Syrien Wehranlagen zur Zeit der Kreuzzüge

Herbst 1187 am Kaiserhof. Wütend zerwühlt Friedrich I, dem man später den Beinamen Barbarossa geben wird, seinen Bart. Bleich und zerfetzt stehen die Boten aus dem Heiligen Land vor ihm. Sie bringen furchtbare Kunde. Jerusalem ist verloren. Der Ajjubiden-Sultan Salah ad-Din zerstreute bei Hattin die Kreuzfahrerheere wie welkes Laub in alle Himmelsrichtungen. Er nahm den Christen Jerusalem, die Mutter aller Städte, Ziel Tausender christlicher Pilger. Der allerchristlichste Monarch tobt, und auch in den anderen Königreichen herrscht Aufruhr. Englands Richard Löwenherz und Frankreichs Philipp II. Augustus rasseln mit den Waffen. Um ihnen den militärischen Ruhm und die Vormachtstellung in Palästina nicht zu überlassen, stellt sich Friedrich kurzerhand selbst an die Spitze eines Kreuzzugs, der als der dritte in die Geschichte eingehen wird (1189-1192). Der Kaiser wird bei diesem Versuch in den Fluten des Salephs ertrinken, Richard Löwenherz wird auf der Heimreise Gefangener des Österreichers Leopold, Philipp selbst kehrt als kranker Mann heim. Jerusalem bleibt in den Händen der Moslems. In Kriegen wie diesem kommt der Wehrtechnik besondere Bedeutung zu. In zahlreichen Burgen klammern sich die Krieger beider Seiten an ihre Hoffnung auf Entsatz. Ein Streifzug durch Festungen in Syrien.

Aleppo

Als Sultan Salah ad-Din, oder Saladin (1138-1193), die Handelsmetropole im Norden Syriens eroberte, war die Stadt schon uralt. Die Hethiter eroberten sie im 19. Jh. vor Christus, die Hellenen fühlten sich hier zu Hause und auch die Römer. Christliche Gemeinden gab es hier schon lange vor den Kreuzfahrern. Bis heute ist Aleppo ein Schmelztiegel der Kulturen und Religionen. Auch Saladin griff nicht wesentlich in die gewachsenen Strukturen ein, und behandelte die Christen eher schonend (im Gegensatz zu Richard Löwenherz, der später in Akkon ein wahres Gemetzel unter den Muslimen anrichtete).

Das Zentrum Aleppos ist ein Kleinod von einer Burg. Die Anlage thront auf einem Berg hoch über der Stadt und bietet auch jetzt noch einen majestätischen Anblick. Noch immer graben Archäologen neue Erkenntnisse aus dem Schutt der Jahrtausende. Seit den Hethitern hat jede Besatzungsmacht hier oben gebaut. Bei den Grenzstreitigkeiten der Kalifate mit dem Byzantinischen Reich wurde die Zitadelle eine der strategisch wichtigsten Befestigungen für die Moslems. Und auch Saladin ließ die Anlage nach seiner Eroberung weiter ausbauen. Aus dem 12. Jh. stammen auch die meisten Bauten, die heute noch zu sehen sind – darunter ein ajjubidischer Palast, den Saladins Sohn Malik az-Zahir in Auftrag gab.

Glanzstück der Anlage ist das prächtige Portal. Es ist der einzige Zugang über den breiten Wassergraben, der den Berg umgibt, und den in der pulsierenden Gegenwart die jungen Aleppiner mit ihren Hochzeitscorsos an beinahe jedem Abend umkreisen. Ein lange Steinbrücke führt zum trutzigen, und doch im Stil so elegant wirkenden Portal. Jeder Besucher muss innerhalb dieser Anlage fünfmal abbiegen, bevor er die Zitadelle betritt. Drei Tore müssen durchschritten werden. Eine der Moscheen innerhalb des Burgringes, die Ibrahim-Moschee, stammt ebenfalls aus dem 12. Jh. Angeblich steht sie an der Stelle einer viel älteren Kirche, in der einmal der Kopf von Johannes des Täufers aufbewahrt worden sein soll.

Auf dem Gelände mischen sich Zeiten und Stile – und Reste gewaltiger Zerstörungen. Auch die Mongolen wüteten im 13. Jh. in den syrischen Gebieten, bis die Mamluken sie vertrieben. Doch Aleppo, die uralte Stadt, wurde immer wieder aufgebaut, und mit ihr die Zitadelle.

Saladinburg

Die Kreuzfahrerstaaten unterhielten ein gewaltiges Netz aus Burgen. Anders konnten sie sich auch kaum im Heiligen Land halten. Denn so zerstritten wie die muslimischen Fürsten, waren auch die Christen untereinander. In einem Sumpf aus Neid und Missgunst und der Gier nach territorialer Macht kam niemals eine Hegemonie unter einem starken Führer zustande. In den letzten Jahrzehnten erwiesen sich die Ritterorden noch als die stabilste Macht – aber auch sie verfolgten ihre eigenen Pläne. Die Folge waren zerstückelte Kleinstaaten, in deren Zentren die Burgen für militärischen Schutz sorgten. Mit der Zeit wurde das Netz so dicht, dass vor allem an den Küstengebieten Syriens und des Libanons die Burgen in Sichtweite voneinander standen. Eine Garantie auf rechtzeitige Hilfe war dies jedoch nicht. Allenfalls konnten die Nachbarn durch Signale vor dem anrückenden Feind gewarnt werden.

Qualaat Salah ad-Din, die Saladinburg, thront eine gute Autostunde westlich der Hafenstadt Lattakia auf einem steilen Bergrücken. Die Lage ist atemberaubend. Künstliche Gräben und tiefe Schluchten umgeben die Anlage. Die Felsen sind von einem üppigen Grün bedeckt. Bis an diese Küstenregion reicht die syrische Wüste nicht heran. Am Fuß der Mauer wuchert dorniges Gestrüpp. Es ist dicht und hält jeden Eindringling besser ab, als es tausend grimmige Krieger könnten. Die Hänge ziehen sich steil hinab bis auf den dunklen Grund der Schlucht. Ein ausgetrocknetes Flussbett führt hier entlang, angefüllt mit riesigen rundgeschliffenen Steinen. Es geht immer weiter abwärts ins Nirgendwo.

Die Byzantiner legten im 10. Jh. den Grundstein zu der imposanten Anlage. Sie hielten die Burg bis zur Übernahme durch die Kreuzfahrer. 1188, also nur kurz nach dem Trauma von Hattin gelang es Saladins Truppen, auch diese Burg zu erobern. Der Sultan ließ dort einen prächtigen Hammam (ein türkisches Dampfbad) und eine Moschee errichten. Ansonsten ist heute nur wenig aus dieser Zeit zu sehen. Und dennoch bieten die Überreste auch heute ein grandioses Bild. Beeindruckend vor allem die steile Felsnadel am Hauptportal zu Hauptburg, über die die Verteidiger eine Zugbrücke herunterlassen konnten. In diesem Teil befinden sich auch die besterhaltenen Reste der alten Gemäuer. Im überwucherten Westteil der Unterburg streifen heute Schakale durch die verwitterten Wehrtürme.

Misyaf

Auf den ersten Blick wirkt das typisch syrische Provinznest, auf halbem Weg zwischen der Hafenstadt Tartus und Hama im Küstengebirge gelegen, wenig spektakulär. Die eigentliche Bedeutung liegt auch hier, wie so oft, hoch droben auf einem Berg: Misyaf (auch Masyaf), die Burg der legendären Assassinen, eine Geheimsekte der Ismaeliten. Die Glaubensgemeinschaft der Ismaeliten existiert noch immer, seit vier Jahren lässt sie die alte Burg sanieren.

Nur rund ein Prozent der syrischen Bevölkerung zählen heute noch zu den schiitischen Ismaeliten. Und nur wenige wohnen noch im Städtchen Misyaf. Das syrische Zentrum der Sekte, die ihren Glauben nie öffentlich, sondern nur in Privathäusern ausübt, liegt in Salamiya. Doch im 12. Jh. waren die Ismaeliten, oder auch Siebener-Schiiten genannt, eine bedeutende Macht in Syrien.

Die Anhänger der Lehre glauben, dass der siebte Imam, Ismail, nie gestorben ist, und eines Tages zurückkehren wird, um Gerechtigkeit zu üben. Die Schiiten glauben an die Nachfolge Alis, als leiblichen Neffen Mohammeds, der selbst keine Söhne hinterließ. Im Gegensatz zu den Sunniten lassen sie den Führungsanspruch der gewählten Kalifen nicht gelten. Im 10. Jh. tauchten die Ismaeliten in Syrien auf, wo sie von den Sunniten unterdrückt wurden. Eine erste Machtposition nahm die Glaubensgemeinschaft in Ägypten ein, als die Fatimiden im 10. Jh. dort die Herrschaft übernahmen. Diese Dynastie jedoch überlebte nicht lange und schwächelte in ihren letzten Jahrzehnten immer mehr.

Nachdem die fränkischen Kreuzfahrer den Fatimiden zugesetzt hatten, gab der sunnitische Kurde Saladin, damals Heerführer des Seldschuken Nur ad-Din ibn Zengis, 1171 dem Kalifat den Gnadenstoß. Er übernahm selbst das Szepter und setzte sich auch gegen seinen ehemaligen Herrn durch. Als Nur ad-Din 1174 starb, schwang sich Saladin zum stärksten Mann der Region auf – und wurde auch ein Gegenspieler der Ismaeliten.

Die hatten sich mehrmals in neue Sekten aufgespalten (darunter die Drusen, die noch heute im Süden Syriens und im Libanon leben). Die bedeutendste war die der Assassinen. Ihr Zentrum befand sich in Alamut im persischen Khorasangebirge. Nach dem Tod des fatimidischen Kalifen Mustansir (1094), flüchtete dessen Sohn nach Alamut, nachdem sein Bruder Mustail die Macht in Ägypten übernahm. Von dort nahm die Bewegung der Assassinen ihren Anfang, und fasste 1176 auch in Syrien Fuß. Ihr erster dortiger Großmeister, Scheich Rashid ed-Din Sinan residierte in Misyaf und wurde als der “ Alte vom Berge” berühmt und berüchtigt.

Die ursprünglich wahrscheinlich byzantinische Festung war während der Kreuzzüge nur kurz in christlicher Hand, 1140 fiel sie den Muslimen zu. Die Assassinen wiederum bauten die Burg im 12. und 13. Jh. zu ihrem syrischen Hauptsitz aus. Von hier aus beherrschten sie für gut eineinhalb Jahrhunderte ihr Einflussgebiet. Aus dieser Zeit stammen auch die meisten, sehr gut erhaltenen Bauten. Die Lage erlaubt einen weiten Blick in die Ebene.

Die Sekte verfolgte strikt ihre eigenen Ziele. Dafür kämpfte sie mal gegen Christen, mal verbündete sie sich mit fränkischen Baronen gegen Sunniten und die “untreuen” ägyptischen Ismaeliten. Doch was immer sie taten – sie taten es mit äußerster Brutalität und unter Einsatz ihres Lebens. Ein oft genutztes Mittel war der politische Mord. Nach Meinung ihrer Feinde konnten die Assassinen diese Dinge nur unter Einfluss bestimmter Drogen vollbringen. Ihr Name leitet sich vom arabischen “Hashishin” (“Haschischfresser”) ab. Bis heute ist der Begriff “Assassine” ein gebräuchlicher Name für “Meuchelmörder”.

Krak des Chevaliers

Die berühmteste Kreuzritterburg, der Krak des Chevaliers (Qualaat al-Husn), überwältigt durch schiere Größe. Sie ist die schönste und besterhaltene Burg Syriens. In ihren gewaltigen Gängen brauchten die Ritter nicht einmal vom Pferd zu steigen. Den Arabern ist die 1271 eroberte Festung ein Symbol des Widerstandes gegen die christlichen Invasoren. Heute drehen hier die Syrer Filme über Sultan Saladin – mit Sets, die ihnen weißrussische Techniker bauen.

Laut arabischen Quellen erbaute der Emir von Homs um 1030 die erste Wehranlage, um die Straße nach Tripolis zu bewachen. Tankred von Antiochia eroberte die Burg 1102. Später wurde sie der Grafschaft Tripolis zugeschlagen. Unter dem Grafen Richard II. übernahmen die Johanniter 1144 die Bewirtschaftung der Burg, die nun Etappenziel auf der Pilgerfahrt nach Jerusalem wurde. Der Ritterorden baute den Krak maßgeblich zu einem Bollwerk monumentalen Ausmaßes gegen muslimische Angreifer aus. Über die Burg von Safita stand die Besatzung im Blickkontakt mit der Küste. Jeder Angriff erwies sich als erfolglos. Selbst Saladin scheiterte an der Trutzburg.

Erst der Mamlukenemir Rukn ed-Din Baibars, der “Bogenschütze” (1211-1277), entriss die Festung den Christen, und kam damit seinem Ziel, die Vertreibung der Kreuzfahrer aus dem Heiligen Land, ein gutes Stück näher. Die Mamluken (ehemalige Militärsklaven) machten bezeichnenderweise der Ära der Ajjubiden nach einer Palastrevolte um 1250 ein Ende. Der Krak selbst wurde nach der Eroberung durch Baibars nicht mehr regelmäßig bewohnt.

Um so erstaunlicher ist der außergewöhnlich gute Zustand der Mauern. Wer die Enge der meisten mittelalterlichen Burgen kennt, wird schier sprachlos angesichts der enormen Ausdehnung. Schon der innere Verteidigungsring, die Oberburg (mit einem 120 Meter langem Versammlungssaal, dem reich verzierten Rittersaal, Kapelle, Innenhof und Stallungen), hat riesige Ausmaße. Ihn trennt noch einmal ein breiter Graben, teilweise als Wassergraben ausgebaut, von den mächtigen Außenmauern, deren zahlreiche Türme eine Verteidigung zu jeder Seite erlaubten. Weithin überschauten die Wachen die Ebene unterhalb der Burg. Vollständig überdachte Treppen und Gänge erlaubten den Berittenen, auf ihren Pferden geschützt zum Ausgang zu reiten, um den Gegner in schnellen Ausfällen zu überraschen. Bis zu 2000 Mann sollen einst hier Platz gefunden haben.

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1 Kommentare

  1. Informativ,kompakt, gut zu lesen.
    Man kann sich gut ein Bild von der Geschichte machen.

    20. März 2005, 16:03 Uhr • Melden?
    von leopolder
    1

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