairo als Leibarzt Salah ad-Dins arbeitete, ließ sich nach seinem Tod 1204 in Tiberias beerdigen. Auch diese Stadt gilt als ein religiöses Zentrum des Judentums; immerhin war Tiberias schon in der Spätantike Sitz einer berühmten Talmudschule. Es geht indes nicht sonderlich heilig in Tiberias zu. Vom mystischen Charme Safeds ist die zum Touristenmagneten avancierte Stadt weit entfernt. Der See mit den heißen Quellen am Ufer, den berühmten biblischen Orten wie Kapernaum und dem obligatorischen Sankt-Peter-Fisch in jedem Restaurant ist zu verlockend. Und den Kulturreisenden folgte die Spaßfraktion auf dem Fuße.

Wer sich in Tiberias auf historische Pfade begibt, braucht einen gewissen Tunnelblick, der die aufdringliche Moderne aus Partystränden, Autoschlangen und Hotelchic ausblendet. Auf der Suche nach Mittelalterlichem stößt man unweigerlich auf schwarze Basaltmauern an der nördlichen Altstadtgrenze. Die Überreste der Kreuzfahrerfestung an der Tajar-Straße wirken wie zu lange in der Sonne geschmort. Restauratoren früherer Jahrzehnte mögen mit Akribie an die Sache gegangen sein. Heute eröffnet sich dem Besucher eine eher bedrückende Szenerie. Mauern und Türme könnten geradezu malerische Ruinen sein, aber sie wirken düster, schmuddelig und ungepflegt. Ungehindert wuchert Gestrüpp aus den Mauerfugen. Zudem haben die Osmanen die Zitadelle im 18. Jahrhundert erneuert und umgebaut. Dennoch vermag die Anlage, zusammen mit einigen Überresten im Archäologischen Park und einem daneben erhaltenen Stück Stadtmauer, einen Eindruck davon geben, wie die Herren des christlichen Fürstentums Galiläa einst residierten.

Ab 1099 kontrollierten die Kreuzfahrer Tiberias und das Umland. Das Ende kam mit Salah ad-Dins Feldzug von 1187. Tiberias war das erste Ziel, das der Sultan ins Visier nahm. Das christliche Heer unter König Guido von Lusignan rückte an. Die Muslime stoppten den Vormarsch in einer trockenen Hochebene, nur wenige Kilometer vom rettenden Wasser des Genezareth-Sees entfernt. Bei den Hörnern von Hattin, zwei unspektakulären Hügeln westlich von Tiberias, vernichtete der Sultan die christlichen Truppen. Auch die Stadt fiel an den Sultan. Nur für kurze Zeit setzten sich die Kreuzfahrer noch ein weiteres Mal darin fest – wie Safed war auch Tiberias der Lohn für eine zeitweilige Koalition mit as-Salih Ismail von Damaskus. Und wieder war es Baibars, der später die Stadt endgültig eroberte.

Sehnsuchtsort Jerusalem

Es gibt in der islamischen und in der jüdischen Welt nicht eben viel, das in seiner Heiligkeit dem Tempelberg in Jerusalem gleicht. Auch die Christen erhoben Jerusalem zum Zentrum ihres Glaubens. Dort war für sie der Messias gestorben. Ihr Nabel der Welt ist die Grabeskirche, nur wenige hundert Meter vom Tempelberg entfernt. Das Sehnsuchtsziel unzähliger friedlicher und bewaffneter Pilger während der Kreuzzüge.

Drei Tage lang hielt sich Friedrich II. nach seinem Verhandlungserfolg in Jerusalem auf. Die Stadt betrat er am 17. März 1229. Noch immer als Gebannter. Dennoch schritt der Kaiser mit einer feierlichen Prozession zur Grabeskirche. Deren Eingangsseite hat sich bis heute erhalten. Wie Friedrich trete ich durch das linke Tor des ursprünglichen Doppelportals ein, das rechte hatte Salah ad-Din 1187 zumauern lassen. Wie überhaupt der mächtige Kirchenbau noch immer in seinen Grundzügen ein Relikt der Kreuzfahrerzeit ist – im Wesentlichen im 12. Jahrhundert vollendet. Einen minutiös geplanten Triumphzug unternahmen der Imperator und sein Gefolge durch das Kircheninnere, vorbei an Gräbern der Könige Jerusalems, vorbei an Golgathakapelle und Salbungsstein, hin zur Rotunde mit der Grablege Christi.

Vermutlich wohnte Friedrich im seinerzeit südlich der Grabeskirche gelegenen Haus der Johanniter. Zwischen seiner Inszenierung als Triumphator und den Beratungen mit seinen Heerführern und den Abordnungen der Muslime dürfte er wenig Zeit für Besichtigungen gehabt haben. Chronisten berichten, dass der Kaiser immerhin den Tempelberg besuchte, dessen Gebäude weiter in Zuständigkeit der Muslime verblieben. Ob er auf seinem Weg dorthin auch einen Blick auf die St.-Anna-Kirche warf, ist unwahrscheinlich. Das Gotteshaus liegt an der nördlich vom Tempelberg gelegenen Straße, die zum Löwentor führt. Die Kirche gilt heute als eines der am besten erhaltenen Gebäude aus der Kreuzfahrerzeit. Um 1142 entstand sie an der Stelle, wo der Überlieferung nach das Elternhaus von Maria vermutet wird. Salah ad-Din widmete die Kirche zur Moschee um; im 19. Jahrhundert schenkte sie der Sultan den Franzosen.

Auch die wichtigsten Bauwerke auf dem Tempelberg gab es so schon zu Friedrichs Zeiten. Für den Nichtmuslim ist das Areal nur über einen Gang neben der Klagemauer zu erreichen. In der Mitte des Plateaus erhebt sich ein Felsen, den die Juden „Felsen der Gründung“ nennen. Sie glauben, dass Jahwe dort einst Adam erschuf. Seit dem 7. Jahrhundert aber bildet der Felsen das Zentrum des darüber errichteten Felsendoms mit seiner goldenen Kuppel. Die Muslime glauben, dass Mohammed von dort seine Himmelsfahrt antrat. Bei ihnen heißt der Tempelberg „Haram Asch-Scharif“ – erhabenes Heiligtum. Und die Al-Aqsa-Moschee daneben bekam ihre heutige Gestalt überwiegend im 13. Jahrhundert.

Weder Friedrich noch sein Vertragspartner al-Kamil stießen in ihren Lagern auf hemmungslose Begeisterung über den Ausgang der kaiserlichen Charmeoffensive. Den Christen gingen die Bedingungen nicht weit genug – ihr Königreich Jerusalem blieb ein fragiles Geflecht aus lose miteinander verbundenen Gebieten – und den Muslimen waren die an Friedrich abgetretenen Rechte zu viel. Francesco Gabrieli nahm in seine Sammlung arabischer Zeitzeugenberichte auch folgenden Vers eines Dichters auf, der 1229 in der Großen Moschee von Damaskus aus Protest gegen die Übergabe Jerusalems vorgetragen wurde: „Im Heiligtum der Himmelfahrt und des Felsens, dessen Ruhm jeden anderen Felsen übertrifft, sind Koranschulen, die des Vortrages der heiligen Verse jetzt beraubt sind, ist ein Sitz der Offenbarung in den Höfen, die jetzt verlassen sind.“

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