Bad Langensalza Ritter in Unterhosen

Es muss vorab Lob gespendet werden: Die Herren der thüringischen Kurstadt Bad Langensalza haben die 12. Auflage ihres Mittelalterstadtfestes mit Bravour über die Bühne gebracht. Programm, Marktvolk und Atmosphäre harmonierten zum Spectaculum am letzten Augustwochenende auf hervorragender Weise miteinander. Das Städtchen im schönen Unstruttal ist aber auch bestens geeignet, einen groß angelegten Mittelaltermarkt zu beherbergen. Viele Wehrtürme aus dem Mittelalter prägen noch heute das Stadtbild, die gut erhaltene Stadtmauer kann entlang eines eigens hergerichteten „Lehrpfades“ bewundert werden, dessen Länge einfach nur beeindruckend ist. Und zwischen den wunderschönen Fachwerkhäusern der Altstadt entspann sich ein zweitägiges Markttreiben, das keinen Vergleich zu scheuen braucht.

Vor der Marktkirche flatterten die Standarten zahlreicher Kriegsherren vor bunten Zelten im Wind. Der Freie Ritterbund Thüringen hatte mitten in der Stadt sein Heerlager aufgeschlagen. Gut 60 Mitglieder zählt der 1999 gegründete Bund heute – Knappen und Weibsvolk inklusive. Da es in der überfüllten Innenstadt für Pferde ein wenig eng war, zelebrierten die Ritter ihr Turnier zu Fuß. Doch zuvor hieß es wie immer, sich ordentlich zu rüsten.

Maik Elliger, Gründungsmitglied und in der Rolle des Grafen Heinrich von Schwarzburg, Herr zu Ranis und Saalfeld, Herr zu Blankenburg (Elliger entschuldigend: „Der hatte nun mal so viele Burgen.“), hatte sichtlich Probleme, in sein Kettenhemd zu kommen. Etwas verärgert stand er im wattierten Unterkleid (Gambeson) herum, das die gegnerischen Schläge abfedern soll, und suchte seinen Knappen. Das genietete Kettenhemd trug er unschlüssig in den Händen. „Es wiegt halt rund 30 Kilogramm, und ich brauche zwei Leute, die mir helfen.“ Gottlob kamen schließlich zwei Helfer – der Herr von Schwarzburg musste nicht in „Unterhosen“ zum Kampfe schreiten. Sein Knappe hatte in einer Nebengasse Stockfechten geübt – den Kampf verlor er später dennoch. Gerechte Strafe?

Der Herold Radolf zu Duringen führte souverän durch das Kampfspektakel – auch wenn er ein nicht ganz historisch verbürgtes Sprachrohr zur Hilfe nahm. Mit Witz stellte er die Kämpfer vor und kommentierte das Geschehen. Als Schirmherr nahm indessen der Landgraf Friedrich von Thüringen und seine Gemahlin Magarete – auch sie gehören zum Freien Ritterbund – huldvoll die Ehrenbezeigungen der Ritter entgegen. Jeder adlige Name der Ritte ist überliefert. „Wir stellen die Zeit um 1220 nach“, erklärte Elliger, der auch beim Mittelalterveranstalter Headhunter Concept arbeitet – verantwortlich für das Stauferlager zu Tilleda.

Auf mehreren Bühnen – gut über den verzweigten Markt verteilt – spielte allerhand fahrendes Volk. Während Gruppen wie Ohrenpeyn, Spellbound und varius coloribus gewissermaßen für den klassischen Sound sorgten, brachten die närrischen Spielleute des Duos Pampatut mit launigen Wortknäueln ihr Publikum zum Lachen. Und zwischen all dem Gewusel schlich sich Xander der Narr mit seiner wandelnden Puppenbühne in die Herzen der Kinder, zapfte der Wanderchirurg Ulricus Ulcus Bier aus einer Patientin und gab der Astrologe Phanes einige Weissagungen zum Besten.
Mit Fug und Recht darf sich auf das nächste Spectaculum in Bad Langensalza gefreut werden. Bleibt zu hoffen, dass die Veranstalter bei der Wahl des Markt- und Handwerksvolkes sowie beim Begleitprogramm erneut ein goldenes Händchen beweisen.

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