Veranstalter „Wir sind wieder fogelvrei“

Die Spatzen pfeifen es seit einigen Monaten von den Dächern: Nach zehnjähriger Kooperation und elf gemeinsamen Marktsaisons gehen mit Fogelvrei-Produktionen und Gisbert Hiller zwei der größten norddeutschen Mittelaltermarkt-Veranstalter getrennte Wege. Das gemeinsame "Baby" war die Veranstaltungsreihe "Mittelalterlich Spectaculum" - nach eigenem Bekunden das größte reisende Marktspektakel in Deutschland. Der Trennung ging ein heftiger Streit um die künftige Ausrichtung des Marktes voraus. Ein Rückblick auf eine unschöne Schlammschlacht.

Gisbert Hiller ist der Herr des Marktes

Wer die Website des Hauptorganisators der Spektakel, Gisbert Hiller, besucht, wird kaum Zweifel haben, unter welcher Flagge die Reihe “Mittelalterlich Spectaculum” nun läuft. In seinen Mitteilungen bezeichnet sich Hiller als “einziger und alleiniger Veranstalter”.

Schon in der Saison 2004 hatte der Eventprofi aus dem nordrhein-westfälischen Drensteinfurt – der unter anderem Oldie- und Schlagerfestivals organisiert – lauthals verkündet, sich von Fogelvrei trennen zu wollen. Das sorgte bei der Gruppe um Johannes F. Faget im niedersächsischen Hassel für düsteres Grummeln. Hiller habe damit weder “Stil noch guten Geschmack” gezeigt, sagte Faget.

Erfolgsgeschichte mit Tiefen

1994 begann die ehemals so hoffnungsvolle Zusammenarbeit der beiden so grundverschiedenen Unternehmen. Auf der einen Seite Gisbert Hiller, der bis heute stets in “Zivil” bei seinen mittelalterlichen Events auftaucht – und damit bei vielen Darstellern auf Unverständnis stößt – und auf der anderen Seite die bunte Truppe der “Fogelvreien”, die den eigentlichen Markt mit seinen Händler- und Handwerkerständen organisierte. Im Gegensatz zu Hiller traten Faget und dessen Kollegen in Gewandung auf und mischten selbst als Kleinkünstler im Programm mit.

Das Zusammentrommeln der Heerlager und die Organisation der Veranstaltungsorte wie Hamburg, Dortmund, Bückeburg oder Kassel – all das oblag Hiller. Und noch heute zollt Faget dem “Ritter Gisbert” dafür öffentlich Anerkennung. “Durch seine gute Organisationsarbeit im logistischen und werblichen Bereich konnten wir bei zehn Märkten im Jahr unsere Geschäfte stabilisieren und mit größeren Projektzusammenhängen experimentieren”, meinte Faget. Für ihn und die anderen “Fogelvreien” bedeutete ein Markt immer auch eine Art Gesamtkunstwerk. Und genau hier schien der Hase buchstäblich im Pfeffer zu liegen.

Man muss gar nicht so genau hinhören: In vielen Verlautbarungen und öffentlichen Mitteilungen nutzt Hiller gern Worte wie “größtes Ritterspektakel aller Zeiten”, wenn es um seine Veranstaltungsreihe geht. Mehrere hundert Darsteller und bis zu 60 Markt- und Handwerkerstände gehörten in vielen Orten zum Repertoire des “Mittelalterlich Spectaculum”. Doch Hiller wollte mehr. Dieser Anspruch scheint die treibende Kraft zur Trennung von Fogelvrei gewesen zu sein. Offiziell heißt es bei Faget nur: “Das Ideal von Fogelvrei ist nicht das schnelle Geschäft.” Eine Kluft war zwischen beiden Partnern aufgebrochen. Sie zogen die Reißleine.

“Rosenkrieg” bei Ex-Partnern

Veranstalter, die getrennte Wege gehen, müssen das auch kommunizieren – schon um die Aktiven der Szene, seien es Darsteller oder Marktbeschicker – nicht im Unklaren zu lassen. Bei den Niedersachsen klang es so: “Wir sind wieder fogelvrei.” Nun war die “Spectaculum”-Reihe bei weitem nicht das einzige Projekt von Faget und dessen Team. Doch bei vielen Menschen gehört “Fogelvrei” noch immer gedanklich dazu. Es müsse also eine “deutliche Unterscheidung zwischen beiden Projektierungsarten bei Akteuren, Veranstaltern und Presse” geben, sagte Faget. “Fogelvrei wird ab 2005 weiterhin Ausrichter historischer Produktionen im Sinne einer künstlerischen Gesamtinszenierung am Markt präsent sein”, umschrieb er seinen Anspruch. Dazu gehört für ihn augenscheinlich nicht der Zwang zur Größe.

Hiller geht einen anderen Weg. Seine Marktsaison läuft langsam auf Hochtouren. Und er verspricht eine “Mittelalterlich Spectaculum”-Reihe, die “endlich zu voller Größe und Schönheit aufblüht”. Bis zu 120 Marktstände, noch mehr Akteure auf den Bühnen und ein wahres Feuerwerk an Kleinkunst am laufenden Band soll es von nun an geben. An seinen ehemaligen Partnern lässt er indes kein gutes Haar. “Die Zeiten der ewigen Behinderungen der Kreativität durch die bisherigen Marktorganisatoren (Fogelvrei; Anm. d. Red.) und die nicht enden wollenden Diskussionen um belanglose Dinge sind nun endlich für immer vorbei.” Und Hiller setzte noch einen drauf, indem er Fagets Truppe als “Möchtegern-Veranstalter” bezeichnete. Er sei “sehr glücklich”, meinte Hiller, seinen Gästen nicht wieder die “gleichen gelangweilten Gesichter und Figuren” präsentieren zu müssen.

Der Kommentar

Es ist richtig, Dinge, die nicht gut laufen, auch öffentlich bekannt zu machen. Zumal, wenn es eine Großproduktion wie “Mittelalterlich Spectaculum” betrifft. Ob man sie nun unter Volksfest oder historisierende Veranstaltung verbuchen will – die Eventreihe ist eine große Nummer in der nördlichen Hälfte der Bundesrepublik. Aber reichlich unüberlegt ist es, sich so ins Nähkästchen gucken zu lassen.

Seien wir ehrlich: Interessiert es die Besucher wirklich, welche Beschimpfungen beide Ex-Partner im Streit miteinander ausgestoßen haben? Ist das Herziehen über den anderen irgendeinem Akteur dienlich? Wenn ein Event nach einer Krise bestehen bleibt, will man wissen, unter welchen Bedingungen. Basta. Alle unschönen Interna dienen nur der Gerüchteküche und sind einem wirtschaftlichen und vor allem Vertrauen bildenden Arbeiten abträglich. Denn um Geschäfte geht es beiden Unternehmen. Sowohl Gisbert Hiller als auch “Fogelvrei” sind professionelle Veranstalter, die von ihren Produktionen leben.

Wie “Fogelvrei” nun am eigenen Profil arbeiten muss, um nicht ständig mit “Mittelalterlich Spectaculum” verwechselt zu werden, so muss auch die Hiller-Produktion erst zeigen, was in ihr steckt. Eine lediglich vergrößerte Veranstaltung bedeutet noch keine bessere Qualität. Die ist aber das einzige Merkmal von Bedeutung. Nur wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und kein Besucher vom Angebot enttäuscht ist, wird die Rechnung aufgehen. Und schon in den vergangenen Jahren befanden viele Aktive der Mittelalterszenen die Eventreihe als zu groß.

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5 Kommentare

  1. Ich bin der überzeugung das es hierbei nicht um Mittelater sondern nur um Profit geht. Dies zeichnet auch die “Märkte” des Herrn Hiller aus. Denn nicht die Masse macht einen guten Markt aus. Deshalb sollten auch Gruppen mit eigenen konzepten gefördert werden. Dies ist die Möglichkeit für Fogelvrey sich wohltuend vom “Massenschund” abzusetzen.

    11. Mai 2005, 17:05 Uhr • Melden?
    von Wolfram
    1
  2. Sicher geht es dabei für beide Unternehmen um Profit, was ja auch nicht zu verurteilen ist, die Konkurenz ist groß und die Leute haben immer weniger Geld für solche Freizeitveranstaltungen zur Verfügung. Jeder Veranstalter muss seine neue Nische finden. Groß bedeutet jedoch noch lange nicht Massenschund. Die “Hiller”-Märkte werden trotz der Größe professionell und mit künstlerischen Leitern in Teilbereichen organisiert und als Heerlager hat man genügend Platz, sich selbst zu verwirklichen. Im Gegenteil eine große Zeltstadt, bestehend aus vielen Lagern wirkt imposanter und bringt mehr an Vielfältigkeit für den Besucher. Kurz gesagt, unter der Größe leidet nicht die Qualität.
    Ansonsten finde ich den Streit und die Dritten, die sich darüber freuen und in die Kerbe reinschlagen, verurteilenswert. Man sollte für beide Unternehmen färe, sachliche und von Kompotenz geprägte Kritiken üben.

    12. Mai 2005, 19:05 Uhr • Melden?
    von Peter
    2
  3. Ich habe bereits im letzten Sommer beschlossen, auf weitere von Gisbert dominierte Veranstaltungen zu verzichten. Johannes ist Idealist. Über Gisberts Motive spekuliere ich hier nicht.
    Wenn Menschen wie Johannes keinen Raum mehr finden, verkommt die gewachsene Kultur eines Mittelalter-Spectaculums zur Farce, an der ich nicht mitwirken möchte.

    13. Mai 2005, 16:05 Uhr • Melden?
    von Manfred
    3
  4. Also wir waren letztes Jahr im September das letzte Mal bei Gisbert…und auch nur, weil ein Freund dort im Lager seinen GEburtstag gefeiert hat. Die Eintrittspreise sind einfach nur unverschämt, die letzten zwei Jahre war auf allen Märkten exakt das gleiche Programm (gähn) und man hat gemerkt, dass es nur um Profit ging! Und dass er dann in Jeans die Ritterspiele eröffnet, war für uns der Gipfel!
    Klar wollen alle verdienen, vor allem die Händler, die vorwiegend von ihrem Handwerk leben, aber ich finde es sehr traurig, dass das dann so ausartet bzw. dass die Händler vor die Wahl gestellt werden von Johannes – entweder nur bei uns oder gar nicht und dann natürlich zu Gisbert gehen, weil sie dort mehr verdienen können….schade,schade, dass die Mittelalterszene in den letzten Jahren so zu einer Konsumschlacht geworden ist….
    Wir werden auf jeden Fall dies Jahr ganz bewusst nur auf kleinere Veranstaltungen gehen

    15. Mai 2005, 12:05 Uhr • Melden?
    von Hildgard
    4
  5. Ich bin jedes Jahr auf dem Mittelalterlich Spectaculum in Hohenwestedt und dieses Jahr war ich überrascht von den doch vereinzelt spürbaren Veränderungen in der Struktur dieses Marktes. An einigen Ständen hat sich die dargebotene Qualität verändert und andere Anbieter waren gar nicht erspähbar. Besonders negativ war das aktustische Durcheinander durch zwei unglücklich gleichzeitig spielende Gruppen. Dazu ist der angebotene Platz nicht groß genug, um sich jeder einzelnen in der gebührenden Weise widmen zu können. Das zum Thema Marktvergrößerung um jeden Preis.
    Nach unserem Besuch in Hohenwestedt habe ich mich ans Internet gemacht und leider zuerst die Seite von Gisbert Hiller gefunden und mir gedacht, wie jemand so blödzeiterisch eine Trennung mit “Endlich fogelfrey” betiteln kann und was denn hinter dieser Entscheidung stecken sollte. [b]Danke[/b] an dieser Stelle um die klare Darstellung der Tatsachen. Ich denke, und das habe ich bisher stets ausgiebig genießen können, bei Euren Märkten geht es vor allem darum, einen Eindruck von damals erfolgreich vermitteln zu können, was bisher auch stets gelungen war. Eine Superlative ist doch hier fehl am Platze. Und es werden noch viele Interessenten diese Seiten nach einem Besuch eines Marktes suchen und sicher haben sie keine Lust, sich von diesem Streit führen zu lassen. Eigentlich doch furchtbar erschreckend, wie die Seite von Gisbert Hiller diesen Streit zur Hauptsache macht.
    Gestattet mir noch eine Frage aus lauter Wissensgier: Sind die Marktordnungen wirklich so streng zu handhaben, wie es auf eben genannter Seite beschrieben ist? Z. B. ist eine Teilnahme am Pestumzug absolut Pflicht für jeden Stand?
    Ich wünsche Euch den Spaß und den allumfassenden Erfolg, den Ihr Euch mit Eurem Konzept vorstellt.
    Liebe Grüße
    Claudia Fröhlke

    04. Juni 2005, 23:06 Uhr • Melden?
    von Claudia Fröhlk
    5

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