„Königreich der Himmel“ Ridley Scotts Traum vom idealen Ritter

Mehr als 20 Jahre grübelte der Regisseur Ridley Scott über den Mythos des Rittertums. "Ich wollte immer einen Film über Ritter und ihre Zeit des Mittelalters machen, speziell die Kreuzzüge", sagt Scott, der mit Filmen wie "1492" und "Gladiator" für Furore sorgte. Mit "Königreich der Himmel" (Kingdom of Heaven) erfüllt sich der Bilder-Erfinder seinen Traum. Es ist die Geschichte um die innere Zerrissenheit des Königreichs Jerusalem wenige Jahre vor dem dritten Kreuzzug (1189-1192). Das Ergebnis ist eine Gratwanderung zwischen dramaturgischen Zwängen und historischer Genauigkeit.

Die Filmgeschichte

Scott steigt im Jahr 1186 in seine Geschichte ein. In Jerusalem herrscht der kranke, aber weise König Baldwin IV., der versucht, sein Reich trotz der Streitigkeiten zwischen den großen Baronen zu regieren. Und der Monarch ist bemüht, einen brüchigen Frieden mit Sultan Saladin (eigentlich: Salah ad-Din) zu wahren. Im Zentrum des Geschehens steht der junge französische Schmied Balian (Orlando Bloom).

Ins Heilige Land wird Balian, der nach einer Familientragödie seinen Lebenssinn sucht, durch seinen ihm fremden Vater geholt. Godfrey von Ibelin (Liam Neeson) ist ein Lehnsmann des Königs Baldwin und vertraut Balian sein Erbe und damit auch seine Mission an: dem König beizustehen. Und auf der Figur des jungen Ritters baut Scott sein Idealbild eines edlen Kämpfers für die gerechte Sache auf. Balian mausert sich zum aufrechten Verteidiger Jerusalems, der den Ausgleich mit den Moslems sucht.

Nach reichlich Konfliktstoff in der realen Geschichte musste Drehbuchautor William Monahan nicht lange suchen. Für die politischen Differenzen unter den Christen stehen Guy von Lusignan, Ehemann von Baldwins Schwester Sibylle und dessen hitziger Mitstreiter Reynald von Chatillon. Beide suchen geradezu fanatisch den Kampf mit Saladins Truppen. Angeheizt wird die Situation durch eine Liebe, die Sibylle mit Balian verbindet. Zum Höhepunkt kommt es schließlich, als Guy die Truppen des Königs in die verhängnisvolle Schlacht von Hattin führt, in der das christliche Heer aufgerieben wird. Schutzlos ist Jerusalem dem Sultan ausgeliefert – aber da ist ja noch der Verteidiger Balian …

Scotts Suche nach den Fakten

Die Story ist an historisch gesicherten Daten aufgehängt. Scotts Team wühlte sich durch Bibliotheken, um Fakten über Kleidung, geschichtliche Hintergründe und reale Figuren zu finden. So tauchte auch das echte Wappen der Familie Ibelin auf, Sultan Saladin bekam ein gerades Schwert, statt des zunächst favorisierten Krummsäbels, und auch sonst ist Scott stolz auf die realistisch nachempfundenen Waffen und Sets in seinem Epos.

Gleichwohl weist Scott vorsorglich selbst darauf hin, dass der Streifen ein “komplexes menschliches Drama” vor dem Hintergrund eines politisch-religiös motivierten Kulturkampfes ist und eben kein Dokumentarfilm. “Wir haben einen Punkt in der Geschichte gewählt, in dem es einen Zustand des Friedens gab, wie wir ihn heute offenbar nicht mehr herbeiführen können”, meint Scott. Mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse habe er beide Seiten – Christen und Moslems – ausgewogen zeigen wollen.

Nicht bloße Staffage, sondern die starke Figur eines Politikers und begnadeten Strategen – das soll Saladin im Film sein, betont Scott. Er besetzte die Rolle – und überhaupt alle Moslem-Rollen – mit muslimischen Darstellern. Saladin wird vom syrischen Schauspieler und Regisseur Ghassan Massoud dargestellt.

Dennoch werden persönliche Schicksale und spektakuläre Massenszenen kaum den Blick auf die Details versperren. Nötige Vereinfachungen im Sinne einer spannenden Dramaturgie sind keine Entschuldigung für offensichtliche Fehler. Reden wir nicht von den zu erwartenden “falschen” Interpretationen von Gewändern und Waffendesign. Aber eine so wichtige Figur wie den Guy von Lusignan als Ehegatten und zugleich Mitglied des Templerordens zu präsentieren – das lässt auf einen gewissen “blinden Fleck” bei Ridley Scott und seinem Team schließen.

Der historische Hintergrund

Äußerst geschickt platzierten Scott und sein Drehbuchautor ihre Geschichte inmitten einer brodelnden realen Kulisse. 1180 schloss der aussätzige König Balduin IV. einen Waffenstillstand mit Salah ad-Din. Für das Königreich Jerusalem sah es nicht gut aus: Der sunnitische Salah ad-Din hatte 1171 das schiitische Fatimidenkalifat in Ägypten gestürzt und vereinigte dieses Reich mit den Herrschaften von Damaskus, Aleppo und Mosul. Die Christen waren eingekreist.

Als mutig und strategisch begabt gilt Balduin IV. tatsächlich unter Historikern. Doch seine Krankheit zwang ihn, die Macht mit starken Baronen zu teilen. Allen voran Guido von Lusignan, der kein Templer war, aber von dem Orden unterstützt wurde. Der heiratete Sibylle, Balduins Schwester und Mutter des Thronerben Balduin V. Im christlichen Adel gab es eine Partei gegen Lusignan, die unter der Führung von Raimund III., Graf von Tripolis und Herr von Tiberias, stand. Über deren Zwistigkeiten starb der König 1185, sein fünfjähriger Nachfolger Balduin V. folgte ihm 1186 ins Grab.

Im Thronstreit siegte die Partei Lusignans, die ihn zum neuen König erhob. Die entscheidende Rolle bei diesem Staatsstreich spielte der Templergroßmeister Gerhard von Ridefort. Der Konfrontationskurs von Lusignan und seinen Parteigängern gegenüber den Moslems führte zur Zuspitzung des Konflikts mit Salah ad-Din. 1187 ging der Sultan zur Offensive über. In ihrer Verzweiflung ersuchten die Barone den König, eine Einigung mit dessen Kontrahenten Raimund zu erzielen.

Überliefert ist auch die Existenz des Rainald von Chatillon. Der französische Historiker Alain Demurger beschreibt ihn als “Abenteurer”, der es stets darauf anlegte, die Waffenruhe mit den Moslems zu stören. Anfang 1187 lieferte Rainald mit dem Überfall auf eine große arabische Karawane den offiziellen Kriegsgrund für Salah ad-Din. “Im Frühjahr versammelte er das größte Heer, das die Muslime jemals zusammengebracht haben”, schreibt Demurger in seinem Buch “Die Templer” (Beck Verlag).

Auch die Christen wurden mobilisiert. Salah ad-Din stand vor Tiberias, doch noch zögerte der König mit einem Angriff. Truppenbewegungen waren in dem Gebiet, das von den schnellen und leichten Bogenschützen der Moslems beherrscht wurde, sehr gefährlich. Daher war die Ritterkavallerie stets durch Aufgebote von Fußkämpfern und Turkopolen – einheimischen christlichen Hilfstruppen – geschützt. Doch Rainald und der Templergroßmeister überredeten den König zum Angriff. Nur so könne er einen militärischen Sieg erringen und damit seinen Thron endgültig sichern, meinten sie. Am 3. Juli zogen die Truppen nach Hattin.

Im offenen Feld erwiesen sich die Christen den Moslems unterlegen. Zudem entfachten die Muslime ein Feuer im Buschwerk, die christlichen Fußtruppen flüchteten auf felsige Hügel, die Hörner von Hattin. Die nun schutzlose Reiterei musste schwere Verluste hinnehmen, ihre Reste zogen sich ebenfalls auf den Berg zurück. Von hier entkamen nur wenige Ritter, der Rest wurde gefangengenommen – mindestens 15.000 Mann. Rainald von Chatillon wurde hingerichtet.

Es folgte ein schnelles und für die Christen bitteres Ende. Der König war gefangen, Salah ad-Din nahm eine Stadt nach der anderen ein. Im Oktober ergab sich Jerusalem nach nur wenigen Tagen der Belagerung. Als “mild” erwies sich der Eroberer: Der Sultan ließ jeden Einwohner frei, der sich loskaufen konnte. Johanniter und Templer gaben Geld, viele Bürger weigerten sich, für andere zu zahlen. Die Freigelassenen zogen mit dem letzten führenden Verteidiger der Stadt ab – Balian von Ibelin.

Die Christen bekamen Jerusalem erst 1229 zurück, nach zähen Verhandlungen zwischen dem Stauferkaiser Friedrich II. und Sultan Malik al-Kamil. Nur wenige Jahrzehnte später verloren sie die Heilige Stadt für immer.

Artikel aus der Rubrik „Medien“

  • Da Vincis neue, alte Geheimnisse

    Schüchtern wirkt er zunächst: der Mann, der die Nachfolge von Dan Brown antreten soll – findet sein Verlag. Javier Sierra geht mit dem Roman „Das geheime Abendmahl“ ins Rennen um die Publikumsgunst. Und kommt auf Touren.

  • Ein Traum in Gold

    Filigrane Schmiedekunst, Gold aus Jütland, reiche Königsgräber, Schätze aus Europas Norden und die alten Meister – das sind die Zutaten für ein Sachbuch rund um einen edlen Stoff. Bettina von Stockfleth hat es gelesen.

  • Rockmusik der Antike

    Das neue Album von Musica Romana ist ein starkes Stück antiker Musik. Wissenschaftlich fundiert, aber lebendig arrangiert. „Pugnate“ setzt römische Gladiatorenspiele auf kraftvolle Weise akustisch in Szene.

  • Drama am Abgrund

    In der noch jungen Romanreihe des Archäologieverlags Philipp von Zabern darf man gut recherchierte Bücher erwarten. Wir nehmen den frisch veröffentlichten historischen Roman über Otto den Großen unter die Lupe.

Ihr Kommentar zum Artikel „Ridley Scotts Traum vom idealen Ritter“


Sie sind angemeldet als

abmelden