Bonifatius Der große Missionar

Es ist der 5. Juni anno 754. Die Sonne dringt mühsam durch die Fetzen des morgendlichen Nebels, der über der friesischen Küste liegt. Mit rund 50 Helfern bereitet der greise Bonifatius die Firmung einiger heidnischer Friesen vor. An diesem Küstenstrich bestritt der große Missionar und Mainzer Erzbischof im Jahre 716 seine erste Missionsfahrt. Möglicherweise ahnt der alte Kirchenmann, dass dies nun seine letzte wird. Und richtig: Bevor er die Zeremonie zu Ende bringen kann, stürmen friesische Krieger das provisorische Lager beim heutigen Dokkum (Niederlande). Bonifatius, so sein Biograph Willibald, untersagt seinen Begleitern die Verteidigung. Als Märtyrer und Heiliger geht er in die Geschichte ein. 1250 Jahre später begehen einige deutsche Städte den Todestag mit opulenten Feierlichkeiten. Auch Erfurt steht dem nicht nach.

Die thüringische Hauptstadt steht in der Schuld des Heiligen, könnte man sagen. Das hochgerühmte Erfurter Becken mit seiner fetten Schwarzerde war seit langem Siedlungsgebiet. Doch Bonifatius wählte ausgerechnet diesen Flecken, um im Jahre 742 hier einen Bischofssitz zu gründen – neben weiteren in dieser Zeit (Fulda und Würzburg). Noch in diesem Jahr schrieb der eifrige Missionar, der später den Beinamen “Apostel der Deutschen” bekommen wird, an seinen Papst Zacharias mit der Bitte um Bestätigung des Sitzes “in dem Ort, welcher Erphesfurt heißt, der schon vor Zeiten eine befestigte Siedlung heidnischer Bauern gewesen ist”. Es ist die erste urkundliche Erwähnung der Stadt an den Furten der Gera.

Um 672/675 wurde Bonifatius im damaligen Königreich Wessex geboren. Als Geburtsort gilt seit dem 14. Jh. Crediton. Seit jeher waren es angelsächsische Mönche, die die Christianisierung Europas vorantrieben. In dieser Tradition steht auch Bonifatius, der bereits im Alter von sieben Jahren in ein Benediktinerkloster kam. Die erste Reise zu den Friesen war nur von kurzer Dauer und vermutlich wenig erfolgreich. Immerhin wurde der Vatikan aufmerksam auf den unermüdlichen Mann. 719 bestellte ihn Papst Gregor II. zum Missionar. Erst hier legte er seinen Geburtsnamen Wynfreth ab und bekam den Namen Bonifatius verliehen. Zentrum seiner Tätigkeit wurde fortan Thüringen und Hessen.

Den herrschenden Karolingern wurde die Bedeutung dieser Arbeit erst spät bewusst. Viel mehr als einen Schutzbrief des noch offiziell als Hausmeier agierenden Karl Martell (“Hammer” – den Namen bekam er nach der – in der Bedeutung übersteigert dargestellten – Schlacht von Poitiers gegen die spanischen Muslime) bekam Bonifatius offensichtlich nicht als Unterstützung. Erst Karls Söhne Karlmann und Pippin begründeten nach Martells Tod 741 ein neues Verhältnis des fränkischen Reiches zur Kirche. Sie hatten erkannt, dass eine unter ihrem Schutz vollzogene Reform der fränkischen Kirche einen moralischen Autoritätsgewinn bedeuten könnte.
Es war die Zeit des Umbruchs der seit Jahrhunderten währenden Königsherrschaft der Merowinger an ihre immer mächtiger werdenden Hausmeier. Unter der dünnen Eisdecke der formalen Regierungsbedingungen brodelte es.

Zwar schien sich unter den Freien des Reiches immer mehr die Einsicht durchzusetzen, dass das Scheinkönigtum der Merowinger besser ersetzt würde. Aber noch wahrte man im Reich die Form. Den Karolingern verhalfen aber auch solche Siege wie die bei Poitiers zu einem Ruf als Herrscher. Doch es schien der eifernde Missionar Bonifatius gewesen zu sein, der einen wegweisenden Rat gab: Man trage doch einfach dem Papst die Entscheidung an.

Der Papst saß in Rom wie auf dem Präsentierteller für die in Oberitalien residierenden Langobardenkönige. Ein Schutzbündnis mit den Franken käme dem kirchlichen Oberhaupt gerade recht. Und so fällte Papst Zacharias 751 seinen legendären Spruch, wonach es besser sei, dass derjenige König heiße, der die Gewalt habe, als jener, der ohne königliche Macht sei. Besser konnte er die Situation im Frankenland nicht umschreiben. Die Folge: Pippin wurde in Soissons zum König gewählt. Und vermutlich war es Bonifatius, der die Salbung vornahm.

Pippins Bruder Karlmann zog sich ins geistliche Leben zurück und machte die Kirchenreform zu seiner Herzensangelegenheit.
Bonifatius also band die fränkischen Könige fortan an das Papsttum (was in Karls Kaiserkrönung 800 gipfelte und schließlich in das dauerhafte Engagement der deutschen Kaiser in Italien mündete) und stärkte damit auch die Autorität des Vatikans. Und für die Franken wiederum gewannen die Missionen in den bisher heidnischen Gebieten deutlich an politischem Gewicht. Die frisch errichteten Diözesen erlaubten den direkten Zugriff auf lange widerspenstig gebliebene Regionen wie eben Thüringen. Man kann sagen, erst jetzt, in der Mitte des 8. Jhs. begann die eigentliche Entstehung des christlichen Abendlandes. Und die Geschichte Erfurts und der anderen Bistümer ist damit eng verbunden.

Es sei noch erwähnt, dass die unrühmliche Absetzung der letzten Merowinger (die unspektakulär in Klöstern verschwanden) noch bis heute dunkle Verschwörungstheorien anheizt. Die Rede ist von einem “Verrat”, angezettelt von der römisch-katholischen Kirche und den Karolingern. Aber das ist eine andere Geschichte.

Quellen

Arnold Bühler u.a.: Das Mittelalter; Theiss Verlag; Stuttgart; 2004;
Reinhard Elze, Konrad Repgen (Hrsg.): Studienbuch Geschichte; Klett-Cotta; Stuttgart; 1994

Feierlichkeiten in Erfurt

Sicher ist die Stadt nicht so alt wie ehemalige Römerkastelle am Rhein. Doch die Stadt ist stets eine Reise wert. Zwar hat das Bonifatius-Jahr bereits begonnen, doch zahlreiche Veranstaltungen bieten bis in den Herbst hinein extra Anreize für eine Reise. Die Palette reicht von Ausstellungen über Diskussionsforen und Studienfahrten bis hin zu aufwändigen Konzertreihen. Die Stadt und viele Kulturträger sind mit einem reichhaltigen Programm angetreten, um die vielschichtige Figur des heiligen Bonifatius zu durchleuchten. “Bonifatius und die Frauen” oder “Bonifatius in der Literatur” heißen manche Veranstaltungen. “Auf den Spuren des Bonifatius” wandeln Teilnehmer der Studienfahrt des Bistums Erfurt im August. Und Musik zum Thema gibt es während der 10. Internationalen Orgelkonzerte den Erfurter Kirchenmusiktagen. Das komplette Programm gibt es im Internet – siehe Link in der rechten Leiste.

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1 Kommentare

  1. Sehr anschaulich, fast wie ein Krimi! Hier schau ich jetzt öfter rein. Wie war das mit Bonifatius und Lioba – haben sie oder haben sie nicht?Ich lese gerade einen Artikel, der das suggeriert (L.-dicecta Bonifatii. Eine Liebesgeschichte im 8. Jh.?)

    30. August 2006, 19:08 Uhr • Melden?
    von Heidi
    1

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