Kaiserpfalz Barbarossas Zorn zu Tilleda

Der Kaiser ist zornig. Blitze umzucken das Haupt des Monarchen Friedrich, der erste Kaiser dieses Namens aus dem Geschlecht der Staufer. Die Italiener haben dem mächtigen Mann ob seines rotblonden Barts den Beinamen "Barbarossa" gegeben. Nun steht er da auf seiner Pfalz in Tilleda und schaut auf seine Mannen, die zu langsam für seinen forschen Willen auf den Gegner marschieren. Es ist, so will es die Regie, eine Kampfprobe vor dem Ritt ins Heilige Land. Wir schreiben das Jahr 1189, in dem sich Barbarossa noch in seiner Machtfülle sonnt. Ein Jahr später wird er im Fluss Saleph ertrinken. Doch jetzt mischt sich sein Zorn noch mit dem Wüten des Wetters. Das Heerlager zu Tilleda - ein mittelalterliches Spektakel des Freien Ritterbundes Thüringen - zittert mit.

Seit Jahren schon ziehen die Mitglieder des Thüringer Ritterbundes auf die Pfalz in unmittelbarer Nachbarschaft des Kyffhäuser. Das dort gelegene Freilichtmuseum bietet freigebig seinen üppig vorhandenen Platz in fantastischer Lage an. Über mehrere Jahre hinweg sollen hier Szenen aus der Zeit der Staufer nachgestellt werden. Im vergangenen Jahr war der Streit zwischen Welfen und Staufer Kern des Spektakels, am vergangenen Wochenende war es der Zug Barbarossas ins Heilige Land. Ein feiner Mix aus Rollenspiel und Markt mit Musik und Handwerkskunst ist das Ergebnis. Das Heerlager zu Tilleda erweist sich einmal mehr als Highlight im ostdeutschen Terminkalender.
Die Federführung hat die Veranstaltungsagentur Headhunter aus Plaue inne. Mitstreiter Maik Elliger, zugleich als Herr von Schwarzburg für die Thüringer im Einsatz, hat denn auch alle Hände voll zu tun. Nicht immer klappt die Aufstellung wie am Schnürchen. “Naja, der erste Tag ist immer Übungstag, dann klappt es aber immer”, meint Elliger zuversichtlich. Dafür ist das Lager etwas übersichtlicher als im vergangenen Jahr.
Vielleicht gerade deswegen ist die Atmosphäre auf dem Burgberg so einzigartig. Die Zelte inmitten des Plateaus sorgen für ein stimmiges Bild und das Gewusel des Publikums bringt Festtagslaune in die Pfalz. Daran ändert auch das tatsächlich pünktlich nach Ende der “Burgerstürmung” einsetzende Gewitter nicht viel. Den Gästen wird mal eben Asyl im Zelt zugewiesen und viele Hände packen mit an, um die Sturmschäden zu reparieren.
Und es war doch tatsächlich der “Kaiser”, der auch noch das freie Bogenturnier gewann. “War eigentlich gar nicht meine Absicht”, meint Darsteller Andreas Hochgräfe. Die Rolle habe er auch zunächst nicht annehmen wollen, ein einfacher Bogenschütze wollte er lieber sein. Doch sein rotblonder Bart (“Nicht gefärbt!”) machte ihn zum idealen Kaiser. Inzwischen hat er sich daran gewöhnt und zieht die Darstellung auch mit ansprechender Manier durch. Was blieb ihm anderes übrig als einziger Rotbart des Thüringer Ritterbundes?

Es geht auch ohne “A-Karte”

Gut zehn Gruppen, unter anderem auch aus Hessen, schlugen ihr Lager in Tilleda auf. “Die Freidigen” aus Südthüringen, bekannt für ihre Einsätze auf der Brandenburg, gestalteten maßgeblich das Reiterturnier. Der Regen machte die Stechbahn indes zur Rutschbahn, so konnten die Reiter kaum ihre ganze Wucht ausspielen. Hie und da fehlte es noch an Übung, aber das Resultat konnte sich sehen lassen.
Die in westlichen Ländern so beliebte “A-Karte” – eine Art Formular für die Waffenprüfung – kam nicht zum Einsatz. Dafür hagelte es nach dem Heerlager im vergangenen Jahr auch reichlich Kritik aus den alten Bundesländern. “Das ist in unseren Breiten halt nicht so angesagt”, meinte Kaiserdarsteller Hochgräfe. Und Mitorganisator Elliger fügte hinzu: “Wir setzen lieber auf gesunden Menschenverstand und eine ausführliche Waffeneinweisung.” Natürlich gebe es auch hier Mindestanforderungen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Doch die Erfahrungen zeigten, dass auch eine A-Karte in der Hitze des Gefechts wenig nütze. Und wenn rund 30 schwer gerüstete Kämpfer aufeinander treffen kann es kaum ohne kleinere Blessuren abgehen. Hier kann nur ständiges Training vorbeugen – und das verordnen die Thüringer ihren Mannen.
Die Ausrüstung, die Kampfeinlagen und Rollenspielszenen – all das in der Kulisse der teils rekonstruierten Pfalz – für die Atmosphäre war also bestens gesorgt. Und von kleinen Regiemängeln abgesehen, zogen die Darsteller ihr Programm auch durch. Mit Liebe zum Detail schmückten sie Lager und Darstellung aus. Und es macht Appetit auf mehr. Denn im nächsten Jahr wird es wieder ein Spektakel aus der Stauferzeit geben. Hoffentlich wieder mit dem Herold Radolf zu Düringen, alias Ralph-Uwe Heinz, der seine Rolle zum Beruf gemacht hat. Mit Humor kommentierte er stets das Geschehen. Und er erwies sich als wandelndes Geschichtsbuch der Thüringer Grafen.

Vom Marktgeschehen und einem ehrgeizigem Projekt

Der Schwerpunkt des Geschehens war das Heerlager. Entsprechend fiel die Bestückung des Marktes nicht gerade üppig aus. Doch die Auswahl war gut und der Kommerz hielt sich in erträglichen Grenzen. Etwas mehr Getränkestände dürfen es im nächsten Jahr ruhig sein.
Wie nebenbei nutzte auch eine Gruppe aus Gera die Pfalz als Übungsgelände zum Speerwerfen. Es war ihnen (noch) nicht anzusehen, aber sie sammelten Eindrücke für ein eigenes ehrgeiziges Projekt. “Wir planen ein keltisches Oppidum als Museumsdorf”, erzählt Gerd Strohhecker. Seit Jahren zieht er schon in der Rolle des Friederich vonn Argeshooven, einem im 13. Jh. verstorbenen fränkischen Adligen durch die Lande. “Aber die Idee zu dem Keltendorf hatte ich schon lange.” In der Gegend um Gera hat er nun ideales Gelände gefunden. 25 Leute gehören zu dem Experimentellen Projekt junge Archäologie, kurz EPJA. Darin vereinigt sind Geschichtsfans, die mit durchaus wissenschaftlichem Anspruch an die Verwirklichung gehen wollen. “Dazu suchen wir auch den Kontakt zu Archäologen”, erklärt Strohhecker.
So “authentisch wie möglich” soll das Ergebnis aussehen. Und “lebendig” dazu, sagt er. In vielen Museumsdörfern gehe es recht trocken zu. Dem will EPJA ein typisch keltisches Dorf gegenüber stellen, das durch viele Aktionen belebt werden soll. Noch sei man dabei, die Ausrüstung anzuschaffen. “Wenn alles sehr gut läuft, können wir in den nächsten zwei Jahren beginnen”, hofft Strohhecker. Immerhin muss noch die Frage des Geländes und der Finanzierung geklärt werden.

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