Zunft Handwerker bauen Monopolmacht auf

Das feudalistische System war überwiegend von einer autarken Hauswirtschaft geprägt, auch wenn diese Selbstversorgung kaum in Reinform auftrat. Dennoch: Die Bedeutung der Städte war seit der Spätantike rapide gesunken, die meisten Menschen lebten auf dem Lande. Wichtigste Erwerbsquelle war der Grundbesitz, Absatzmärkte für Handel und Gewerbe gab es kaum. Dies änderte sich erst mit der Welle der Städtegründungen seit dem 12. Jh., die erst zur Mitte des 15. Jhs. wieder ausklang. Der Aufstieg der Städte bedeutete die Belebung einer neuen Wirtschaftsform – der Überproduktion. Das System der Zünfte kam dabei so richtig zur Blüte.

Zünfte waren Verbände von Handwerkern und Kleinhändlern (für Großhändler siehe Gilde), denen jeweils die selbständigen Meister mit ihren Gesellen und Lehrlingen eines einzelnen Handwerks – manchmal auch von verwandten Handwerkszweigen – angehörten. Sie sind seit Anfang des 12. Jhs. nachgewiesen (etwa Worms, Mainz und Würzburg) und seit Mitte des 13. Jhs. allgemein verbreitet. Die Handwerkerzünfte verstanden sich meist als kirchliche Bruderschaften, die den Berufsalltag ihrer Mitglieder umfassend regelten – und kontrollierten.
Wirklich reich werden konnte kaum ein Handwerker, denn das Mittelalter kannte keine fabrikmäßige Großproduktion für gewaltige Absatzmärkte. Schon aus diesem Grund entwickelten sich die Zünfte zu kartellähnlichen Verbänden, deren restriktive Bestimmungen das Auskommen der einzelnen Mitglieder sichern sollte. Arbeitsmarkt, Arbeitszeit, Ausbildung, Warenproduktion, Zulassung für Neulinge und selbst die Qualitätskontrolle – all dies lag in den Händen der Zunftführung. Die bestand aus gewählten Zunftmeistern. Als geschlossener Verband entwickelte jede Zunft ein eigenständiges Rechtssystem. Und weil die Gesamtheit der Handwerker einen Großteil der städtischen Bevölkerung ausmachte, kam den Berufsgenossenschaften auch eine größere politische Rolle innerhalb eine Kommune zu. Bis auf wenige Ausnahmen (so in Zürich, wo nach 1336 die Zünfte das Stadtregiment bestimmten) schafften es die Handwerker aber kaum, sich gegen Kaufleute und Patrizier dauerhaft durchzusetzen.
Um so protektionistischer wirkten die Bruderschaften im Inneren. Die Zunfthäuser bildeten für die Mitglieder den Mittelpunkt ihres gesellschaftlichen Lebens, das zudem von Zunftstatuten bestimmt wurde. Freie Preisgestaltung gab es kaum. Andererseits kam den Zünften auch eine wichtige karitative Rolle zu – für Not leidende Mitglieder oder in Form von Stiftungen. Und die Zünfte stellten auch die notwendigen Leistungen zum Schutze der Stadt sicher und waren Teil der städtischen Miliz.
Die geballte Marktmacht indes unterband echte Konkurrenz, was zu Lasten der Kunden ging. Dieser Organisationsform wohnte von Beginn an eine zunächst versteckte Fortschrittsfeindlichkeit inne. Neulinge, Stadtfremde vor allem, hatten kaum eine Chance auf Aufnahme, womit schlicht ihrer Erwerbstätigkeit unterbunden wurde. Wie sehr Ausgeschlossene unter den Bedingungen litten, ist kaum aus zeitgenössischen Quellen bekannt. Und mit der Renaissance, dem Erblühen des Fernhandels nach Erschließung der Überseemärkte und der wirtschaftlichen Neuorientierung seit dem 16. Jh. zeigte das Zunftsystem eine zunehmende Erstarrung.

Quellen: Wilhelm Volkert; Adel bis Zunft, Ein Lexikon des Mittelalters; C.H.Beck; München; 1991;
Diether Krywalski, Die Welt des Mittelalters; Aschendorff Verlag; Münster; 1990

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1 Kommentare

  1. Dieser Artikel ist sehr gut, da die ganzen Aufgaben einer Zunft beschrieben werden und vor allem mit alltäglicne Wortmaterial erklärt wird. Somit ist es leciht für jedermann verständlich.

    03. März 2005, 18:03 Uhr • Melden?
    von Hatschipuu
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