Pompeji in Halle Als die Asche vom Himmel fiel

Bronzestatue des Apollon, Haus des Kitharaspielers, Pompeji. © Soprintendenza per i Beni Archeologici di Napoli e Pompei

Erdgeschichtlich – normal; menschlich – ein Drama, archäologisch – ein Glücksfall. Es geht um die verhängnisvolle Melange aus Vulkan, Asche und antiken Städten. Die Pompeji-Ausstellung in Halle macht mit ihrem Konzept Furore.

Vulkanologie trifft Archäologie

Feuer vom Vesuv: Plakat zur Landesausstellung. © P. Foglia und J. Lipták

Pompeji ist seit dem 9. Dezember 2011 auch außerhalb Italiens leicht zu erreichen (für Bahnfahrer gibt es sogar ermäßigten Eintritt): Im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Sachsen-Anhalt) ist die größte Ausstellung zum Thema der letzten Zeit noch bis zum 8. Juni 2012 zu besichtigen. Mit seinen üblichen Superlativen hat Harald Meller, der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, zur Eröffnung der Schau „Pompeji, Nola, Heculaneum: Katastrophen am Vesuv“ nicht übertrieben.

Für die schnelle Information hat der Botschafter der Republik Italien, Michele Valensise, diese deutsch-italienische Koproduktion treffend zusammengefasst: Es sei eine Mischung aus Geschichte, Archäologie und Vulkanologie. Der Vesuv spielt als Hauptakteur in allen Ausstellungsräumen die größte Rolle. Im bekannten säulendominierten Foyer des Hauses in Halle flackert Lavaglut an der Lichthofdecke.

Klassische und moderne Geschichtsfans

Diesmal war Harald Meller nicht der erste Mann am Tatort bzw. in Pompeji. Fürst Franz von Anhalt-Dessau kam als junger Mann auf seiner „Grand Tour“, wie „Interrail“ vor der Erfindung der Eisenbahn hieß, bereits 1766 dort vorbei und bewunderte dort die ersten regulären Ausgrabungen. Sein Besuch hinterließ bei der Errichtung der Dessau-Wörlitzer Parkanlagen in zahlreichen Gebäuden und der Nachahmung des Vesuvs deutliche Spuren (Wer die Ausstellung besucht: Ein Abstecher ins Gartenreich lohnt sich. Der Park in Wörlitz gehört zu meinen Lieblingsplätzen auf dieser Welt!).

Das ausgegrabene antike Forum von Pompeji. © Juraj Liptak, LDA Sachsen-Anhalt

Für die nun frisch gestartete Ausstellung sind zahlreiche Funde aus Italien dem Fürsten nachgefolgt. Aber es geht nicht nur um Pompeji und Herculaneum, nicht nur um die großartigen Wandmalereien und Fundstücke, die einen in der Qualität und Fülle fast sprachlos machen, sondern um die Geschichte der Katastrophen am Vesuv insgesamt. Der Landesarchäologe drückte es in seiner Einführung so aus: „Wir wollten nicht nur sensationelle Fundstücke ausstellen, sondern diese in einen Kontext bringen.“ Dieser Ansatz ist neu.

Und da man in Halle nicht kleckert, sondern klotzt, kamen als Schirmherren natürlich nur der Staatspräsident von Italien, Giorgio Napolitano, und der Bundespräsident Christian Wulff in Frage. Beide waren freilich heuer nicht vor Ort, sondern ließen sich vertreten. Dafür sprach der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff ein Grußwort. Zahlreiche Landesminister und Landtagsabgeordnete ließen sich durch die Ausstellung führen, das Interesse auf politischer Ebene war also groß.

Vom Gladius und dem FC Napoli

Aber ich verlasse die Prominenz aus Fürsten, Präsidenten, Ministern und Landesarchäologen nun und widme mich lieber der Ausstellung. Das kann bei so einer Gelegenheit und bei einer so großen Ausstellung natürlich nur ein erster Eindruck sein. Auf einer Fläche von gut 1300 Quadratmetern sind über 500 Exponate und Exponat-Komplexe zu bewundern. Unmöglich, sich an dieser Stelle ausführlich jeder einzelnen Inszenierung zu widmen. Stattdessen beschränke ich mich bei der Betrachtung auf drei Gesichtspunkte: meinen persönlichen Eindruck, die Tauglichkeit für Geschichtsdarsteller und die Bedürfnisse der Kinder: Halle bleibt sich treu. Der erste Eindruck ist schwarz, schwarz, schwarz.

Goldarmreif aus dem Haus des Goldenen Armreifs, Pompeji. © Soprintendenza per i Beni Archeologici di Napoli e Pompei

Darüber flackert der Vulkan. Hat mich dies bei der Dauerausstellung noch sehr gestört, fand ich es bei den Geschehnissen um den Vesuv sehr passend. Oder ich habe mich einfach an die schwarze Grundstimmung gewöhnt. Das Foyer als erster Raum bietet die Gegenüberstellung von großen Ausschnitten von Wandmalereien aus Pompeji und Straßenszenen aus dem Neapel von heute. In den Vitrinen werden Funde von damals Funden gegenübergestellt, die von heute stammen, wenn … ja, wenn gerade jetzt der Vesuv wieder ausgebrochen wäre. Der römische Gladius aus dem antiken Fundgut entspricht einer Pistole von heute, die Beinschienen des Gladiators den Schienbeinschützern des FC Napoli und dem römischen Toilettenset ist ein Rasierpinsel mit Spiegel gegenübergestellt. Ich fand die Idee wunderbar. Auch wenn die italienische Seite, wie mir verraten wurde, die Sache etwas unheimlich fand, als würde damit etwas heraufbeschworen, wenn man Exponate von heute so präpariert, als stammten sie aus dem Fundgut eines modernen Vulkanausbruchs. In der Tat: Der Vesuv kann ständig ausbrechen. Mit dieser Angst leben die Napolitaner von heute. Deshalb muss man nicht abergläubisch werden, aber es ist die Realität.

Drama im sogenannten Haus des goldenen Armreifs: Gipsausgüsse einer Frau und eines Kindes. © P. Foglia, Soprintendenza per i Beni Archeologici di Napoli e Pompei

Kindertauglichkeit: mangelhaft

An einer anderen Stelle der Schau bin ich begeistert von der Präsentation so vieler Gladiatorenhelme, dass doch einige Schritte vonnöten sind, um an dieser Phalanx vorbeizuschreiten. Sehr langsam, versteht sich natürlich. Diesen Abschnitt, mit seinen anschaulichen Darstellungen, einem Trickfilm und prägnanten Erklärungen, halte ich für den kindertauglichsten Teil der Ausstellung „Pompeji“.

Marmorstatue des Apollon, Haus des Menander, Pompeji. %(copy)© L. Pedicini, Soprintendenza per i Beni Archeologici di Napoli e Pompei %

Sehr schön war auch das Korkmodell der Casa del Menandro, aber ansonsten habe ich nichts für die lieben Kleinen entdecken können. Hätte man da sich nicht noch einige schöne Dinge mehr ausdenken können für die Museumsbesucher von morgen? Auf Nachfrage bei der Pressestelle nach einem Audio-Guide für Kinder, der vieles noch rausreißen könnte, erhielt ich eine freundliche, aber negative Nachricht. Auch für die Dauerausstellung gibt es diesen nicht. Dabei finden Kinder die Ausstellungen im Landesmuseum sogar sehr toll, hätten aber gerne zusätzliche Erklärungen, etwas, was Eltern selten so spezialisiert leisten können. Vielleicht kann das Landesmuseum in dieser Hinsicht den Besuchern von Morgen einen Nachschlag genehmigen. Es soll sogar Erwachsene geben, die gerne einen Kinder-Audio-Guide benutzen, weil er oft so schön anschaulich und nicht so wissenschaftlich ist – viele Bekannte von mir halten es so.

Apropos: Alte Bekannte habe ich natürlich auch in der Ausstellung getroffen. Damit meine ich nicht Freunde aus der Stadt oder einen Archäologen aus dem Landesamt, sondern das Bäckerpaar von einem Wandgemälde in Pompeji. Eine Reproduktion fand sich schon auf Seite 93 meines alten Geschichtsbuchs von 1968. Nun stand ich unverhofft vor dem Original, das lange mein Bild von den Römern geprägt hatte. Vor den Menschen, die Rom sozusagen ein Gesicht gegeben hatten. Ich konnte schwerlich Tränen der Rührung zurückhalten.

Living History: Alltagsstücke en masse

Der Geschichtsdarsteller kommt in der Ausstellung voll auf seine Kosten. Alltag in Pompeji, wohin man nur schaut. Die Intention, besonders Alltagsgegenstände auszustellen, bildet einen zentralen Bestandteil des Ausstellungskonzeptes.

Überreste einer bronzezeitlichen Hütte in Nola. © Nicola Castaldo

Dafür ist die Landesarchäologe nicht genug zu loben. Hier geht es um die einfachen Dinge im Leben: Ringe, Löffel, Gläser. Und um einen einzelnen Fund doch noch zu erwähnen, nur aus dem Grunde, weil er mir besonders in die Augen fiel: Ein Hobel, ein einfacher römischer Hobel. Dieser erschien mir in diesem Moment kostbarer als das ganze verdammte Kaiserreich, das ohnehin dem Untergang geweiht war.

Sind die Exponate nun in einem Kontext gestellt? Ich denke, in den meisten Fällen ist es geglückt. Meine Reaktionen zeigen es doch! Der Vesuv dominiert, das ist auch ohne Brille erkennbar. Im Untergang triumphiert auch die Lust und Erotik, der auch ein Teil der Ausstellung gewidmet ist (wen es interessiert!).

Ich denke, die neue Sonderausstellung in Halle ist zusammen mit den Sensationen aus der ständigen Dauerausstellung im selben Haus wie der Schamanin von Bad Dürrenberg, die Toten von Eulau und die Himmelsscheibe eine Reise, gewisse auch eine weite Anreise wert.

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9 Kommentare

  1. Irgendwie ließe sich das oben abgebildete Ausstellungsplakat auch mit leichter Hand umdeuten: Feuer als Gefahrensymbol für die Ausgrabungsstätten von Pompeji und Herculaneum. Ich war noch nicht dort; aber verfolgt man die Nachrichten, lässt sich nur ein Fazit ziehen: Schande über diese italienische Regierung, die offenbar seit Jahren und Jahrzehnten die Pflege vernachlässigte!
    Sicher, es geht hier ja zunächst um die Ausstellung in Halle. Aber etliche Stücke kommen nunmal auch aus Italien. Und ich hoffe, solche Besuchermagneten geben auch deutlichen Raum für Kritik und Diskussion zu den Zuständen vor Ort.

    11. Dezember 2011, 17:12 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    1
  2. Linkliste eben noch um “Blogging Pompeii” erweitert. zuweilen auf Italienisch, meist auf englisch werden dort die archäologischen Projekte in der Bucht von Neapel beschrieben und diskutiert. Unter anderem werden dort auch Gebäudereste dokumentiert, die in letzten Jahren zusammenbrachen.

    15. Dezember 2011, 14:12 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    2
  3. Auf die Ausstellung bin ich sehr gespannt. Wir sind dort im März eingeladen und freuen uns schon. War lange nicht mehr auf den Seiten hier. Tolle neue Beiträge, sollten öfter mal vorbeischauen vom Forum Traiani Team

    15. Februar 2012, 17:02 Uhr • Melden?
  4. Wenn ihr im März da seid, können wir doch über Eure Veranstaltung einen Bericht machen, Andreas. Ich bin direkt vor Ort in Halle.

    Dein Torsten

    21. Februar 2012, 09:02 Uhr • Melden?
  5. Die Laufzeit der Ausstellung wurde jetzt verlängert: Sie dauert nicht mehr bis zum 8. Juni, wie ursprünglich angekündigt, sondern nun bis 26. August 2012. Die Details haben wir auch in der Ankündigung im chronico-Ausstellungskalender berücksichtigt.
    Auszug aus der Pressemitteilung des Museums in Halle von gestern: “Zudem gelten ab Dienstag, den 3. April 2012 verlängerte Öffnungszeiten: täglich außer Montags 9 – 19 Uhr. Montags nach Vereinbarung.”

    03. März 2012, 11:03 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    5
  6. Ein interessantes Programm ist auch noch anzukündigen, z.B. dieses Wochenende:
    10. – 11. März 2012
    jeweils 10:00 bis 18:00 Uhr
    Auf der Via dell’Abbondanza
    Römischen Alltag miterleben
    und ausprobieren. Besuchen sie
    Händler
    und Mosaikleger.
    Blumenliebhaber können sich
    in die Kunst des Kränzebindens
    einführen lassen und geschickte
    Haussklavinnen verwandeln
    ihre Haarpracht in eine schicke
    antike Frisur.

    Weiteres hier

    07. März 2012, 09:03 Uhr • Melden?
  7. Danke Torsten für Terminposting und Dranbleiben am Thema!

    07. März 2012, 09:03 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    7
  8. Hallo Torsten,

    noch einmal lieben Dank an dich und das Chronico Team für den Besuch in Halle. Die Ausstellung haben wir mit vielen Tränen verlassen, da die interessierte Welt wohl kaum noch einmal die Stücke in natura zu sehen bekommt. Die Ausstellung ist ein absolutes MUSS für alle Rom Fans und sie ist ja zum Glück auch noch einmal verlängert worden. Wir vom Forum Traiani werden auf dem Weg in Winkelmann Museum in Stendal (Frisuren Vortrag) auf jeden Fall noch einmal die wunderschöne Ausstellung besuchen. Vale Andreas

    13. März 2012, 14:03 Uhr • Melden?
  9. Hätte ich fast vergessen. In Halle habe ich das erste mal in meinem Römerleben original (verkohlte) Papyrusrollen gesehen, neben ein paar wunderschönen und bekannten römischen Fresko´s mit abgebildeten Schreibwaren wie Wachstafeln, Tintenfass und Schriftrollen.

    13. März 2012, 14:03 Uhr • Melden?

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