Geschichtspodcast 24 Napoleonik-Treffen in Thüringen

Tschako aus der Zeit der napoleonischen Kriege beim Biwak in Dorstadt 2011. © Marcel Schwarzenberger

Nach ein „paar Tagen“ Pause: Mit zwei Zeitreisen – einmal ins Historische Museum der Pfalz Speyer und zum Reenactment „Jena 1806“ – kommt der Geschichtspodcast zurück. Dazu: Das neue Label Talanton.

Königliche Dynastie in Speyer

Salierausstellung in Speyer: Den Anfang bestreitet Nachrichtensprecher Claus Kleber mit Neuigkeiten zur Kaiserkrönung von Heinrich V. © Marcel Schwarzenberger

Speyer – alte römische Gründung und damit eine der ältesten Siedlungen in Deutschland. Hier entwickelte sich einst im hohen Mittelalter eine selbstbewusste freie Reichsstadt. Und mit Speyer ist auch die Dynastie der Salier eng verbunden. So mancher ihrer Angehörigen hat in der Krypta im Speyrer Dom seine letzte Ruhestätte gefunden.
Folgerichtig also, dass das Historische Museum der Pfalz Speyer dieser Dynastie eine große Schau widmet: „Die Salier – Macht im Wandel“ Sie ist noch bis 30. Oktober 2011 zu sehen. Und der Blick lohnt sich allemal noch.
Die Ausstellung zeigt die oft doch sehr dramatische Geschichte der Salier, die gut hundert Jahre lang als Könige und Kaiser die Geschicke des Reiches lenkten. Wenn auch zuweilen sehr am politischen Abgrund. Erinnert sei etwa an den Gang nach Canossa von Heinrich IV. Dieser bizarre Part des langwierigen Investiturstreits zwischen deutschen Monarchen und den Päpsten nimmt in Speyer aber nur einen kleinen Raum ein; immerhin gab es dazu 2006 eine eigene Ausstellung in Paderborn.
Die Salierschau in Speyer nimmt sich hingegen mehrere Spezialthemen vor. Ausgewählt nach ihrer Bedeutung für die Epoche. Das Gute an der Idee: Sie wirkt einer oberflächlichen Massenabfertigung entgegen.
Es geht natürlich auch um einzelne Salier; einen Schwerpunkt bildet aber das Trio Heinrich V. – dessen Krönung 1111 wird als Nachrichtenaufmacher im „heute journal“-Stil per Bildschirm präsentiert –, seine Frau Mathilde von England und dem Papst. Hinzu kommen Themenräume zum mittelalterlichen Skriptorium, der Entwicklung von Städten wie Speyer oder Basel, die Rekonstruktion der Burg Sulzbach oder die kirchliche Reformbewegung mit Fokus auf Cluny.

Rekonstruktion eines römischen Legionärs um 250 n. Chr. in der Dauerausstellung in Speyer. © Marcel Schwarzenberger

Ausgewählte Ausstellungsstücke werden optisch ansprechend präsentiert; die Fülle ist angemessen und nicht überbordend. Zuweilen haben es die Gestalter mit der düsteren Krypta-Atmosphäre etwas übertrieben. Grundsätzlich hat mir das Ausstellungsdesign aber gefallen Informative Videos und Audio-Kommentare an diversen Info-Säulen ergänzen das Angebot.
Freilich sind Speyer und das Historische Museum auch über das Ausstellungsende hinaus lohnenswerte Ziele. Die Dauerausstellung kann mit einigen lebensnahen Rekonstruktionen aufwarten (Neandertaler, Kelten, römische Legionäre verschiedener Epochen). Auch die römische Lebenswelt der hiesigen Provinz ist gut mit diversen Szenen nachgebaut. Minuspunkt: die etwas mau ausstaffierte Mannschaftsstube. Riesig ist die Sonderschau zur Geschichte des Weinkelterns; auch die Neuzeit kann sich mit guten Kostümen und bürgerlichen Alltagsgegenständen sehen lassen.

Zeitreise ins Jahr 1806

Der 14. Oktober 1806: Die für Deutschland und benachbarte Staaten so folgenschwere Doppelschlacht von Jena und Auerstadt hatten Napoleons Truppen gewonnen. Der französische Heerführer konnte sich für einige Jahre in Mitteldeutschland festsetzen.
205 Jahre später wird am historischen Schauplatz bei Jena an diesen dramatischen Moment gedacht. Die Initiatoren von der Arbeitsgemeinschaft „Jena 1806“ erwarten gut 1.000 Darsteller zum großen Reenactment-Treffen. Eine Dimension, die geradezu internationalen Charakter hat – typisch für die Napoleonik-Szene.

Auftritt in Dorstadt 2011: André Hermann, als Gemeiner der sächsischen leichten Infanterie, engagiert sich beim Verein Jena 1806. © Marcel Schwarzenberger

Vom 14. bis 16. Oktober 2011 wird der Schauplatz im Dreieck zwischen den Örtchen Cospeda, Closewitz und Lützeroda bei Jena zur Geschichtsbühne. Ein großes Biwak bauen die Akteure auf, die aus ganz Europa anreisen. Alltagskleidung des frühen 19. Jahrhunderts, Handwerk, Uniformen jeder Couleur – und aller Seiten – und Exerzitien werden präsentiert. Ein Höhepunkt ist die Gefechtsnachstellung am Samstag, 15. Oktober. Auf französischer Seite führt „Napoleon“ selbst die Truppen ins Feld.
Den Verein „AG Jena 1806“ gibt es bereits seit 1987. Er befasst sich mit der Zeit zwischen 1789 und 1815. Neben der Militärgeschichte – und deren Präsentation in Form von Living History – bemüht sich die AG auch darum, das historische Schlachtfeld als Mahnmal zu erhalten. Und schließlich widmet sich der Verein auch der historischen Erforschung dieser für Europa so wichtigen Epoche. So kriegerisch diese auch war; heute steht Völkerverständigung weit oben auf der Kladde der Napoleonik-Gruppen.

Alte Musik vom neuen Label

Ein neues Label mit viel historischer Musik: Talanton Records wurde 2010 gegründet. Beheimatet ist das Label auf Schloss Goseck in Sachsen-Anhalt. Dort sitzt das schon seit Jahren renommierte Label Raumklang mit Sebastian Pank an der Spitze, der Talanton aus der Taufe hob. Pank engagierte sich auch beim Leipziger Ensemble Ioculatores. Aus deren Umfeld stammen wiederum wichtige Akteure für das erfolgreiche Festival für mittelalterliche Musik „montalbâne“. Das ist der Humus, aus dem Talanton erwachsen ist.
Zwei Unterschiede zu Raumklang gibt es: Während Pank dort viele Produktionen steuert, haben die Musiker bei Talanton freie Hand. Es sind von ihnen vorproduzierte Programme, die Pank beim neuen Label vermarktet. Der Qualitätsanspruch bleibt aber auch hier in auf gewohnt hohem Level. Zweitens ist Raumklang auf historische Musik festgelegt; Talanton käme hingegen auch für Einspielungen mit Weltmusik oder Jazz in Frage.

Die ersten Scheiben des neuen Labels zählen freilich zum Genre Alte Musik. Weshalb wir sie auch im Podcast vorstellen.

Neuerscheinungen mit historischer Musik beim neuen Label Talanton. © Marcel Schwarzenberger

Ensemble Belladonna

Zu hören ist hier ein Live-Mitschnitt vom montalbâne in Freyburg 2006. Titel: „Chanterai d’aquestz Trobadors“ (sinngemäß: „Singen wir von diesen Trobadors“). Das Frauenensemble entführt nach Okzitanien, ins Land der Trobadors. Dort blühte im 12. und 13. Jahrhundert eine Liedkunst mit hochstilisierten Dichtungen und kunstvoll verschlungenen Melodien. Die vorliegende Aufnahme mit dem Ensemble Belladonna zeigt die verschiedenen Facetten der Trobadorkunst.

ALTA MUSICA unter der Leitung von Rainer Böhm

„Amours me fait desirer“ (Liebeslieder des späten Mittelalters) ist dieses Album der international bekannten Gruppe betitelt. Es ist eine strahlend schöne und prachtvolle Liedersammlung mit Stücken u. a. von Oswald von Wolkenstein, Guillaume de Machaut oder Francesco Landini. Das Album bietet starke Stimmen, perfekt gesetzte Instrumente und viel musikalische Abwechslung.

Ioculatores und Jörg Peukert

Es geht um das brandneue Album „Der erlauchte Fürst – Höfische Kultur zur Zeit des Naumburger Meisters“, das passend zur Ausstellung Der Naumburger Meister aufgenommen wurde (die Ausstellung ist noch bis 2. November 2011 zu sehen). Im Zentrum des Albumssteht der Hof des Thüringer Landgrafen Heinrich der Erlauchte, der aber der Mitte des 13. Jahrhunderts den Fürstentitel trug. Berühmt wurde er durch seine prächtige Hofhaltung und sein Auftreten als Mäzen, Dichter und Komponist.
Die Talanton-Scheibe bietet einen herrlich arrangierten Querschnitt aus Liedern, Tänzen und Dichtung (souverän gesprochen von Jörg Peukert) rund um diesen Fürsten. Ioculatores bieten das ganze spektakuläre Instrumentarium auf, für das sich diese Gruppe seit langem ins Herz geschlossen habe. Zu schade, dass sich die Gruppe 2009 offiziell von ihrem Publikum verabschiedet hat.
Leider, leider: Das vorliegende Album ist denn auch keine Neuaufnahme; sämtliche Stücke – von den mittelhochdeutschen deklamationen abgesehen – entstammen drei älteren Ioculatores-Alben, die seinerzeit bei Raumklang erschienen. Das sind das geniale Werk „ media vita in morte sumus“ (Mitten im Leben ist um uns der Tod) sowie die ebenso lebendigen „Lieder und Tänze des Mittelalters“ – beide Scheiben wir ausführlich bei chronico präsentiert. Sodann kommen einige Stücke aus dem Album zum Elisabeth-Jahr 2007, bei uns im Geschichtspodcast 15 vorgestellt.
Ja, ich hätte mir mehr Neues gewünscht. Gleichwohl hat die Zusammenstellung durchaus auch für mich ihren Reiz. Und wer Ioculatores noch nicht kennt, wird sich mit „Der erlauchte Fürst“ eine fantastische neue Hörwelt erschließen, voller farbiger Inszenierungen mittelalterlicher Musik und Dichtung. Mit dabei: Walter von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, Konrad von Würzburg, Thibaut de Champagne und viele mehr. Das „Saltarello Nabugodonosor“ nach Rumslant von Sachsen spielen wir im Podcast auch kurz als Leckerbissen an.

Bei iTunes ist Talanton derzeit nicht vertreten. Das noch als Nachtrag zu einer Frage, die wir in der Sendung aufgeworfen haben.

Das neue chronico

Natürlich stellen wir den Podcast-Hörern auch das neue Geschichtsmagazin chronico vor; besser gesagt: den jüngst erfolgten Relaunch. Mit neuen Funktionen, der neuen FotoStory, dem aufgeräumten Archiv, unseren Themen und einer übersichtlicheren Menüstruktur.
Aber das kennen viele unserer Leser ja; weshalb ich mir an dieser Stelle eine längere Erläuterung spare und schlicht auf unseren Artikel zum Relaunch verweise.

Artikel aus der Rubrik „Geschichtspodcast“

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1 Kommentare

  1. Und wie wir es im Podcast gesagt haben: Wer mag, Lust und Interesse am Mitmachen hat – bitte gern! Der Geschichtspodcast soll möglichst vielen Menschen, die ein Faible für Geschichte haben, offensten. Gern direkt mit eigenen Audiobeiträgen und fertigen Einspielern. Oder fragt einfach bei uns nach, was und wie.

    05. Oktober 2011, 11:10 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
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