Kulinarische Zeitreise Von der Steinzeit bis ins Mittelalter

Archäologinnen machen Appetit auf Geschichte. © PR / communication culture

Archäologische Funde, antike Rezeptsammlung, ernährungswissenschaftliche Forschung: All das ist in ein Kochbuch der besonderen Art eingeflossen, das drei Archäologinnen geschrieben haben. Wulf Hein hat mal probiert.

Archäologischer Kochtopf

Kochbücher sind derzeit groß in Mode! Allenthalben wird man mit Druckerzeugnissen über das leibliche Wohl eingedeckt, im Fernsehen wird rund um die Uhr gebacken und gesotten. Sucht man jedoch nach (ur)alten Rezepten jenseits von Dr. Oetkers Klassikern und Goethes Großmutter, ist die Auswahl nicht mehr ganz so üppig, oder man wird mit „Wilma Feuersteins Gemüseeintopf mit Kartoffeln und Tomaten“ belästigt – zwar wurden die schmackhaften Knollen bekanntermaßen erst Tausende von Jahren nach dem Ende der Steinzeit in Europa eingeführt, aber das ist ja für einen „pfiffigen Flintstones-Kindergeburtstag“ zweitrangig …

Dass es auch anders geht, nämlich wenn sich Fachleute mit dem Thema „Kochen in vergangenen Zeiten“ beschäftigen, zeigt das vorliegende Buch. Mit Sabine Karg, Regula Steinhauser-Zimmermann und Irmgard Bauer haben drei Archäologinnen mit wissenschaftlichem Blick in die Kochtöpfe unserer Vorfahren geguckt.

Bereits 1995 erschien die erste Ausgabe als dünnes Taschenbüchlein, die erweiterte Auflage von 2011 spannt nun den Bogen von der Steinzeit weiter bis ins Mittelalter und in den Nordeuropäischen Raum, anschaulich illustriert durch die stimmungsvollen Grafiken aus dem Schweizer Atelier bunterhund.

Das ganze Buchcover des etwas anderen Kochbuchs als Ansicht. © PR / communication culture

Praktische Rezeptsammlung

Die Rezepte beruhen zum Teil auf schriftlichen Überlieferungen wie z.B. dem Kochbuch des römischen Feinschmeckers Apicius, der um Christi Geburt lebte, oder mittelalterlichen Kochbüchern. Die steinzeitlichen Gerichte hingegen kombinieren entweder damals tatsächlich vorhandene Zutaten oder basieren auf archäologischen Funden wie Resten einer Fischsuppe aus dem schweizerischen Arbon.

Die „Pfahlbau-Bouillabaisse“ hat in einem jungsteinzeitlichen Tontopf eine Kruste hinterlassen, die im Labor der Kantonsarchäologie Thurgau genau analysiert wurde und die Rezeptur für das Menü auf Seite 38 geliefert hat, das übrigens zu meinen Favoriten zählt:

Fischsuppe Arboner Art

  • 1 Handvoll geräucherter Speck, gewürfelt
  • 1 Handvoll Stangensellerie, gewürfelt
  • 1 Handvoll Pilze, gedörrt oder frisch
  • 2 Handvoll Rollgerste
  • 15 Tassen Gemüse- oder Fischbrühe
  • 1-2 geräucherte Forellen oder andere Süßwasserfische
  • 1 Handvoll Ampfer und/oder Bärlauch, in Streifen
  • 1 Zweig Thymian, getrocknet
  • 1 EL Honig

Speck in einem Topf auslassen. Den Sellerie und die (eingeweichten) Pilze darin andämpfen. Gerste beigeben, anziehen lassen; mit Brühe ablöschen, Kräuter beigeben. 1 Stunde köcheln lassen. Fisch entgräten, das Fleisch in mundgerechte Stücke zerlegen und beigeben. ¼ Stunde fertig garen. Honig und Thymian beigeben und ungedeckt noch etwas einkochen lassen.

(nach Hüster-Plogmann & Leuzinger 1995)

Erprobtes zum Nachkochen

Hinzugekommen sind auch Gerichte der Wikinger auf der Grundlage neuer Forschungsergebnisse, allesamt von den Autorinnen erprobt und ganz einfach nachzukochen. Auf über 120 Seiten, geordnet nach dem Lauf der Jahreszeiten, nehmen uns die Autorinnen mit zu den Lagerfeuern der Rentierjäger, den Garküchen Roms und den klösterlichen Kellergewölben des Mittelalters und verarbeiten in erprobten und bewährten Rezepturen alles, was archäologisch nachweisbar ist, zu kulinarischen Kreationen, die ebenso schmackhaft wie außergewöhnlich sind.

Wer sich also fundiert über die Geschichte der Ernährung informieren und experimentierfreudig (prä)historisch kochen möchte, ist mit diesem Buch bestens beraten, schon beim Lesen „juckt einen der Kochlöffel“. Guten Appetit!

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