Geschichte für Kinder Kleine Helden auf Zeitreise

Das stellen wir unter anderem vor: Die „Abrafaxe” von Mosaik und die „Fred”-Serie von ultramar media. © Marcel Schwarzenberger

Bücher zur Bronzezeit, Hörspiele zur Antike oder eine Comicserie, die zig Epochen durchforstet? Wir stellen hier einige Medien für Kinder vor, die so unterhaltsam wie lehrreich in die Geschichte führen.

Hörspiel: Archäologische Abenteuer

Stell dir vor, du gehst auf Klassenfahrt. Als Teenager. Sagen wir, nach Pergamon an die westtürkische Küste. Ein prächtiger Platz, um alte Ruinen und Geschichten zu entdecken. Sagen wir weiterhin, du entdeckst, während du so allein für dich spazierst, die Reste einer antiken Statue. Rüttelst ein wenig daran (liebe Kinder, bitte nicht nachmachen!) und – schwupps – landest du im 2. Jh. vor Christus.

Unvorstellbar? Nicht für Birge Tetzner und ihrem Team von ultramar media. Gemeinsam haben sie bereits mehrere Hörspiele um „Fred“ produziert. Fred ist Sohn eines Archäologen und kommt allein durch diese Verwandtschaft immer wieder mit ganz bestimmten Themen und Ausgrabungen in Berührung.

Die Hörspiele aus der „Fred”-Reihe. © Marcel Schwarzenberger

Die Reihe beginnt in den Steppen Eurasiens. Dort lebten einst die Skythen; und dorthin gehen Fred und sein Vater auf Expedition. Der Bub trifft auf leibhaftige Angehörige des Skythenvolks; auf geheimnisvolle Weise in die Zukunft katapultiert. Diese Spontanzeitreisen sind in allen Teilen der „Fred“-Serie das dramatische Mittel, um den Jungen, und damit die Hörer, direkt mit der Geschichte in Verbindung zu bringen.

Klingt logisch? Nein, muss es aber auch nicht. Wer sich daran stört, verpasst schön erzählte Stories. Immer sind es junge Zeitgenossen der jeweiligen Epoche, denen Fred begegnet. Mit ihnen durchlebt er historische Momente. Mit Skythen, mit Baron von Oppenheim in Syrien oder Jugendlichen auf dem Burgberg von Pergamon.

Die jüngste Ausgabe ist gleich eine Doppel-CD: Mit seinem Vater reist Fred nach Ägypten, um eine Tante zu besuchen. Deren Vater, ein Forscher, verschwand vor vielen Jahren inmitten der altehrwürdigen Hausbibliothek. Sagt zumindest die alte Tante Eleanor. Fred glaubt ihr und forscht auf eigen Faust nach. Natürlich springt der Funke auch diesmal über; die Zeitreise nimmt ihren Verlauf – und der Junge landet im Ägypten zur Zeit des Pharaos Echnaton.

Antike Kulturen, Alltag, Glauben und Architektur: Viele Themen greift Tetzner bei der Produktion der Hörbuchreihe auf. Sie recherchiert viel und erreicht damit auch eine schöne Faktendichte. Gedacht sind die Hörspiele für Kinder von sieben Jahren an. Inhalt und Aufbau dürfte auch älteren Kindern Spaß machen; auch ich habe mit Vergnügen in die Hörspiele „Pergamon“ und „Fred im Reich der Nofretete“ hineingehört. Zuweilen empfand ich die Dialoge zu sehr auf kindgerecht getrimmt. Ich glaube, da kann man auch Jüngeren öfter eine flottere Redeweise und noch ein wenig mehr Detailtiefe zutrauen.

Aber mein Fazit bleibt: Die „Fred“-Reihe ist ein herrlicher Ansatz, mit den Ohren in die Geschichte zu reisen. Schön sind auch die Booklets mit vertiefenden Informationen und Kartenmaterial. Ich freu mich auf mehr!

Comic: Abrafaxe auf Dauerzeitreise

Ich mag diese drei Kerlchen: Abrax, Brabax und Califax. Wer in der DDR aufwuchs, kennt die Abrafaxe zumindest dem Namen nach. Vielen ging es wie mir: Eltern besorgten ein Abo oder man übernahm die Sammelleidenschaft einfach vom älteren Bruder. Jahrelang habe ich brav jeden Monat meine 60 Pfennige zum Kiosk getragen, um das neue Comic zu holen. Ich habe die Zeitreisen und historischen Geschichten des Trios (fast) immer genossen. Und es gibt sie noch heute.

Allein der Lebensdauer wegen sind die Abrafaxe endlich mal eine Erwähnung bei chronico wert. „Mosaik“ ist eine Comic-Serie, die ihren Ursprung in den 1950ern hat. Hannes Hegen erfand damals die Digedags; ein weiteres abenteuerlustiges Trio von scheinbar alterslosen und unsterblichen Heldenfiguren. Monat für Monat, bis 1975, spannen sie ihre weltläufigen Geschichten. Nach einem Streit zwischen Hegen und dem Verlag gab es erst eine Kreativpause und dann – 1976 – die erste Folge mit den Abrafaxen. (Kleiner Hinweis für Fans: Hannes Hegen übergab sein Digedag-Archiv mit vielen Originalzeichnungen an das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig.)

Mein Vater schwört mehr auf die Digedags; ich bin mit den Abrafaxen aufgewachsen. Zu haben sind die historischen Bände beider Linien bis heute (als Reprints). Mosaik fand gar einen Eintrag ins Guinness-Buch als längster Fortsetzungscomic.

Auch die Panoramaseiten (im Bild ist eine Originalausgabe von 1976 zu sehen; rechts daneben moderne Ausgaben) machten Mosaik berühmt. © Marcel Schwarzenberger

Die Abrafaxe haben viel erlebt: Sie waren um 1700 an der Adria und Venedig, schauten bei den Österreichern vorbei und nach Frankreich, landeten durch geheimnisvolle Zeitreisen im Spanien des 16. Jahrhunderts und, noch einmal 300 Jahre zurück, mitten in Kreuzzugswirren und im Mongolenreich. Indien, Japan, Südostasien – und dann die Wendezeit 1989/90.

Es war wie mit vielen Dingen in der DDR: Das Alte wurde verdrängt durch Neues. Mosaik erlitt massive Einbrüche und Verlagsliquidierung. 1991 übernahm der frisch gegründete Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag in Berlin viele der Zeichner und Autoren und baute nach und nach die Comicserie wieder zu einer festen Größe auf.

An der Konzeption hat sich manches geändert; neue Möglichkeiten der Zeitreise wurden gefunden. Der Kern aber blieb: Ein sympathisches Trio entdeckt historische Epochen und Weltgegenden. Orient-Express, Barock, Amerika, Australien – keine Gegend ist vor den Abrafaxen sicher. Es gibt in den Heften viel Werbung für andere Verlagstitel und Dinge, die man als Kinder- und Jugendmedium offensichtlich bieten muss. Aber schön finde ich eine andere Neuerung: In jeder Ausgabe wird das Thema einer einzelnen Serie (die über mindestens ein, manchmal über mehrere Jahre läuft) mit Sachtexten und Bildmaterial vertieft.

Kurzum: Mosaik bietet lehrreiche und anschauliche Wege in die Geschichte. Nicht nur aus nostalgischen Gründen empfehle ich mal einen Blick hinein.

Geschichten aus der Bronzezeit

Der folgende Abschnitt stammt aus der Feder von Wulf Hein, der als Archäotechniker auch viel mit archäologischen Experimenten befasst ist. Bei uns hat er schon so manches Buch besprochen. Es folgt seine Originalbesprechung von Titeln zur Bronzezeit.

Wulf Hein über „Moruk“:

Es gibt zwei Wege, einen schlechten (prä)historischen Roman zu schreiben: Entweder dient eine flaue Story als Kulisse für eine Unzahl von Sachinformationen, mit denen ein detailverliebter Autor seine Leser zuschüttet, oder aber eine halbwegs spannende Geschichte fällt der mangelnden Sachkenntnis des Verfassers zum Opfer.

Anne Sulies, studierte Archäologin aus Hamburg, steuert mit ihren „Moruk“-Büchern ganz geschickt zwischen beiden Extremen hindurch. Sie erzählt die Geschichte eines zwölfjährigen Jungen, der in einem kleinen bronzezeitlichen Dorf in Nordniedersachsen lebt und spannende Abenteuer zu bestehen hat.

Der erste Band; auch er ist ausgestattet mit Bildern von Ines Küster. © Anne Sulies / Buchcover

Der erste Teil des ersten Buches kommt zwar etwas verlangsamt daher, ein Spannungsbogen wird erst gegen Ende aufgebaut. Dafür ist der zweite Teil ziemlich aufregend zu lesen, auch als Erwachsener hat man Schwierigkeiten, das Buch aus der Hand zu legen.

Sulies beschreibt den Alltag vor mehr als 3.000 Jahren glaubwürdig und atmosphärisch sehr dicht, ganz nebenbei nimmt der Leser viele Informationen über die Bronzezeit mit, ohne dass die Story darunter leidet. Man merkt, dass die Autorin vom Fach ist und sich obendrein in Detailfragen von Experten hat beraten lassen, die sich mit Handwerk, Umwelt und Leben im „Goldenen Zeitalter“ wirklich auskennen.

Leise Kritik möchte ich zu den etwas blassen Illustrationen anmelden, da wäre(n) sicherlich noch mehr drin gewesen, vor allem Sachbilder, die jüngeren Lesern helfen könnten, den Text noch besser zu verstehen. Im alphabetisch geordneten Glossar am Ende des Buches wird aber zumindest ein Anfang in dieser Richtung gemacht.

Abenteuerlich wird es auch im zweiten Band. © Anne Sulies / Buchcover

Nun ist die Fortsetzung „Moruk und die Sonnensteine“ erschienen. Anne Sulies knüpft an ihren bewährten Stil an und hat eine spannende Geschichte entworfen, die den Protagonisten weit weg von seinem Heimatort an die Ostseeküste führt, wo er neue Abenteuer erlebt. Beim Lesen merkt man, dass die Autorin wieder mit viel Sachkenntnis, aber auch mit Herzblut geschrieben hat. Beide „Moruk“-Bücher sind auf jeden Fall empfehlenswert: wie die Autorin selbst schreibt, „für Neugierige ab 9 bis 99“. Man darf jetzt schon auf die dritte Folge gespannt sein – zumindest bin ich es!

Wer sich darüber hinaus ein lebendiges Bild der Bronzezeit im Norden verschaffen möchte, dem sei ein Besuch der Freilichtmuseen Hitzacker oder Uelsen empfohlen.

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