Ausstellungsreport „Steine-Zeit“ im Neandertal

Mr. N: Rekonstruktion eines Neandertalers im Museum Mettmann von den Brüdern Adrie und Alfons Kennis. © Neanderthal-Museum / H. Neumann

Es ist Winter; was ist da besser, als das miese Wetter im Museum zu vergessen. Zumindest ist es dort warm, vielleicht interessant oder auch unterhaltsam – in der Ausstellung „LEGO-Zeitreise“ im Neanderthal-Museum kommt alles zusammen.

Spielerische Zeitreise

Geschichte rekonstruiert aus tausenden Steinen – mehr Symbolik geht kaum. Archäologische und mythologische Highlights wie die Cheops-Pyramide oder der Turmbau zu Babel sind ebenso zu sehen wie ein Lager von Neandertalern. Beliebte Szenen, wie der Limes-Abschnitt mit kleinen LEGO-Römern oder der Gladiatoren-Arena, aber auch wahre Kunstwerke wie die chinesischen Tonkrieger oder eine detailverliebte Darstellung von Wikinger-Schiffen im Hafen und ein mittelalterliches Turnier werden wunderschön präsentiert. Positiv ist, dass den historischen „Sonderereignissen“ auch Szenen aus dem alltäglichen Leben gegenübergestellt werden.

Besucher im „Zeittunnel“ des Museums, der in Etappen die Menschheitsgeschichte zeigt. © Neanderthal-Museum / R. Rehfeld

Andere Szenen wiederum scheinen für ein Archäologiemuseum ein wenig deplatziert. Kann man die Eisenbahn von der Ost- bist zur Westküste Amerikas noch als Darstellung altamerikanischer Kulturen verstehen und damit auch die Indianer, Tipis und Bisons akzeptieren? Die Skyline von Düsseldorf (der große Nachbar des Städtchens Mettmann, wo das Neanderthal-Museum liegt), den Flughafen oder der dargestellte Windpark lassen sich aber nur bemüht unter dem Motto Zeitreise verbuchen. Auch die Darstellung der Zukunft mit einer Raumstation und Raketen hätte meiner Ansicht nach ruhig fehlen dürfen.

Geschichtsvermittlung nicht ohne Klischees

Für einen alten LEGO- und Archäologiefan hat sich der Besuch der Ausstellung in jedem Fall gelohnt. Wie aber steht es mit der Geschichtsvermittlung? Lässt sich diese durch das Nachstellen historischer Szenen durch Spielzeug vermitteln? Sicherlich sind komplexe historische Zusammenhänge so nicht darstellbar. Doch unter dem Aspekt, dass heute LEGO und Playmobil die Ritterburg, den Bauernhof oder die Zinnsoldaten im Kinderzimmer ersetzen, setzt die Ausstellung ein Zeichen, die Annäherung an die und die Beschäftigung mit der Geschichte weiterhin in diesem stattfinden zu lassen.

Fehler, so bekennen die Ausstellungsmacher, seien in die Ausstellung eingebaut: So findet man Verkehrsschilder oder Rasenmäher in den Szenarien, die ganz offensichtlich zeitlich nicht passen. Die Suche nach solchen Fehlern macht die Ausstellung noch interessanter.

Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass einige Fehler für den Laien doch weniger offensichtlich sind. So werden die für die Werbung benutzten LEGO-Neandertaler-Figuren tatsächlich noch mit einer stacheligen Keule und einem Knochen am Revers ausgestattet – gerade an diesem Museum weiß man es doch besser.

Figur mit Klischee: Neandertaler mit Keule und Knöchel am Kragen. © Neanderthal-Museum / Holger Neumann

Wenn man die Historie auf diese Weise auch für Kinder lebendig machen will, dann doch auch, um mit überkommenen Klischees aufzuräumen und neue Erkenntnisse zu vermitteln. Zum Glück konnte ich im entsprechenden Szenario keinen „Keulenträger“ entdecken.

Auch die offenbar unvermeidbaren Hörnerhelme der LEGO-Wikinger, die jeglichen archäologischen Beleg vermissen lassen und besonders in der nationalsozialistischen Ikonografie an Bedeutung gewannen, fallen diese Kategorie. Ob die von den Besuchern wirklich als Fehler erkannt werden, bleibt fraglich. Die Ausstellung wäre eine gute Gelegenheit gewesen, mit solchen Mythen aufzuräumen.

Alles in allem ist die Sonderausstellung besonders für Familien mit Kindern gut geeignet. Denn ein Baubereich für Kinder ist frei zugänglich und sorgt für Abwechslung. An Aktionstagen können Kinder mit Lego-Experten gemeinsam bauen. Die Ausstellung ist noch bis zum 18. März im Neanderthal-Museum zu sehen.

Artikel aus der Rubrik „Geschichtsszene“

  • Neue Tore zur Museumswelt?

    Reden Museen und Living-History-Szene eigentlich noch miteinander? Die Debatten um Ideologien, Gütesiegel und Qualität haben einige Grabenkämpfe ausgelöst. Aber es gibt Ansätze für eine Annäherung.

  • Qualität mit Zertifikat - im Geschichtstheater

    In die Diskussion: "Gütesiegel für historische Darsteller – ja oder nein?" kommt neuer Schub. Freiburger Forscher bereiten genau das vor. Professor Wolfgang Hochbruck, einer der Projektleiter, stellt den Plan vor.

  • Jahrtausende für ein Rittergut

    2009 gewann Living History hierzulande neue Facetten: In Kalkriese, Minden, Soest oder Dorstadt zogen Reenactors die Fäden, um regionale Geschichte in Szene zu setzen. „Tempus – Zeit erleben“ geht in die zweite Runde.

  • Krimi um eine Königin

    Sie war Angelsächsin, die erste Gemahlin Ottos des Großen und über tausend Jahre lang verschollen: Möglicherweise haben Archäologen das Grab von Königin Editha im Magdeburger Dom gefunden. Eine Spurensuche.

1 Kommentare

  1. Guter Artikel, sehr objektiv und hilfreich.
    Danke,

    Dieter E.

    03. Februar 2012, 16:02 Uhr • Melden?
    von Dieter
    1

Ihr Kommentar zum Artikel „„Steine-Zeit“ im Neandertal“


Sie sind angemeldet als

abmelden